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# taz.de -- Zur Vierschanzentournee: Konsequent in den Kernkompetenzen
> Gerade rechtzeitig zur Vierschanzentournee sind die deutschen Skispringer
> so gut wie lange nicht mehr und bedrohen nun sogar die Vormachtstellung
> der Österreicher.
Bild: Der 17jährige Andreas Wellinger ist der Shootingstar der Saison.
Seinen Traumjob hat Werner Schuster vor genau viereinhalb Jahren
angetreten. Im Frühjahr 2008 begann der Österreicher mit der Arbeit als
Bundestrainer der deutschen Skispringer. Diese Aufgabe war nicht immer
einfach, vor allem war sie nicht immer freudvoll. Doch spätestens in dieser
Saison hat sich auch das gewaltig gewandelt.
„Ich hatte riesig Spaß, meine Springer abzuwinken“, sagte Schuster nach den
bisherigen zahlreichen Wettkämpfen des Winters, an denen er am Rande der
Schanzen bei den anderen Trainer stand und per Flaggenzeichen seine
Schützlinge über den Bakken schickte.
Der erstaunliche Aufwärtstrend der deutschen Skispringer ist mit Zahlen zu
belegen: Zweimal hat Severin Freund ein Springen als Sieger beendet. Lange
trug der Athlet aus Rastbüchl im Bayrischen Wald das Gelbe Trikot des
Führenden im Weltcup.
Dazu kam Andreas Wellinger. Der 17-jährige Ruhpoldinger ist der
Shootingstar dieser Saison. Zuletzt wurde er Zweiter in Engelberg.
Ebenfalls noch in den Top Ten der Weltcup-Gesamtwertung: Richard Freitag
(Aue). Oldie Michael Neumaier und der 19-jährige Carl Geiger ergänzen diese
erfolgreiche Truppe.
## Erfolgsrezept aus Österreich
Woher kommt die neue Stärke des deutschen Teams? Werner Schuster fühlt sich
keineswegs als Magier. „Es ist harte Arbeit“, sagt der 43-Jährige. Der
Trainer, der im Kleinen Walsertal aufgewachsen ist, hat von seinem
Engagement beim Österreichischen Skiverband profitiert.
Was er als Nachwuchstrainer unter der Leitung des Cheftrainers Alexander
Pointner mitgestaltet hat, hat er nun ins Nachbarland übertragen. „Wir
haben uns auf vier Basiskompetenzen konzentriert“, erklärt Schuster. Dazu
zählen die Athletik, die Technik, das Material und das Selbstverständnis
der Mannschaft.
Kernpunkt Athletik: „Wir haben uns in drei Jahren permanent
weiterentwickelt“, sagt Schuster. Mittlerweile hätten seine Springer durch
intensives Training im Sommer eine Stufe der Belastbarkeit erreicht und
dadurch eine Substanz aufgebaut, „die uns meines Erachtens auch durch den
Winter helfen wird“.
## Auf hohem Niveau
Dadurch fallen Formschwankungen nicht mehr so heftig aus. Severin Freund
ist dafür das beste Beispiel. Selbst Alex Pointner lobt: „Der Severin
springt mittlerweile sehr konstant auf einem sehr hohen Niveau.“
Kernpunkt Technik: Schuster hat eine einheitliche Technik eingeführt, vom
Weltcupteam bis hinunter zum Nachwuchs in den Stützpunkten. Dies erreicht
er auch durch gemeinsame Lehrgänge der verschiedenen Kader. Und so wird
auch frühzeitig eine mangelhafte Sprungtechnik vermieden, die sich Talente
über Jahre hinweg aneignen, die später aber nur wieder sehr mühsam
korrigiert werden kann.
Kernpunkt Material: In Zusammenarbeit mit der Forschungs- und
Entwicklungsstelle für Sport (FES) in Berlin bekommen die deutschen
Springer immer das beste Material zur Verfügung gestellt. Sei dies bei den
Anzügen. Sei dies bei der Einheit aus Schuh und Bindung.
## Auf Augenhöhe
„Da haben wir die Fäden selbst in der Hand“, sagt Schuster stolz, „und
haben uns definitiv auf eine Stufe gehoben, wo wir uns mit anderen Nationen
mindestens auf Augenhöhe befinden. Teilweise haben wir uns sogar einen
Vorsprung erarbeitet.“
Und nicht zuletzt stimmt die vielleicht entscheidende Kernkompetenz, das
Selbstverständnis der Mannschaft: Schuster ist es gelungen, was seinen
Vorgängern Wolfgang Steiert und Peter Rohwein nicht gelingen konnte. Als
jemand, der von außerhalb in das System hereinkam, konnte er vor allem
eins: einen.
Die verschiedenen Stützpunkte, die verschiedenen Landsmannschaften, die
verschiedenen Springercharaktere, die verschiedenen Trainingsphilosophien.
Heute ist die Mannschaft der Star. „Ich fühle mich nicht in der Rolle des
Leithammels“, sagt Severin Freund. Und das Wissen, nicht mehr allein für
den Erfolg verantwortlich zu sein, verleiht nicht nur ihm eine neue Stärke.
## Erste Bewährungsprobe
Diese neue Stärke des deutschen Teams drückt sich vor der
Vierschanzentournee, bei der es am Samstag Ernst wird mit der Qualifikation
für das erste Springen am Sonntag in Oberstdorf, drückt sich auch in den
Vorhersagen der Experten aus.
„Severin Freund ist für mich ein Kandidat für den Gesamtsieg“, sagt der
viermalige Tourneesieger Jens Weißflog. Und Toni Innauer, Schöpfer des
Systems in Österreich, von dem heute die Deutschen profitieren, hält von
Richard Freitag große Stücke: „Wenn er in Oberstdorf und Garmisch gut
durchkommt, dann traue ich ihm einiges zu.“
Sollte die eine oder andere Prognose eintreffen, hätte Werner Schuster
wahrlich etwas geleistet in seinem Traumjob.
30 Dec 2012
## AUTOREN
Klaus-Eckhard Jost
## TAGS
Skispringen
Vierschanzentournee
Oberstdorf
Skispringen
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