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# taz.de -- Elektronische Tanzmusik von „Zedd“: Faster, Harder, ADS-Musik
> Anton Zaslavski aus Kaiserslautern wurde in den USA mit elektronischer
> Tanzmusik als „Zedd“ zum Star. Hierzulande möchte er das nachholen.
Bild: Neue Rockmusik? „Das fühlt sich definitiv an wie eine Bewegung, wie ei…
Nein, eine Wohnung hat er momentan nicht. Anton Zaslavski guckt ein klein
wenig irritiert. Als wäre ihm das eben auch erst klar geworden. Dass er
keine Wohnung braucht, weil er sowieso immer unterwegs ist. Eben noch in
London, davor Paris, Toronto, Las Vegas, heute Berlin, übermorgen São Paulo
und weiter nach Sydney. Dann lächelt er, die großen Augen leuchten kurz
auf, er erinnert sich. Es gibt ja noch das Zimmer bei den Eltern in
Kaiserslautern.
Nicht dass Zaslavski die Behausung aus Kindertagen in absehbarer Zeit wird
benutzen müssen. Unter seinem Pseudonym Zedd hat er sich im vergangenen
Jahr zum Popstar entwickelt, wenn er wollte, könnte er jeden Tag in einer
anderen Stadt auftreten. Der 22-Jährige geht auf Tour mit Lady Gaga, füllt
in den USA große Hallen, spielt auf Festivals vor Zehntausenden, und sein
Album steigt in die amerikanischen Charts ein. Zedd ist zweifellos der
erfolgreichste deutsche Newcomer des zu Ende gehenden Jahres – nur in
Deutschland hat das bisher kaum jemand mitbekommen.
Das soll sich nun ändern, deshalb hat die Plattenfirma Zedd nach Berlin
geholt, um Interviews zu geben. Dass das nötig ist, liegt vor allem daran,
dass Zedds Musik aus einem Genre stammt, das zwar mehrere verschiedene
Namen wie Electronic Dance Music (EDM), Dubstep oder Electro House trägt,
aber in Kontinentaleuropa momentan noch ein Nischendasein fristet.
## EDM ist der „neue Rock ’n’ Roll“
Hierzulande treten Deadmau5 und Skrillex, die beiden größten Stars der
Szene, noch in mittelgroßen Dance-Clubs auf. In den USA aber hat sich EDM
zum „neuen Rock ’n’ Roll“ entwickelt, wie Perry Farrell meint, früher
selbst ein Rockstar als Sänger von Jane’s Addiction und mittlerweile
Organisator des Lollapalooza-Festivals. Das gilt als erfolgreicher
Vorreiter für den Trend, dass bei großen Open-Air-Veranstaltungen in den
USA bekannte DJs ebenso als Zugpferde gebucht werden wie berühmte
Rockbands.
Da ist es nur logisch, dass Zedd nicht – wie sonst bei deutschen Künstlern
üblich – bei der heimischen Niederlassung eines der drei übrig gebliebenen,
internationalen Entertainmentkonzerne seinen Plattenvertrag unterschrieben
hat, sondern direkt bei der Zentrale in Los Angeles. Deshalb erschien sein
erstes Album „Clarity“ bereits Anfang Oktober in den USA und wird erst
diesen Freitag in Deutschland veröffentlicht.
In den Billboard-Charts erreichte „Clarity“ immerhin Platz 38. Dorthin
gehievt haben dürften es vor allem jene Fans, die Zedd in der
amerikanischen Provinz gesammelt hat. Denn in erster Linie dort findet die
Electronic Dance Music ihr Publikum. Dort, wo ein urbanes Nachtleben nicht
existiert, verwandeln Zedd und seine Kollegen die örtliche Mehrzweck- oder
Sporthalle für eine lange Nacht in einen brodelnden Club, indem sie
bollernde Beats auflegen und diese in schneller Frequenz verschneiden mit
Hits aus allen denkbaren Genres.
## Kein Track länger als eine Minute
„Die Leute verlieren schneller und schneller die Geduld“, hat Zedd
festgestellt, wohl wissend, dass er selbst dazu beiträgt. Länger als eine
Minute spielt er keinen Track mehr an. Zedd: „Ich glaube, die Grenzen sind
erreicht, schneller kann ich nicht mehr mixen – das geht physikalisch schon
gar nicht.“
Diese Art von ADS-Musik treibt Zedd in seinen eigenen Stücken auf die
Spitze. In einem Song wie „Stache“, das gibt er zu, „wiederholt sich
nichts“. Auch wenn er behauptet, „kein großer Freund des Begriffs EDM“ zu
sein, führt er auf „Clarity“ doch geradezu prototypisch vor, mit welchen
Mitteln das Genre zum Massenphänomen werden konnte: indem nahezu jeder
Geschmack bedient wird. Doch die Vielfalt führt nicht notwendigerweise zu
großer, unpopulärer Komplexität, wenn die einzelnen Einflüsse so knallig
herausgearbeitet werden.
