# taz.de -- Kolumne Heimatkunde Seenplatte: Abschied von der Gulaschsuppe | |
> Die Livestreamübertragung der Kreistagssitzungen ist nur der Anfang. | |
> Warum nicht online debattieren, völlig losgelöst von der Entfernung? | |
Jetzt, wo es den Kreistag Mecklenburgische Seenplatte als Livestream gibt, | |
wird es Zeit, die Sache zuende zu denken: Warum die weiten Wege nach | |
Neubrandenburg fahren, wenn man online debattieren und abstimmen könnte? | |
Warum nicht einen virtuellen Kreistag bilden? | |
Im größten Flächenkreis Deutschlands sparte das Spesen und wäre ökologisch | |
korrekt. Noch aber will sich kaum jemand recht mit dem Gedanken anfreunden. | |
Im Büro des Landrats lacht man nur bei der Frage und in der CDU-Fraktion | |
malt deren Chef Thomas Diener schon das Ende der Demokratie an die Wand: | |
„Dann wären wir schnell an dem Punkt, dass man auf Knofpfdruck abstimmen | |
könnte.“ | |
Gut, die Amerikaner haben in Florida schon schlechte Erfahrungen mit ihren | |
Wahlmaschinen gemacht, aber gegen Fehler bei Abstimmungen ist schließlich | |
auch das Kreistagspräsidium nicht gefeit. | |
Natürlich erwartet man von einer konservativen Partei nicht unbedingt ein | |
Hurra zu solchen Vorschlägen, doch auch die Grünen scheinen in dieser | |
Hinsicht etwas in die Jahre gekommen zu sein. | |
Ihr Fraktionsvorsitzender Helge Kramer windet sich noch zwischen Sollte und | |
Könnte. | |
Rein theoretisch, meint er, rein theoretisch wäre der Livestream | |
tatsächlich so logisch zuende gedacht. Praktisch aber, nun ja … | |
Vielleicht in fünfzig oder hundert Jahren. Denn Politik, das seien doch | |
auch Emotionen, jene gewissen Spannungen also, die immer wieder zwischen | |
ihm und, sagen wir mal, Thomas Diener knistern – der Reiz der persönlichen | |
Konfrontation, der stahlharte Blick zwischen Duellanten, wenn man so will. | |
Es sei schließlich ein Unterschied, ob man dem FC St. Pauli vom Sofa aus | |
zuschaue oder im Stadion. | |
„Live is live“ eben, wobei nicht ganz klar wird, wie Kramer ausgerechnet | |
auf St. Pauli kommt. Ist er ein Fan der Mannschaft mit den Totenköpfen in | |
den Eckfähnchen? | |
Das muss an dieser Stelle unbeantwortet bleiben, denn ein anderer hat | |
längst die Zeichen der Zeit erkannt. Der SPD-Frontmann Michael Löffler | |
beteiligte sich schon einmal auf der Autobahn an einer Telefonkonferenz | |
seines Landesvorstands („Ich habe mich sogar zu Wort gemeldet!“) und ist | |
fraglos berufen, für den letzten Sprung in die IT-Welt eine Lanze zu | |
brechen. | |
Ganz im Gegensatz zum Liberalen Zauderer Toralf Schnur. „Wenn man es | |
strukturiert bekäme, gar nicht uninteressant“, sinniert er. „Aber es fehlt | |
an allem.“ Da klingt Herr Löffler doch ganz anders, mutig und zukunftsfroh, | |
wie die SPD so ist: „Wir sind offen, was moderne Technik anbetrifft.“ | |
Da lässt sich kaum etwas erwidern, nur einer hat dann doch noch Bedenken, | |
nämlich der ewig nörgelnde Kreistagsreporter. | |
Denn so schön ein virtueller Kreistag wäre, mit virtuellen Abstimmungen in | |
virtuellen Räumen, eines liegt doch auf der Hand: Die virtuelle | |
Gulaschsuppe in der virtuellen Sitzungspause, die schmeckt ganz einfach | |
nicht. | |
13 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Georg Wagner | |
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