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# taz.de -- Die Wahrheit: Hmmm, joaaar, pffff
> Christian Kracht, Strahlemann von Braunschweig.
Bild: Die Insel der Esel ist ein Literaturparadies – davon kann sich Braunsch…
Literaturpreise haben, wie man weiß, nicht in erster Linie die Aufgabe, dem
Autor die Rosette zu versilbern. Nein, der so Veredelte soll damit in die
Lage versetzt werden, das gleißende Scheinwerferlicht entsprechend
zurückzuspiegeln auf den Preisstifter. Braunschweig zum Beispiel.
Weil es zur echten Metropole nie gereicht hat, wurde man sich mit einigen
anderen Haufendörfern der niedersächsischen Tiefebene, Celle, Hildesheim,
Helmstedt und Peine, handelseinig und nennt sich nun „Metropolregion“. Die
alte Transitautobahnreklame fällt einem wieder ein: „Ein international
geachteter Staat.“ Man hat gesehen, wohin das führt.
Zum Stadtmarketing gehört seit einigen Jahren auch wieder der ziemlich gut
dotierte – viel hilft viel! – Wilhelm-Raabe-Preis. Und entsprechend sucht
man jetzt nach einem Autor, der in der großen, weiten Welt zu Hause ist,
einen Kosmopoliten, der auch anständig was abstrahlt auf die trotz
Asse-Endlager immer noch viel zu wenig bestrahlte Metropolregion.
Christian Kracht ist wie gemacht für den Job als Strahlemann: ein
Weltenbummler, Stil-Connaisseur, Dandy-Effendi und saucooler „Türsteher der
rechten Gedanken“ (Georg Diez), was für die ehemalige Stadt der Bewegung
natürlich von besonderer Apartheit ist. Und dann heißt sein Buch auch noch
„Imperium“. Weltläufiger geht es nun wirklich nicht.
In der „Langen Nacht der Literatur“, die der Preisverleihung voranging und
in Braunschweig bis elf dauerte, danach ließ man es schütteln in Wladimir
Kaminers „Russendisco“, taute Kracht so richtig auf. Dieser in der
Öffentlichkeit immer eher scheue, zurückhaltende Mensch zeigte auf einmal
seine großen Entertainerqualitäten.
Hubert Winkels, der gewiefte Radiomann, spielte eine Mischung aus Eckermann
und Manuel Andrack und lieferte die Stichworte, manchmal waren es durchaus
ein paar mehr, die der auch nicht mehr ganz so frische Literat dann zu ein
paar bezaubernden Parodien ausbaute.
Wenn sich Winkels etwa künstlich aufregte über den „Hass“ der damaligen
Literaturkritik gegenüber dem Debüt „Faserland“, nahm Kracht gekonnt das
Tempo aus dem Gespräch. „Oooooch, tjoooaar … nu, hüstel, hm, hmmmm, nojoa,
pfffffff, hmmmmhmmmm … ist ja auch schon lange her.“
Wenn ihn sein Adlatus fragte, wohl um die autobiografischen Gemeinsamkeiten
Krachts zum Nudisten und Philosophen der Kokosnuss, August Engelhardt,
herauszukitzeln, jenem völlig abgespaceten Helden von „Imperium“, ob er
denn auch ein großer Kokosnussfreund sei, fasste der sich ins Haar, und
keine Ahnung, wie er das anstellte, plötzlich stand eine Tolle so
verschlafen vom Schädel ab, dass ich fast Szenenapplaus geklatscht hätte.
Seine Antwort harmonierte dann wunderbar mit diesem kleinen
Taschenspielertrick. „Noa, tja, pfffff, hüstel, hmnhmhm … pfff, tja,
hmmmmhmmmm, ich mag Nüsse schon sehr gern, hmmmmhmmmm, joar, pffff, vor
allem Pistazien.“
Alle Achtung, dachte ich, eben noch auf seiner kleinen Insel vor Somalia im
Eselskarren – und jetzt schon auf der großen Showbühne. Das war mit Abstand
die beste Professor-Hastig-Imitation, die ich seit Langem gesehen hatte.
Aber damit nicht genug, sein Onkel Bräsig war von mindestens ebensolcher
Güte.
Er habe gehört, bereitete Winkels den nächsten Sketch vor, gerade bei der
russischen Jugend seien seine Bücher sehr beliebt. Ob er eine Ahnung habe,
woran das wohl liege. „Hmmm, joaaarr, pfffff, es ist alles so
undurchsichtig, hüstel, der Verlag ist immer sehr freundlich, nojoar, hmmm,
tja, aber ich verstehe die Sprache ja nicht, und dann, jooar, pfff, und
dann sind die auch immer gleich betrunken.“ Eins rauf mit Mappe!
Bei einem Gefahrensucher wie Kracht, der ja damals 1999 mit seiner
„Tristesse Royal“-Spezialeinheit, es fehlte nicht viel, beinahe in Grosny
einmarschiert wäre, musste Winkels natürlich auch noch einmal auf seinen
bisweiligen Aufenthaltsort, Lamu, die Insel der Esel, zu sprechen kommen.
Golf von Aden, gefährliches Terrain! Tja, hm, pfff, weil die Schiffe jetzt
so gut bewacht seien, schauten die somalischen Piraten tatsächlich öfter
mal bei der Insel vorbei. „Joaaaar, nu, mmmmhmm, und dann werden Leute
mitgenommen nach Somalia, pffff, ja, hüstel, hmmm, und dann sterben die
auch meistens.“ Huijuijui, da blieb den Braunschweigern das Lachen aber im
Halse stecken.
16 Nov 2012
## AUTOREN
Frank Schäfer
## TAGS
Christian Kracht
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