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# taz.de -- Kultur oder Wohnungen: Zurück zu altem Glanz
> Seit Jahren steht das Emder Apollo-Kino leer. Jetzt hat die Stadt das
> denkmalgeschützte Backsteingebäude gekauft, aber ein griffiges
> Nutzungskonzept fehlt.
Bild: In den 50er-Jahren ein Anziehungspunkt für Ostfrieslands Filmfreunde: Ap…
EMDEN taz |Es riecht muffig, die Stühle fehlen und der Strom ist
abgestellt. Das Emder Traditionskino Apollo ist zurzeit etwa so attraktiv
wie ein kaputter Kühlschrank. „Was man hier alles machen könnte“, sagt
Johannes Meyering. Urmel nennen sie ihn hier in Emden und gemeinsam mit
Manuel Rietmann will er das seit Jahren leer stehende Kino mitten in der
Stadt zu einem Kulturzentrum umfunktionieren. Ideen hat Meyering genug,
aber kein Geld.
Das bräuchte der freischaffende Bühnenbildner, der unter anderem im
Hamburger Schmidt-Theater arbeitet, um das Apollo wieder in Schwung zu
bringen. Der Bedarf wäre da, sagen sie. „Wir haben ein paar Tausend
Studenten und für die jungen Leute wird nichts geboten“, sagt Rietmann. Das
Apollo könne zu einem tollen Veranstaltungsort ausgebaut werden.
Jetzt hat die Stadt Emden das denkmalgeschützte Backsteingebäude gekauft,
das bei seiner Eröffnung 1931 das einzige Kino der Stadt war. Der
Vorläufer, das erste Apollo, brannte 1908, nur 14 Tage nach seiner
Eröffnung, ab. Nach einem Filmstau hatte sich der Film entzündet. Das neue
Apollo wurde im Stil des Expressionismus gebaut, hatte 600 Sitzplätze, nach
schweren Bombenschäden 1944 und mehreren Umbauten wurde der Saal
schließlich dreigeteilt.
Inhaber des Apollo war bis 2009 die Familie Buschmann aus Leer. Schon in
den 60er-Jahren haben sie hier das Prinzip Servicekino angeboten und die
Besucher konnten von ihrem Platz aus per Klingel die Bedienung anfordern.
Die Buschmanns gehörten zu Deutschlands Kino-Pionieren, besaßen Kinos in
Ostfriesland, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Als sie im Apollo
einmal einen „Rambo“-Film zeigten, protestierte die Kirche. Als dann 2009
in Emden der Kinokomplex Cinestar eröffnete, schlossen die Buschmanns ihr
Haus. Sie bekamen die Baugenehmigung, das Apollo zu einem Wohnhaus
umzubauen – scheuten dann aber die Investitionen.
2010 haben Meyering und Rietmann das Apollo für zwei Monate wieder
eröffnet. Mit vielen ehrenamtlichen Helfern und Helferinnen und vielen
Künstlerfreunden organisierten sie hier unter anderem Konzerte. Der
Eintritt war frei und während der Veranstaltungen wurden Spenden gesammelt.
Das Konzept funktionierte. In den zwei Monaten kamen rund 10.000 Besucher
und Besucherinnen ins Apollo. „Wir wollen an diese Aktion anknüpfen“, sagt
Meyering.
Anfangs waren sie in Emden von Meyerings Idee überzeugt, aus dem Apollo ein
Kulturzentrum zu machen. „Ich habe mich auch für dieses Projekt eingesetzt,
aber jetzt läuft es aus dem Ruder“, sagt die Emder FDP-Landtagskandidatin
Hillgriet Eilers, die heute eine der schärfsten Kritikerinnen des Projekts
ist. Im Krieg wurde Emden als U-Boot-Standort zu großen Teilen zerstört und
beim Wiederaufbau wurden viele Bausünden begangen. „Wir wollen ja auch
unsere letzten historischen Bauten wie das Apollo schützen, aber bitte mit
Sinn und Verstand“, sagt Eilers. Emden habe kein Geld zu verschenken.
„Oberbürgermeister Bornemann hat dem Eigentümer schon vor den Verhandlungen
versprochen, dass die Stadt das Apollo auf jeden Fall kaufen wird“, sagt
sie. Die Stadt selbst will nicht über den Kaufpreis reden, aber es heißt,
der Wert der Immobilie sei auf 300.000 Euro geschätzt worden, aber für
420.000 Euro gekauft worden. „Wenn Sie jetzt noch die Investitionen für
einen Umbau zum Kulturzentrum dazurechnen, liegen wir bei 2,5 Millionen
Euro“, sagt Eilers. Die Betriebskosten seien da nicht einmal mit
eingerechnet.
Die Betriebskosten sollten eigentlich durch die Einnahmen aus dem
Kulturbetrieb und durch einen Förderverein gedeckt werden. Aber bisher gibt
es weder den Förderverein noch ein schlüssiges Nutzungskonzept.
„Wir können den Förderverein erst organisieren, wenn ein akzeptiertes
Nutzungskonzept vorliegt“, sagt Meyering. Henry Nannen und seine Frau Eske
haben es vorgemacht. Mit viel privatem Einsatz hat der Gründer des Magazins
Stern in Emden die mittlerweile auch international anerkannte Kunsthalle
gebaut. Weder die Stadt Emden noch das Land Niedersachsen können es sich
leisten, diese Einrichtung nicht zu fördern.
„In das Apollo investiert die Stadt selbst, ohne eine klare Vorstellungen
von der Nutzung des Kinos zu haben“, kritisiert ein Emder
Kulturschaffender. Immerhin gibt es neben der Kunsthalle ein Theater, ein
neuer Veranstaltungsort wird gerade erschlossen und es gibt die
Filmfestspiele, eines der beliebtesten und profiliertesten Festivals in
Norddeutschland. „Wir würden uns sehr freuen, wenn wir im Zentrum der Stadt
das Apollo nutzen könnten“, sagt Rolf Eckhard, Leiter des Filmfestivals,
der sich auch für ein Kulturzentrum in Emden engagiert. Allein die
gastronomischen Möglichkeiten, die dort verwirklicht werden könnten, mache
das Apollo für publikumsnahe Festivals spannend. „In Emden gibt es ein
tolles Theaterprojekt, das könnte das Apollo als festes Haus nutzen“, sagt
Eckhard. „Die Stadt könnte ihr gesamtes Kulturbüro ins Apollo verlagern,
dann hätte das Haus schon drei Standbeine.“
Andere Kulturorganisatoren mahnen aber, dass Emden sich mit einem solchen
Projekt leicht übernehmen könne. Manuel Rietmann ist da optimistischer.
„Und dann gibt es eben Party“, sagt er. Und wenn es schief geht, kann man
ja immer noch günstige Wohnungen ins Apollo bauen – für die vielen
Studenten.
18 Jan 2013
## AUTOREN
Thomas Schumacher
## TAGS
Programmkino
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