# taz.de -- Interview mit homosexuellem Polizisten: „Ich bin praktisch neu ge… | |
> Peter König ist Polizist und schwul. Das hat er lange versteckt. Jetzt | |
> ist er Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen. | |
Bild: Hat vor seinem Outing eine lesbische Freundin zum Polizeiball mitgenommen… | |
taz: Herr König, warum wollten Sie Polizist werden? | |
Ich wollte einen Beruf haben, der mir Sicherheit gibt, einen festen Job. Es | |
sollte auch ein männlicher Beruf sein. Ich wollte nicht Florist oder | |
Friseur werden. | |
Weshalb war Ihnen das so wichtig? | |
Das habe ich damals gar nicht hinterfragt. Heute sehe ich das anders: Ich | |
hatte keine Lust, ein Klischee zu erfüllen. Ein gestalterischer Beruf hätte | |
mir auch nicht gelegen. | |
Wollten Sie sich verstecken? | |
Nein, das habe ich eher für mich selbst getan. Ich wollte ein männliches | |
Erscheinungsbild und eine männliche Ausbildung haben. Ich wollte was gegen | |
Ungerechtigkeit und Verbrechen tun. Einen Hilfsberuf, aber auch nicht | |
Krankenpfleger werden. | |
Hatten Sie sich damals schon geoutet? | |
Nein. Ich hatte meine erste Liebe mit 21. Vorher bin ich ganz normal | |
aufgewachsen, hatte eine Freundin. Aber irgendwann dachte ich: Ich muss | |
jetzt auch mal zu meinem Recht kommen. | |
Als Florist wäre das womöglich einfacher gewesen. | |
Ja. | |
Waren Sie sich darüber bewusst? | |
Heute könnte man sagen: Ich habe das Schicksal provoziert. Aber ich habe | |
das damals nicht so empfunden. | |
Wann ist es schwierig geworden? | |
Während meiner Ausbildung musste ich viel arbeiten, da gab es wenig | |
Privatleben. Es gab zwar immer wieder Kollegen, die ich attraktiv fand, | |
aber ich habe nichts unternommen. Bis ich mich das erste Mal verliebt habe. | |
Sie haben sich in einen Kollegen verliebt? | |
Ja. Wir waren zusammen. Das war im Gefüge der Polizei total schwierig. | |
Sie haben es verheimlicht. | |
Total. Er hat später eine Frau kennengelernt und dann war es vorbei. Aber | |
für mich ging es danach erst richtig los. Natürlich verdeckt. Wenn ich | |
etwas trinken gegangen bin, bin ich erst zehnmal um das Gebäude gerannt, | |
bevor ich rein gegangen bin. Es gab wahrscheinlich immer Kollegen, die | |
etwas geahnt haben. Aber ich hätte das verleugnet. Ein Vorgesetzter hatte | |
es trotzdem auf mich abgesehen. Der hat etwas vermutet und mich fertig | |
gemacht, dienstlich. Es kam auch zu sexueller Belästigung. | |
Haben Sie mal mit Kollegen darüber gesprochen? | |
Nein, das hätte ich mich nicht getraut. Ein anderer Vorgesetzter hat es | |
bemerkt und gesagt: Herr König, da stimmt etwas nicht. Ich werde darauf | |
achten, seien Sie ganz sicher. Ich werde Sie schützen. Da habe ich zum | |
ersten Mal gemerkt: Es gibt doch Leute, die sehen, was passiert. | |
Haben Sie deshalb begonnen, sich auch zu engagieren? | |
In den 90er-Jahren gab es das erste Bundestreffen schwul-lesbischer | |
Polizeibeamte in Göttingen. Ich wollte teilnehmen und das muss sich | |
rumgesprochen haben. Anschließend lud mich der Landespolizeidirektor ein | |
und wollte mich als Ansprechpartner bei der Polizei haben, ehrenamtlich. | |
Ich hatte Bedenken: Wenn ich in meine Dienststelle zurückkomme, lernen die | |
einen ganz neuen Peter König kennen. Ich hatte mir ein Lügenkonstrukt | |
aufgebaut. | |
Welche Art von Lügen? | |
Zu einem Polizeiball habe ich etwa eine lesbische Freundin mitgenommen. | |
Wenn es zu anderen Veranstaltungen kam, hatte ich Ausreden oder habe von | |
einer Freundin erzählt. | |
Wie haben Sie dann Ihr Outing erlebt? | |
Ich bin praktisch neu geboren. Das hat mir so einen Schub gegeben. Auch der | |
dienstliche Rückhalt: Ich wusste, dass mir jetzt nichts passieren kann. Ich | |
behalte meinen Beruf und mein Dienstherr steht hinter mir. 1995 habe ich | |
dann als Ansprechpartner angefangen. | |
Gab es denn eine Nachfrage? | |
Vom ersten Tag an. Kollegen kamen zu mir und schwule Bürger, die überfallen | |
wurden und sagten: Die Polizei hat nichts gemacht. Meistens ging es um | |
Outing oder Ausgrenzung. Manche haben auch gefragt: Wie kann ich das | |
verheimlichen? Aber das war nicht meine Aufgabe. | |
Warum finden Sie das verwerflich? Sie haben das doch selbst lange gemacht. | |
Ich würde niemandem zum Lügen raten. Man muss ja auch sehen: Wie geht es | |