EDM schließt, wie der Name „elektronische Tanzmusik“ verspricht, nahezu
keine Stilrichtung aus, denn schließlich wird heute nahezu jede populäre
Musik mit elektronischen Mitteln hergestellt und produziert. Zedd
fusioniert die kräftigen Beats zudem noch mit Einflüssen aus Jazz und
klassischer Musik, lässt immer wieder E-Gitarren quer durch die Szenerie
brettern oder verlegt einen feisten Teppich aus Synthesizer-Klängen.
## Überwältigungsmusik
Jeder einzelne Track scheint vor Ideen zu platzen, ein Knalleffekt folgt
dem anderen, und die sparsam eingesetzten Gesangsmelodien steuern oft
direkt auf einen Refrain zu, der so konstruiert ist, dass ihn alle
spätestens beim zweiten Durchlauf mitsingen können. Es ist
Überwältigungsmusik, die alle Möglichkeiten moderner Kompositionssoftware
nutzt.
Die Klänge, die Zedd mit dem Programm Cubase baut, werden aus drei bis fünf
verschiedenen Ebenen zusammengesetzt, die wiederum selbst aus bis zu vier
verschiedenen Sounds bestehen. Dieses Übereinanderschichten verschafft
seiner Musik eine Massivität, die nicht unbedingt bewusst zu hören ist,
aber vor allem bei entsprechender Lautstärke zur körperlichen Erfahrung
wird. Zedd aber irritiert seine Fans gern, indem er sanfte Piano-Versionen
seiner brachialen Discotheken-Knaller einspielt und bei YouTube hochlädt.
Das kann er, weil Zaslavski, der am 2. September 1989 in Russland geboren
wurde und in Deutschland aufwuchs, einen soliden klassischen Hintergrund
besitzt.
## Das EDM-Wunderkind
Seine Eltern sind Musiker, mit vier Jahren beginnt er Klavier zu lernen,
mit sechs schreibt er seine ersten Songs, mit 12 beginnt er mit dem
Schlagzeug, spielt in einer Harcore-Punkband namens Dioramic, entdeckt mit
19 dank des französischen DJ-Duos Justice die elektronische Musik, sucht
sich ein Pseudonym aus der Kinderserie „Power Rangers“, jagt für den Track
„Dovregubben“ Evard Griegs „In der Halle des Bergkönigs“ durch den
Electro-Häcksler, darf Fatboy Slim, Armand Van Helden und den großen
Kollegen Skrillex remixen und wird so zum EDM-Wunderkind.
Das spielt nun mehr als 200 Gigs pro Jahr und ist beständig unterwegs mit
seinen neuen Kollegen. EDM, sagt er, „fühlt sich definitiv an wie eine
Bewegung, wie eine große Familie“. Das Magazin Spin hat bereits „Die neue
Rave-Generation“ ausgerufen.
## Stop telephonin' me? Im Gegenteil!
Dann kommt der Telefonanruf von Lady Gaga. Zedd überarbeitet zuerst einen
ihrer Songs, geht mit dem Superstar ins Studio und begleitet sie im
vergangenen Sommer als Einheizer zu den 16 Asien-Terminen ihrer
Welttournee. Der große Name öffnet weitere Türen, Zedd arbeitet für
Mainstreampopstars wie Justin Bieber und Black Eyed Peas, und dann setzt
der größte Star von allen eine Twitter-Meldung ab. Gaga empfiehlt ihren
Fans die neue Single ihres Schützlings: „Ihr müsst diesen Song von Zedd
hören.“
Ja, lächelt der, klar hat er die Handynummer seiner Mentorin: „Die brauch
ich doch. Wenn ich mit jemandem zusammenarbeite, kommuniziere ich am
liebsten direkt.“ Der enge Umgang mit der Mode-Ikone Lady Gaga hat
allerdings bislang noch keine sichtbaren Spuren hinterlassen. Zedd trägt
enge Röhrenjeans wie Millionen anderer Jugendlicher und ein schlichtes
T-Shirt, seine Haare sind ordentlich geschnitten und seine Umgangsformen
ausgesucht höflich. Mutter Zaslavski muss keine Angst haben, wenn der Anton
demnächst doch mal ein paar Tage in seinem alten Zimmer übernachten will.
## Album: "Clarity" (Interscope/ Universal)
25 Nov 2012
## AUTOREN
Thomas Winkler
## TAGS
Lady Gaga
Musik
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