# taz.de -- Grüne Spitzenkandidatinnen: Die zwei Seelen der Grünen | |
> Auf ihrer Mitgliederversammlung konnten sich die Grünen nur knapp | |
> zwischen den Spitzenkandidatinnen Marieluise Beck und Kirsten | |
> Kappert-Gonther entscheiden | |
Bild: Fast 30 Jahre her: Marieluise Beck lugt Petra Kelly beim Shakehand mit Wi… | |
Das Ergebnis war ganz knapp: Mit 114 Stimmen wurde auf der | |
Mitgliederversammlung der Grünen am Samstag Marieluise Beck als | |
Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2013 nominiert. Die | |
Bürgerschaftsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther unterlag mit 103 Stimmen. | |
Was ist es, das die Grünen so spaltet? | |
Eine offene politische Aussprache sei nicht üblich bei | |
Kandidatenaufstellungen, erklärte der Landesvorsitzende Hermann Kuhn zu | |
Begin der Versammlung. Die Kandidatinnen durften sich vorstellen, dann | |
wurden zwei Mal fünf Fragen – eine Minute – zugelassen, die Kandidatinnen | |
durften zwei Mal fünf Minuten antworten. Eine Vorstellungsshow also. Beide | |
bekannten sich pflichtgemäß zu den Essentials der grünen Partei, und dass | |
Marieluise Beck rhetorisch erfahrener erschien nach 30 Jahren „Politik als | |
Beruf“, wog weniger als das Argument, dass nun endlich mal eine | |
„Erneuerung“ stattfinden müsse. | |
Die aktiven Kader und „Funktionäre“ der grünen Partei standen | |
offensichtlich auf Seiten der „Neuen“, die eine der ihren ist. Das wurde | |
aber aufgewogen durch viele der „Alten“, die zu dieser Abstimmung gekommen | |
waren, weil sie die Arbeit von Marieluise Beck seit Jahrzehnten schätzen. | |
Die bekannte sich in ihren ersten Sätzen zu Winfried Kretschmann und Fritz | |
Kuhn, „wir drei haben damals angefangen mit den Grünen in | |
Baden-Württemberg“. Niemand hätte sich vorstellen können, dass die | |
kontinuierliche Arbeit der Grünen sie einmal im „Ländle“ und in der | |
Hauptstadt Stuttgart zur regierenden Partei machen würde. Das war ein | |
Plädoyer für Kontinuität und auch für eine politische Kultur, die auf | |
politische Mehrheiten zielt. Dabei besteht der derzeitige | |
Arbeitsschwerpunkt von Beck – Menschenrechtspolitik in Osteuropa und auf | |
dem Balkan – gerade in der Unterstützung von Minderheiten, die in ihrem | |
eigenen Land kaum eine Chance auf Gehör haben. | |
Bei Kirsten Kappert-Gonther ist es eher umgekehrt. Als Bremer | |
Bürgerschaftsabgeordnete unterstützt sie vorbehaltlos die rot-grüne | |
Koalition. Selbst auf die Frage, ob denn eventuell in der | |
Krankenhauspolitik in Bremen Fehler gemacht worden seien, antwortete sie, | |
die Strukturfragen würden in Berlin entschieden und die Bürgerversicherung | |
sei notwendig. Konkrete politische Themen handelt die | |
Gesundheitspolitikerin mit ethischen Grundsätzen ab von der Art: „Wir | |
brauchen einen gerechten Zugang für alle zu einem solidarisch finanzierten | |
Gesundheitssystem.“ Die Energiewende ist notwendig, bekannte sie – während | |
Marieluise Beck darauf hinwies, dass in der grünen Kommission, die sich auf | |
eine Regierungsbeteiligung vorbereitet, zusätzliche 3,7 Milliarden für die | |
Energiewende eingeplant seien, konkrete Politik also eine Frage des Geldes | |
sei. | |
Das Asylbewerberleistungsgesetz gehöre abgeschafft, erklärte | |
Kappert-Gonther. Schon eine weniger weitreichende Forderung sei unter der | |
rot-grünen Schröder-Fischer-Koalition am Widerstand der SPD und der | |
Bundesländer gescheitert, erinnerte Beck, die damals Ausländerbeauftragte | |
der Bundesregierung war. Man werde über das Thema mit dem „harten Hund“ | |
Steinmeier zu verhandeln haben. | |
Da Beck in den letzten Wochen vorgehalten worden war, sie kümmere sich zu | |
wenig um ihren Wahlkreis, wurde ihr die hilfreiche Frage gestellt, ob sie | |
weiterhin so gern und oft die Initiativen in Huchting besuchen und | |
moralisch unterstützen werde wie bisher. „Wenn ich jetzt sagen würde, nach | |
Huchting gehe ich nie wieder, dann wärt ihr damit nicht zufrieden“, | |
frotzelte Beck. Nein, Huchting sei eine Perle Bremens und sie werde | |
weiterhin gern dahin fahren. Die Huchtinger waren zufrieden und die anderen | |
hatten verstanden, dass Politik eben immer auch die Kunst des Machbaren | |
ist. | |
11 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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