# taz.de -- Feinstaub: Berlin kann aufatmen | |
> Wegen der Umweltzone gibt es sieben Prozent weniger Feinstaub in der | |
> Stadt. Die Umweltverwaltung denkt nun über mehr Tempo-30-Zonen nach. | |
Bild: Einmal tief einatmen: Autoabgase enthalten besonders viel Feinstaub. | |
Erstmals seit 2008 hält Berlin die Feinstaub-Vorgaben ein. Laut EU soll | |
innerhalb eines Jahres maximal an 35 Tagen mehr als 50 Mikrogramm Feinstaub | |
pro Kubikmeter Luft gemessen werden. Nach [1][Angaben des | |
Umweltbundesamtes] wurde dieser Wert bei der Messstation mit dem meisten | |
Feinstaub – an der Silbersteinstraße in Neukölln – bisher nur an 30 Tagen | |
überschritten. 2011 war die Luft noch an 54 Tagen zu schmutzig, 2010 an 56 | |
Tagen und 2009 sogar an 73 Tagen. | |
Als Ursache für die sauberere Luft sieht die Senatsverwaltung für | |
Stadtentwicklung und Umwelt das Fahrverbot für Dieselfahrzeuge ohne | |
Rußpartikelfilter innerhalb des S-Bahn-Ringes: „Durch die Umweltzone ging | |
die Konzentration dieser Schadstoffe an innerstädtischen Straßen | |
überproportional zurück“, heißt es im [2][Entwurf] der Senatsverwaltung f�… | |
den neuen Luftreinhalteplan, der im kommenden Jahr vom Senat beschlossen | |
werden soll. Ohne Umweltzone wäre die Feinstaubbelastung um sieben Prozent | |
höher gewesen. Die Umweltverwaltung schlägt unter anderem mehr Tempo 30 auf | |
Hauptverkehrsstraßen und weniger Parkplätze in der Innenstadt vor, um den | |
Autoverkehr weniger attraktiv und die Luft noch sauberer zu machen. | |
Als Feinstaub werden Partikel bezeichnet, die so klein sind, dass sie in | |
Nase und Rachen nicht hängen bleiben, sondern ungehindert in die Lunge | |
gelangen. Dort können sie Entzündungen, Wucherungen, Asthma, Bronchitis | |
oder Lungenkrebs auslösen. In bestimmten Konzentrationen führen sie auch | |
zum Herzinfarkt. Berechnungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und | |
Umwelt für das Jahr 2009 zeigen, dass in Berlin rund 64.300 Anwohner von | |
Hauptverkehrsstraßen einer gesundheitsschädlichen Feinstaubbelastung | |
ausgesetzt sind. | |
Der Entwurf für den Luftreinhalteplan beschreibt auf gut 200 Seiten die | |
Ursachen für den Feinstaub in Berlin und schlägt Maßnahmen für die Jahre | |
bis 2015 vor. Sie gelten noch nicht automatisch, wenn der Plan vom Senat | |
beschlossen wird, sondern müssen dann noch vom Abgeordnetenhaus besprochen | |
und von den Senatsverwaltungen und den Bezirken umgesetzt werden. | |
Rund zwei Drittel des Feinstaubs stammt gar nicht aus Berlin, heißt es in | |
dem Entwurf. Verantwortlich für die hohe Feinstaubbelastung ist demzufolge | |
hauptsächlich der „grenzüberschreitende Transport der feinen Staubpartikel, | |
die aus Industrieanlagen und der Hausheizung unserer osteuropäischen | |
Nachbarstaaten stammen“. | |
Wie sauber die Luft in Berlin ist, hängt daher vor allem von der | |
Windrichtung ab: „Erhöhte Tagesmittelwerte mit Ferntransporteinfluss treten | |
überwiegend bei windschwachen Wetterlagen mit südöstlicher Windrichtungen | |
und niedrigen Temperaturen auf.“ Gefordert wird daher eine „Obergrenze für | |
den Gesamtausstoß der feinen Partikel in jedem EU-Mitgliedsland“. Die | |
Bundesregierung solle zudem „den Dialog mit den osteuropäischen | |