zum Beispiel der Ehefrau? Ich will es nicht werten, aber auch nicht | |
unterstützen. | |
Welche Probleme hatten Polizisten, die offen schwul lebten? | |
In den 80ern und 90ern gab es immer die Vermutung: Wenn der homosexuell | |
ist, dann ist da auch was mit Aids. Ich kenne eine Geschichte, da haben | |
Polizisten einen Zettel an die Kaffeemaschine geklebt: Diese Maschine ist | |
nicht von diesem Kollegen zu benutzen. Das geht gar nicht. | |
Wie haben Ihre Kollegen auf Sie reagiert, als Sie sich geoutet hatten? | |
Ich bin überrascht gewesen. Kollegen, von denen ich dachte, die reden kein | |
Wort mehr mit mir, sind auf mich zugekommen und haben gesagt: Ich finde | |
stark, dass du das kannst. Kein Problem. Es gab auch Kollegen, die sagten: | |
Mit dir will ich jetzt nicht mehr duschen gehen. | |
Gab es auch Anfeindungen? | |
Ja, die gab es auch. Meist läuft das subtil. Einmal saß ich im Speisesaal | |
und habe gehört, wie ein Kollege sagte: „Den König muss man eben | |
akzeptieren.“ Das ist wie Krebs, da kann man nichts gegen machen. Das war | |
schon ziemlich verletzend. | |
Wie sind Sie damit umgegangen? | |
Ich habe das oft mit einem Witz verarbeitet. Einmal habe ich gegen das | |
kaputte Faxgerät gehauen und gesagt: Du schwules Fax, jetzt spring an! Auch | |
um den anderen zu zeigen: Ihr müsst keine Angst haben, euch im Ton zu | |
vergreifen. Ich renne nicht gleich zum Vorgesetzten. | |
Gibt es heute noch Dinge, bei denen Sie sich schwer tun, sie offen | |
anzusprechen? | |
Schwule im Alter ist ein schwieriges Thema. Einsamkeit. Schwule haben meist | |
keine Kinder. Ich kann meine Erfahrung nicht weiter tragen. Und Gewalt | |
gegen Schwule kommt nicht in der Schule oder in der Erziehung vor. Das | |
macht mir wirklich Sorgen. | |
Gibt es Männer, die für Sie ein Vorbild waren? | |
Es gibt hier in Hannover Axel Blumenthal, Träger des Bundesverdienstkreuzes | |
und sehr aktiv in der Aidsbewegung. Früher habe ich immer gedacht: So muss | |
man das machen: Intelligent, sehr souverän, sehr männlich unser Thema | |
transportieren. | |
Als schwuler Polizist nicht männlich, sondern eher tuntig aufzutreten, ist | |
sicher nicht einfach. Kennen Sie jemanden, der es trotzdem versucht? | |
Ja, es gibt jemanden, den ich so sehe. Der würde wahrscheinlich total | |
ablehnen, dass ich das sage. Seine Art ist sehr schrill, auch wenn er nicht | |
so aussieht. Aber das wäre ein wirkliches Problem. | |
Warum? | |
Viele haben mit dieser femininen Art ein Problem, auch unter Schwulen. Man | |
will nicht in dieses Klischee geschoben werden. Wenn Leute hören: Jetzt | |
kommt Peter König, der schwule Polizist, dann denken sie: Jetzt kommt da so | |
eine Zauberfee. Und dann komm ich. Man will so wahrgenommen werden, wie man | |
ist. | |
Von den schwulen Polizisten, die in Ihre Beratungsstelle kommen, war ein | |
einziger feminin? Und der Rest versucht, möglichst männlich aufzutreten? | |
Die sind männlich. Vielleicht leben sie es woanders aus, wo ich das nicht | |
mitbekomme. Ich fände es schade. Es ist viel schöner, wenn man einfach so | |
sein kann, wie man ist. | |
Gehört Männlichkeit zu den Anforderungen im Polizeiberuf? Dann sollte eine | |
Polizistin wohl auch nicht zu viel von ihrer weiblichen Seite zeigen. | |
Ich nehme das anders wahr. Wir wollen ja die Frauensicht nutzen und nicht | |
alle gleich machen. Aber das feminine Kleiden und Frisieren hat auch ein | |
Gefahrenpotenzial: Ohrringe kann man rausreißen. Deshalb entscheiden sich | |
viele dagegen – wegen der Sicherheit. | |
Würden Sie einem schwulen Kollegen raten, in der Öffentlichkeit seine | |
feminine Seite zurückzustellen? | |
Wenn jemand so ist, sollte er es auch sein. Ich bin ja auch gerne mit | |
Frauen unterwegs, die sind ruhiger, das ist oft deeskalierend und gibt | |
Sicherheit. So ist meine Erfahrung. Es war aber auch noch kein Kollege in | |
der Beratung, der am liebsten Stöckelschuhe zu seiner Uniform tragen würde. | |
Davon würde ich ihm abraten, weil es einfach zu gefährlich ist. | |
Haben es Lesben in der Polizei leichter als Schwule? | |
Gute Frage. Würde ich nicht sagen. Es kommt immer auf den Menschen an. | |
16 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Kristiana Ludwig | |
## TAGS | |
Homosexualität | |
Outing | |
Polizei | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |