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# taz.de -- Kolumne Wortklauberei: Nicht von schlechteren Eltern
> Die Kleinen in den Kindergarten oder vor den Fernseher setzen?
> Kindergarten nur, wenn wir dafür auch positiv diskriminiert werden!
Bild: Kinder, hört auf zu jammern! Im Kindergarten lernt man fürs Leben.
Nich Tinnedatn gehn“, sagt meine Tochter des Morgens, als wir ihr mit
geballter Charmeoffensive die Zusage abzuringen versuchen, sie aus ihrem
Schlafsack schälen zu dürfen. Ach komm, die schöne Kinderkrippe, das wird
doch lustig, die paar Stunden am Vormittag, ein bisschen basteln und
singen, und deine ganze Spezln sind auch da … „Nich Tinnedatn gehn! Heim
bleiben!“
Herrgott, wenn du jetzt auch noch damit anfängst, dann reicht’s aber bald.
Dann melden wir dich da ab (wobei es in München ohnehin ein paar Tausender
Provision geben müsste, wenn man freiwillig einen Krippenplatz freimacht),
ziehen uns dann schön das Betreuungsgeld rein, Papa kauft sich einen Kasten
Biermixgetränk, Mama stellt sich an den Herd, und du kannst den ganzen Tag
DVDs glotzen. Dann ist Schluss mit den besseren Eltern.
Wie, „bessere Eltern“? Ja, wie. Der Patrick Döring hat’s gesagt nach der
Verabschiedung des Betreuungsgeldes – wobei „Verabschiedung“ sich ja immer
angenehmerweise so anhört, wie wenn etwas mit Glück über den Jordan
geschickt worden ist, „und tschüss!“ quasi, resp. „guad weider!“; und …
Beispiel bei der Verabschiedung eines Politikers aus dem Amt stimmt das ja
auch, aber abgesehen davon heißt der Ausdruck oft, dass wir etwas jetzt
erst so richtig an der Backe haben –, der Patrick Döring also hat’s gesagt:
Diejenigen Eltern, hat er gesagt, die ihre Kinder in eine Einrichtung
geben, seien „nicht die schlechteren Eltern. Ganz im Gegenteil“.
Klar, das „ganz im Gegenteil“ hätte er sich im Sinne einer
Entemotionalisierung der Debatte mal verkneifen können, aber man weiß eh
nicht, wie weit der FDP in ihrer Randlage daran gelegen ist, irgendwo mal
nicht auf die Kacke zu hauen. Und abgesehen davon musste da wohl einfach
noch irgendeine Laberfloskel dran, irgendeine Bekräftigung des Statements.
## Kein Schmarrn auf der Goldwaage
Vielleicht wollte Döring ja etwas sagen wie „beileibe nicht“ oder „das
behauptet niemand“. „Ganz im Gegenteil“ freilich dreht die Aussage in ihr,
nun, Gegenteil. Und man muss ja nicht jeden Schmarrn auf die Goldwaage
legen, den ein Politiker sagt, zumal einer von der FDP.
Andererseits nimmt man jeden Zuspruch, den man kriegen kann, vor allem,
wenn die Krippe so viel kostet, wie wenn man noch eine mittelgroße Wohnung
zumietet, und wir hauen uns hier bloß noch auf die Schultern, was wir für
geile Eltern sind. Jetzt hat sogar das Kind ein Einsehen: „Ich Jacke
holen.“ Na also.
Draußen auf der Straße hat jemand „Nie wieder Miete!“ an ein Haus gesprü…
Ja, wir haben hier in München-Haidhausen Leute, die, damit das Viertel
nicht ganz so bürgerlich-herausgefressen rüberkommt, immer mal schick
brachiallinke Parolen („destroy capitalism“, „Alle für alle!“ etc.) in…
Gegend schreiben.
Gestern sah ich eine Gruppe junger Typen an dem Spruch vorbeigehen und kam
nicht umhin, ihr Gelaber zu belauschen. „Nie wieder Miete!“ – „Nie wied…
Arbeit, oder wie?“ – „Arbeit macht frei“, blubberte einer hervor und
erzählte dann, wie er letztens angemacht worden sei wegen dieses Satzes.
„Woher soll ich ’n wissen, dass das so ’n Nazispruch ist?“ Ja, woher nu…
Tinnedatn gehn.
15 Nov 2012
## AUTOREN
Josef Winkler
## TAGS
Kindergarten
Betreuungsgeld
Patrick Döring
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