Nachbarstaaten über die Umsetzung zusätzlicher Maßnahmen zur | |
Feinstaubminderung fortzusetzen“. Berlin werde „die dortigen Regionen und | |
Kommunen bei der Umsetzung wirksamer Minderungsmaßnahmen unterstützen“. | |
Der Straßenverkehr in Berlin ist nur für 27 Prozent des Feinstaubs | |
verantwortlich, der in Berlin eingeatmet wird. Ein Prozent kommt aus | |
Heizungsanlagen und nur 0,5 Prozent aus der Industrie – die stößt zwar viel | |
Feinstaub aus, aber in der Regel durch hohe Schornsteine, so dass nur ein | |
sehr geringer Teil der Schadstoffe auf Straßenniveau ankommt, während der | |
größte Teil entsprechend der Windrichtung in andere Regionen verteilt wird. | |
Sieben Prozent des Feinstaubs schließlich stammen aus sonstigen Quellen, | |
also von Baustellen, Schiffen, Flugzeugen, und der Holzverbrennung in | |
Kaminöfen. | |
Die Verwaltung rechnet in dem Papier nun verschiedene Szenarien durch. Das | |
weitgehendste dabei: Der Autoverkehr in Berlin wird reduziert, alle Staus | |
vermieden werden, der Anteil an Elektrofahrzeugen steigt stark, alle | |
Kohleöfen werden verboten, genau wie die Holzverbrennung im Kamin. Doch: | |
„Auch mit diesen weitreichenden Annahmen kann eine Einhaltung des | |
Grenzwertes für Feinstaub nicht erreicht werden, da die Vorbelastung so | |
hoch ist.“ Das sei aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, | |
argumentiert das Papier sinngemäß. Schließich sei jede auch eher geringe | |
Reduktion von gesundheitsgefährdenden Stoffen eine Verbesserung. | |
Vorgeschlagen wird daher etwa eine „stadtverträgliche Geschwindigkeit auf | |
Hauptverkehrsstraßen“. | |
Beispiel [3][Schildhornstraße]: Die vierspurige Straße verbindet | |
Wilmersdorf und Steglitz und ist die Fortsetzung der Stadtautobahn A 107, | |
die hier mitten in einem Wohngebiet endet. Etwa 40.000 Fahrzeuge pro Tag | |
nutzen die Straße, an beiden Seiten stehen vierstöckige Häuser. Im November | |
2005 wurde hier Tempo 30 verhängt und mit einer Radaranlage kontrolliert. | |
Da hier eine Messtation steht, konnte der Effekt unmittelbar bestimmt | |
werden – es kam zu „einer Reduzierung der Gesamtbelastung in der | |
Schildhornstraße um etwa 5 bis 10 Prozent“, heißt es in dem Papier. | |
Daher sollen in Zukunft solche Tempo-30-Zonen ausgeweitet werden. Die | |
größte Möglichkeit für Berlin, die Luft sauberer zu bekommen, gibt es laut | |
Umweltverwaltung bei „einer Reduzierung des motorisierten Verkehrs, der | |
Verstetigung des Verkehrsflusses und durch niedrigere Geschwindigkeiten“. | |
Um Autoverkehr weniger attraktiv zu machen, sollen auch Parkplätze knapper | |
und teurer werden. Die Zahl privater Parkplätze soll durch eine | |
„Stellplatzobergrenzen-Verordnung“ auf das „erforderliche Maß“ beschr�… | |
werden. Zudem sollen die öffentlichen Parkplätze am Straßenrand viel | |
häufiger kostenpflichtig werden. Außer für Dieselfahrzeuge, die der | |
Euro-6-Norm entsprechen: Um den Kauf solcher Autos zu fördern, sollen die | |
kostenlos parken dürfen. | |
28 Dec 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.env-it.de/luftdaten/trsyear.fwd?comp=PM1&state=UB&year=2… | |
[2] http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/luftqualitaet/de/luftreinhalte… | |
[3] http://goo.gl/maps/bksog | |
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