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# taz.de -- Neues Album von „Broadcast“: Der poetische Horror
> Zwei Jahre nach dem Tod von „Broadcast“-Sängerin Trish Keenan hat die
> englische Band ein posthumes Album auf den Markt gebracht.
Bild: Ist vor einem Jahr überraschend gestorben: Sängerin Trish Keenan.
Als Trish Keenan, Sängerin der englischen Psychedelicpopband Broadcast, im
Januar 2011 an einer Lungenentzündung starb, war das ein Schock. Sie wurde
nur 42. Die bis dahin veröffentlichten Alben und derwischartigen Konzerte
der Band aus Birmingham hielten die Erwartungen auf ihren nächsten
musikalischen Einfall stets hoch. Keenans glasklarer, nostalgischer Gesang
und ein verschrobener, an B-Horrorfilme und Library-Music der Siebziger
gemahnender, weitgehend elektronisch generierter Sound prägten die
Klangästhetik von Broadcast.
Vielleicht war das auch der Grund, warum Peter Strickland sie einlud, den
Soundtrack für seinen Film „Berberian Sound Studio“ zu kreieren. In dem
Film reist der verzagte, aber für seine geisterhaften, pastoralen Sounds
gefeierte englische Tonmeister Gilderoy nach Italien, um dort für den Film
„The Equestrian Vortex“ die passende Geräuschkulisse zu entwerfen.
Dieser Film im Film ist ein Giallo-Splasher von äußerst zweifelhafter
Qualität. Zu sehen sind von ihm nur der Vorspann und einige wenige kurze
Sequenzen. Alles Weitere spiegelt sich in den Gesichtern der schreienden
Synchronsprecherinnen und in den entsetzten Zügen Gilderoys. Dessen
geistiger Zustand verschlechtert sich in der klaustrophobischen Welt des
abgedunkelten Berberian Sound Studios proportional mit der zunehmenden
Grausamkeit des Films im Film.
## Textlose Gesangsskizzen
Für den Soundtrack hatte Keenan bereits viele Motive entworfen, die
Bandkollege James Cargill nach ihrem Tod in Form von textlosen
Gesangsskizzen auf ihrem Computer fand. Diese Versatzstücke verwebte er mit
italienischen Wortschnipseln, unappetitlichen Würgelauten und
gefriergetrockneten Windgeräuschen zu einem emotionalen Netz, das das Thema
des Films im Film – die Geister der durch die Inquisition ermordeten
„Hexen“ rächen sich an den Zöglingen einer sinistren Reitervereinigung –
und Gilderoys Abgleiten in die Psychose spürbar macht.
Die barocke Klangsprache von Cembalo und Kirchenorgel im Soundgewand der
siebziger Jahre entfacht kein innovatives Feuerwerk, vermag aber in ihrer
traumwandelnden Solidität und Verbeugung vor den Klassikern als
eigenständiges Werk zu bestehen. Ennio Morricone ist die auffälligste
Inspirationsquelle, es gibt aber auch Reminiszenzen an den jazzigen
Soundtrack des britischen Thrillers „Get Carter“ von 1971.
## Psychotischer Pesthauch
Cargill nennt zudem den tschechischen Komponisten Luboś Fiśer als Einfluss,
dessen Markenzeichen die kunstvolle Variation der musikalischen Motive war.
Auch Cargill lässt einzelne Motive wie aus dem Nichts erscheinen. Nachdem
sie ihren psychotischen Pesthauch verströmt und sich im Ohr eingenistet
haben, verschwinden sie wieder, um gleich darauf in genauso eindrücklichen
Variationen wieder aufzutauchen.
„Berberian Sound Studio“ ist das erste posthume Broadcast-Album, es
erschien drei Tage vor Keenans erstem Todestag am 14. Januar. Cargill hat
bereits angekündigt, noch gemeinsam erarbeitetes Material und
Gesangsskizzen von Trish Keenan zu einem weiteren Broadcast-Album zu
verarbeiten.
Natürlich ist so ein Vorhaben riskant, und man kann nur hoffen, dass es dem
Vermächtnis Trish Keenans gerecht wird. Vermag Cargill es aber, das
Vorhandene zu einem ähnlich poetischen Werk wie den Soundtrack zu
„Berberian Sound Studio“ zu verarbeiten, kann mit dem Besten gerechnet
werden.
Broadcast: „Berberian Sound Studio“ (Warp/Rough Trade)
14 Jan 2013
## AUTOREN
Sylvia Prahl
## TAGS
Soundtrack
Musik
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