Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gesundheit in Schleswig-Holstein: Keine Impfung ohne Pass
> Kiel soll für die Untersuchung von Schwangeren und die Nachsorge
> Neugeborener zahlen, auch wenn die Mutter keinen deutschen Pass hat,
> fordern Helfer vom Medibüro. Aber es fühlt sich niemand zuständig.
Bild: Für Frauen mit deutschem Pass und Krankenversicherung ganz selbstverstä…
HAMBURG taz | Ein Kind zu bekommen, ist teuer. Rund 800 Euro kosten die
Untersuchungen in der Schwangerschaft im Schnitt, kalkuliert das Kieler
Sozialamt. Die Entbindung kostet 2.500 Euro – aber nur, wenn es keine
Komplikationen gibt. Die ersten Impfungen für das Kind: 900 Euro.
Mütter, die ohne eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland leben, haben
keine Krankenversicherung. Und meist kein Geld, um Arzt und Hebamme zu
bezahlen. Das Medibüro in Kiel fordert nun in einer Petition von der Stadt,
Untersuchung und Impfung für papierlose Frauen und ihre Kinder zu zahlen.
Seit zwei Jahren vermitteln im Kieler Medibüro ehrenamtliche Helfer einmal
in der Woche Menschen an Ärzte, die sie umsonst oder auf Spendenbasis
behandeln – und nicht nach ihrem Ausweis fragen. Wenn aber eine Schwangere
kurz vor der Entbindung zu ihnen kommt, stehen die Helfer vor einem
Problem: Ein Klinikaufenthalt ist teuer.
Nach der Geburt in einer Klinik seien Frauen ohne Krankenversicherung hoch
verschuldet, heißt es in der Petition an Kiels Oberbürgermeisterin Susanne
Gaschke (SPD). Empfohlene Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen für Mutter
und Kind scheiterten häufig an der Finanzierung. Die Stadt solle die Kosten
übernehmen.
Seit einigen Jahren kommen Zuwanderer aus den neuen EU-Ländern Bulgarien
und Rumänien in deutsche Städte, viele von ihnen sind Roma-Familien. Laut
Matthäus Weiß vom Landesverband deutscher Sinti und Roma leben rund 70 Roma
in Kiel, etwa 250 seien es in ganz Schleswig-Holstein.
Zwei Drittel der Patienten im Medibüro kommen mittlerweile aus
Roma-Familien, sagt Mona Golla von der Zentralen Bildungs- und
Beratungsstelle für MigrantInnen in Schleswig-Holstein (ZBBS). Und das
Sozialamt geht davon aus, dass in Kiel etwa 100 Kinder nicht
krankenversichert sind. Ganz ohne Papiere leben derzeit mehrere hundert
Menschen in Schleswig-Holstein, schätzt Thorsten Döring vom Büro des
Flüchtlingsbeauftragten.
Kieler Kliniken sind bereits mehrfach auf den Behandlungskosten von
Menschen ohne Krankenversicherung sitzen geblieben. Einspringen musste etwa
ein Förderverein, sagt der Geschäftsführer des Städtischen Krankenhauses in
Kiel, Roland Ventzke. In anderen Fällen zahlte die Stadt auf Umwegen.
„Manchmal lief das über das Gesundheitsamt“, sagt Sozialdezernent
Adolf-Martin Möller (parteilos).
Man lasse die Leute nicht im Stich. Aber einen Topf, aus dem die Versorgung
dieser Menschen finanziert werden könne, lehnt Möller ab. Land und der Bund
sollten helfen, das Problem mit den neuen EU-Bürgern zu lösen. Er
empfiehlt, „an der bestehenden Herangehensweise“ festzuhalten – also nur …
Notfällen einzuspringen.
Das hält der Kinderarzt Thomas Schröter, der ehrenamtlich für das Kieler
Medibüro arbeitet, für bedenklich. Etwa zehn Schwangere kämen pro Jahr ins
Medibüro, viele Frauen verzichteten aber auf Vorsorgeuntersuchungen und
warteten bis zur Geburt. „Bis es zum Notfall wird“, sagt Schröter. Aber auf
Vorsorge zu verzichten, treffe nur die Kinder, sagt Schröter.
Dabei steht die bessere medizinische Versorgung Papierloser auch im
Koalitionsvertrag der neuen schleswig-holsteinischen Landesregierung aus
SPD, Grünen und SSW. Anfang 2012 hatte die schwarz-gelbe Regierung noch
gegen sogenannte anonyme Krankenscheine gestimmt. Diese Scheine hätten wie
Schecks von Beratungsstellen wie dem Medibüro an Patienten verteilt werden
können. Eingereicht beim Arzt, hätte das Land gezahlt. Ohne Passkontrolle.
Der Flüchtlingsbeauftragte des Landes fordert dieses System nach wie vor.
Sozialministerin Kristin Alheit (SPD) sagt, das Land werde sich bald mit
der Stadt Kiel zur Gesundheitsversorgung Papierloser austauschen. Ziel sei
es, „die Versorgung von Hilfebedürftigen zu ermöglichen“.
28 Dec 2012
## AUTOREN
Kristiana Ludwig
## TAGS
Flüchtlinge
## ARTIKEL ZUM THEMA
Anonyme Sprechstunde für Flüchtlinge: Papierlose Patienten
Der Staat verweigert Menschen ohne Aufenthaltsstatus die
Gesundheits-Versorgung. In Oldenburg fordern Grüne, Linke und Piraten eine
anonyme Sprechstunde.
Kommentar Anonyme Behandlung: Kommunen brauchen Hilfe
Schwangere, Kleinkinder und Säuglinge können nicht darauf warten, bis
langfristige Konzepte entschieden werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.