# taz.de -- Grüne Kandidaten für die Wahl: Ein starkes Duo geht | |
> Der eine will, der andere muss wohl: Ab 2013 verlieren die Grünen ihre | |
> wichtigsten Innen- und Rechtspolitiker. Dumm für eine | |
> Ex-Bürgerrechtspartei, die regieren will. | |
Bild: Nicht mehr im Rennen: Wolfgang Wieland (l.) und Jerzy Montag. | |
BERLIN taz | Politik ist grausam. Jerzy Montag weiß das, er ist lange genug | |
dabei. Montag, 65, Rechtsanwalt und bayerischer Gemütsmensch, sitzt seit | |
zehn Jahren in der Grünen-Bundestagsfraktion, ebenso lange ist er ihr | |
rechtspolitischer Sprecher. Seine Kollegen – auch die anderer Fraktionen – | |
schätzen Montags Kompetenz, er selbst sagt, er habe der grünen | |
Rechtspolitik ein Gesicht gegeben. Dennoch wird er wahrscheinlich nicht | |
mehr im nächsten Bundestag sitzen. „So funktioniert Demokratie“, findet | |
Montag. „Das muss man ertragen.“ | |
Die Personalie ist für die Grünen heikel. Denn der neuen Fraktion ab 2013 | |
droht nicht nur der Verlust des renommierten Juristen. Auch ein weiteres | |
Schwergewicht plant den Rückzug: Wolfgang Wieland, 64, Ex-Justizsenator in | |
Berlin und Sprecher für Innere Sicherheit, tritt nicht mehr an. Vielen | |
Grünen im Bund schwant nun, welche Lücke der Ausfall dieses Duos reißt. | |
Bürgerrechte sind ein Kernanliegen für die Partei, die aus Bürgerbewegungen | |
entstand. Die fundierte Kritik an staatlicher Überwachung prägte grüne | |
Politik ebenso wie das Eintreten für Flüchtlingsrechte oder die doppelte | |
Staatsbürgerschaft. Ausgerechnet 2013, wenn die Grünen mit der SPD regieren | |
wollen, drohen nun zwei schmerzhafte Abgänge. | |
Dass Wieland sich nach der Bundestagswahl aus der Politik verabschiedet, | |
ist geplant. „Mit 65 muss man begründen, warum man weitermacht. Nicht, | |
warum man aufhört“, sagt er. Bei Montag sieht es anders aus. Er erlebte auf | |
dem Landesparteitag in Bayern am Wochenende eine Demütigung, wie sie nur | |
die Grünen verdienten Köpfen zumuten. Montag trat viermal auf sicheren | |
Listenplätzen an und verlor viermal. Schließlich landete er auf Platz 16, | |
einem „Zitterplatz“ (Montag). Über 15 Prozent müssten die Grünen holen, | |
damit er es noch mal ins Parlament schafft. „Ich gebe zu: Es trifft mich, | |
dass ich so weit hinten gelandet bin.“ Montag wurde abserviert. | |
Bayerns Landeschef Dieter Janecek beobachtete das mit Unbehagen. „Die | |
Listenaufstellung war eine offene Feldschlacht.“ Regionalproporz, | |
Verjüngung, beides habe beim Durchreichen nach hinten eine Rolle gespielt. | |
Es ist ein in allen Parteien bekannter Mechanismus: Die Delegierten | |
entscheiden nach regionaler Logik, die Vielfalt einer Fraktion spielt dabei | |
keine Rolle. | |
## Welche Ressorts kann man noch besetzen? | |
In der Fraktion befasst sich der Arbeitskreis 3 mit Innenpolitik und Recht, | |
darin sitzen acht ParlamentarierInnen. Wieland und Montag sind die zwei, | |
die am breitesten aufgestellt sind – während sich Abgeordnete wie | |
Konstantin von Notz (Netzpolitik), Ingrid Hönlinger (Demokratiepolitik) | |
oder Josef Winkler (Kirche und Flüchtlinge) auf kleineren Feldern tummeln. | |
Es gebe genug Juristen, um die Lücke zu füllen, heißt es nun in der | |
Fraktion. Doch Newcomer müssen sich einarbeiten, was die Aufstellung | |
schwächt. | |
Die Personalien sind auch in anderer Hinsicht interessant. Parteistrategen | |
rechnen sich derzeit aus, welche Ministerien die Grünen im Falle einer | |
Regierungsübernahme mit der SPD beanspruchen können. Justiz wäre – neben | |
Klassikern wie Energie, Umwelt oder Verbraucherschutz – durchaus attraktiv. | |
Nicht nur wegen der Verbindung zu Bürgerrechten, sondern auch, weil das | |
Justizministerium abschließend Gesetzesvorhaben einer Regierung prüft und | |
deshalb als Querschnittsressort gilt. Sowohl Wieland als auch Montag wären | |
aufgrund ihrer Erfahrung ministrabel gewesen. | |
Wieland nennt die Innenpolitik das „ungeliebte Kind“ der Grünen. In keinem | |
einzigen Bundesland stellt die Partei den Innen- oder Justizminister, der | |
Basis oder den Delegierten liegen die Klassiker Öko und Umwelt näher. Es | |
habe daher immer Wellen der Aufmerksamkeit gegeben, so Wieland. „Unter dem | |
blassen Innenminister Friedrich erleben wir ein Wellental.“ | |
11 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
Ulrich Schulte | |
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Grüne | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Cem Özdemir | |
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