# taz.de -- Tachelianer bleiben: Die letzten Aufrechten von Mitte | |
> Trotz Räumung des Tacheles verharren immer noch ein Dutzend Künstler auf | |
> dem Hinterhof - und dürfen dort noch ein paar Wochen bleiben. | |
Bild: Da waren es noch mehr: Protest gegen die Räumung des Tacheles im Septemb… | |
Hazem Abd-El-Hay bearbeitet einen Floh in seiner Werkstatt, einen aus | |
Metall, schuhkarton-groß, geborstet mit Nägeln. Den, sagt er, werde er | |
demnächst in groß erschaffen. Es sei schwierig, hier kreativ zu bleiben, | |
aber nicht unmöglich. „Wer Kunst macht, macht Kunst, egal wo.“ | |
In dicker Jacke steht Abd-El-Hay am Dienstag auf dem Tacheles-Hinterhof, | |
dem umzäunten Rest, der den Künstlern noch geblieben ist. Der eisige Wind | |
pfeift zwischen den sechs letzten Buden, nur zwei Touristen haben den Weg | |
in das Labyrinth gefunden. Von der verwaisten Kunstruine richtet sich eine | |
Überwachungskamera auf die Enklave. Eigentlich sollte Abd-El-Hay längst weg | |
sein. Wurde doch das Haus bereits im September geräumt. Nur die Künstler | |
auf dem Hinterhof, aktuell noch ein Dutzend, durften bleiben. | |
Daran ändert sich erst mal nichts: Am Montag wurde eine Räumungsverhandlung | |
vorm Landgericht vertagt. Der Richter befand, dass der Zwangsverwalter den | |
Verein „Art pro Tacheles“ hätte verklagen müssen, nicht die Künstler | |
einzeln. Laut einer Gerichtssprecherin soll nun im Februar ein neuer | |
Verhandlungstermin gefunden werden. Metallkünstler Hüseyin Arda feiert das | |
wie einen Sieg. „Wir haben’s immer gesagt: Wir können das Gelände nicht | |
rausgeben, weil es nicht uns, sondern allen gehört.“ | |
Klägeranwalt Michael Schultz spricht hingegen von „Tricks“ und einem | |
„Rückzugsgefecht“. „Wir werden gewinnen, das sind nur noch Verzögerunge… | |
Ursprünglich hatte Schultz den Hinterhof bis Ende 2012 räumen wollen. Nun | |
peilt er Ende März an. Schultz hatte mehrere Künstler auch gegen | |
Abfindungen zum Auszug bewegt. | |
Was künftig mit dem Tacheles passiert, ist indes weiter offen. Das Gelände | |
ist wegen der Insolvenz der früheren Eigentümer zur Zwangsversteigerung | |
vorgesehen. Ein erster Termin platzte im April 2011, ein neuer steht aus. | |
Schultz erwartet die Auktion in der zweiten Jahreshälfte. Er selbst | |
vertritt einen Investor. Wen, sagt er nicht. Auch andere Mitbieter sind | |
nicht bekannt. Die Rede ist nur von „mehreren Interessenten“. Immer wieder | |
fällt der Name Harm Müller-Spreer, Eigner des nahen Spreedreick-Geländes. | |
Die Gläubiger des Tacheles, die HSH Nordbank, schweigt dazu. „Erst wenn das | |
Grundstück leer ist, können wir es verwerten“, so ein Sprecher. | |
In Mitte ist man über den Stillstand nicht erfreut. „Jeder Tag, den das | |
Tacheles leer steht, macht die Situation nicht besser“, klagt Baustadtrat | |
Carsten Spallek (CDU). „Eine zeitnahe Entwicklung ist dringend geboten.“ | |
Viele der geräumten Künstler sind im Neuköllner Cube-Club oder im Hof eines | |
Hotels am Warschauer Platz (Friedrichshain) untergekommen. Künstler Arda, | |
seit 1990 im Tacheles, hat wieder Hoffnung: „Ich bin zuversichtlich, dass | |
sich das Blatt noch wendet.“ Abed-El-Hay ist weniger optimistisch. „Wir | |
werden täglich schikaniert.“ In seine Werkstatt regne es rein, weil er sie | |
nur mit einer Plane überdachen dürfe. Nun sei auch der Stromgenerator | |
ausgefallen. „Hier geht’s nur noch ums Geld“, klagt Abed-El-Hay. "Jetzt | |
holt sich die High Society das Tacheles." | |
15 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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