# taz.de -- Ferienwohnungen in Berlin: Verfolgt werden nur krasse Fälle | |
> Senat will Entwurf für ein Zweckentfremdungsgesetz für Wohnraum vorlegen. | |
> Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg gehen schon eigene Wege | |
Bild: Demnächst ist wieder Hotel angesagt | |
Was bereits im Koalitionsvertrag von SPD und CDU vereinbart war, soll nun | |
bald Gesetz werden: Ende Januar möchte der schwarz-rote Senat den Entwurf | |
eines Zweckentfremdungsgesetzes für Wohnraum ins Abgeordnetenhaus | |
einbringen. Damit soll es Wohnungseigentümern unter anderem verboten | |
werden, Wohnraum in Ferienwohnungen umzuwandeln. Die gegenwärtige | |
Rechtslage ermöglicht derzeit kaum Eingriffsmöglichkeiten, weil das | |
Zweckentfremdungsrecht 2001 abgeschafft wurde. | |
Aber so gut und wichtig das neue Gesetz sein mag, es hat auch seine Lücken. | |
Das Verbot, Wohnungen in Ferienwohnungen umzuwandeln, gilt nach einer | |
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, nur in Bezirken, in denen | |
formal ein Mangel an Wohnraum festgestellt wird. Das betrifft im Augenblick | |
nur die Bezirke in der Innenstadt. | |
In-Bezirke wie Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg beschreiten deshalb | |
zusätzliche Wege, um das Problem der ausuferenden Ferienwohnungen in den | |
Griff zu bekommen. Der Pankower Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) | |
spricht von etwa 1500 illegalen Wohnungen in seinem Bezirk. Franz Schulz, | |
Grüner Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg schätzt die Zahl | |
der Ferienwohnungen auf weit über 1000. Obwohl es in Prenzlauer Berg mit | |
die meisten Ferienwohnugen in Berlin gibt, sei das Problem mit dem neuen | |
Zweckentfremdungsrecht nicht in den Griff zu bekommen, sagt Kirchner. | |
Der Grund: Neben den begehrten Gründerzeitviertel rund um Kollwitz- und | |
Helmholtzplatz gibt es in Pankow auch abgelegene Plattenbaugebiete, in | |
denen kein Mangel an Wohnraum besteht. Damit gelte die Wohnungslage im | |
gesamten Großbezirk als entspannt. Und es gibt noch ein Problem: | |
Stadtentwicklungssenator Ephraim Gothe (SPD) gab unlängst gegenüber | |
Journalisten zu Protokoll, dass es für die stadtweit schätzungsweise 12.000 | |
Ferienwohnungen „einen Bestandsschutz“ geben soll. Im Klartext: Das | |
Zweckentfremdungsgesetz umfasst nur die neuen Zweckentfremdungen. Die alten | |
können nicht angetastet werden. | |
In einer Arbeitsgruppe haben Pankow und Friedrichshain -Kreuzberg nach | |
einem Ausweg gesonnen. Durch dieÄnderung der sogenannten | |
Erhaltungsverordnung hat das Bezirksamt Pankow im jüngsten Amtsblatt ein | |
Verbot der Nutzung von Wohnungen als Ferienwohnung erlassen. Als Kriterium | |
für eine Ferienwohnung hat das Bezirksamt eine Vermietungszeit von | |
höchstens 28 Tagen pro Monat festgesetzt. Die Einschränkungen gelten | |
zunächst nur in Sanierungs- und Erhaltungsgebieten. In den nächsten Tagen | |
will Kirchner aktiv werden. Ordungsamtsmitarbeiter werden sich Häuser | |
ansehen, in denen Ferienwohnungen vermutet werden. Bescheide erteilen und | |
Bußgelder verhängen. | |
Friedrichshain-Kreuzberg werde bald nachziehen, kündigt Bürgermeister | |
Schulz an. Die Beschlussvorlage für das Bezirksamt und die | |
Bezirksverordnetenversammlung werde im Feburar fertig sein. Die Passage im | |
Amtsblatt werde vermutlich etwas anders formuliert „aber im Kern haben wir | |
das gleiche vor, wie Pankow“. In Kreuzberg würden der ehemalige | |
Postzustellbezirk SO 36 sowie Gräfekiez, Hornstraße, Chamissoplatz und die | |
Bergmannstraße Nord als Milieuschutzgebiete ausgewiesen. Wegen des | |
Verwaltungsaufwands werde man aber nur die „besonders krassen Fälle“ von | |
Zweckentfremdung verfolgen können, so Schulz. Die Erhaltungsverordnung sei | |
eine flankierende Maßnahme für das Zweckentfremdungsgesetz. „Man darf nicht | |
das eine gegen das andere ausspielen“. | |
Der Verein „Berliner Mietergemeinschaft“ hat bereits im Jahr 2011 eine | |
Erhebung über die Zahl der Ferienwohnungen angestellt. Schon existierende | |
Daten, die eine Studie des vom Senat beauftragten | |
Immobilienforschungsinstitut Gewos hervorbrachte, hielt die | |
Mietergemeinschaft für nicht ausreichend. Lediglich 8.918 Ferienwohnungen | |
ergab die Studie. Die Mietergemeinschaft kam hingegen auf mindestens | |
12.000. Erhoben wurden die Daten mittels einer Mitgliederbefragung über die | |
Situation in deren Wohnhäusern und über die Auswertung von Online-Portalen. | |
Die Gewos hat ihre Zahlen mittlerweile auf ebenfalls 12.000 korrigiert. | |
Joachim Oellerich von der Mietergemeinschaft hält selbst die eigenen Zahlen | |
für zu gering. „Mindestens 50 Prozent mehr muss man für die Grauzone | |
einrechnen“ schätzt er die tatsächliche Zahl – das wären rund 18.000 | |
Ferienwohnungen in Berlin. Den Entwurf für das Zwangsentfremdungsgesetz | |
hält Oellerich für einen „Papiertiger“. | |
9 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
Jörn Wegner | |
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Nachruf | |
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