# taz.de -- Nationalparks in Madagaskar: Pelzige Helfer vom Wald | |
> Die Dorfbewohner erhielten von der Regierung die Erlaubnis, den Anja Park | |
> als ihr Eigentum zu schützen. | |
Bild: Besucher-Magnet Lemur. | |
Wer auf Madagaskar lebt, muss in der Regel hart arbeiten, um sich ein | |
bescheidenes Leben finanzieren zu können. Anders ist es in einem Wald recht | |
weit im Süden, wo das zentrale Hochland mit seinen Reisterrassen in eine | |
trockene Steppe übergeht. Dort, zwischen mächtigen Felsen, verbringen die | |
Bewohner den Vormittag mit einem Sonnenbad. Mittags ist Zeit für eine | |
Siesta und am Nachmittag geht es zum See, wo sie baden, etwas trinken, und | |
von den Feldern am Waldrand ein paar Früchte stibitzen. | |
So gut lassen es sich die rund 350 Katta-Lemuren gehen, die im kleinen | |
Naturreservat Anja Park leben. Dass sie wenig fürchten müssen, abgesehen | |
von den mitunter etwas lauten Touristen aus Italien, haben die Kattas | |
Adrien Razafimandimby zu verdanken. | |
## Das Biotop schrumpfte von Jahr zu Jahr | |
Razafimandimby ist klein und muskulös, auf dem Kopf trägt er stets den | |
Strohhut seiner Volksgruppe, der Betsileo. Der 41-Jährige ist studierter | |
Biologe, aber vor Jahren ins lukrativere Tourismusgeschäft eingestiegen. | |
Seitdem organisiert er Rundreisen und Bootstouren auf der viertgrößten | |
Insel der Welt. Über Jahre beobachtete Razafimandimby, wie sich das Unglück | |
abzeichnete. Er sah das Ende der Kattas kommen. Ihr Biotop nahe der Stadt | |
Ambalavao schrumpfte von Jahr zu Jahr, weil die Bewohner der umliegenden | |
Dörfer Ackerbau durch Brandrodung betrieben. Die Asche diente als Dünger. | |
Das sparte Geld. | |
So schwand der Wald, und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Kattas | |
ihren Lebensraum verlieren würden und bald darauf kein neues Ackerland mehr | |
zu erschließen wäre. Razafimandimby war klar, dass sich etwas ändern | |
musste, um die Tiere zu schützen, die im Süden Madagaskars endemisch sind | |
und in Familienverbänden von bis zu 30 Tieren zusammenleben. | |
## Besucher brachte der Lonely Planet | |
„Wir müssen den Wald schützen, den wir noch haben“, sagt Razafimandimby | |
auch heute noch gebetsmühlenartig, wenn er über die Anfänge spricht. Er | |
sorgte dafür, dass der Wald in ein Programm der Regierung zum Schutz | |
bedrohter Natur aufgenommen wird. Seine Idee: Er würde Touristen anziehen, | |
die von den Dorfbewohnern in dem 30 Hektar großen Areal herumgeführt | |
werden. Die Touristen zahlen Eintritt und die Gebühr für einen Guide, der | |
ihnen die Tiere zeigt. Diese Einnahmen werden zwischen den Guides und den | |
anderen Bewohnern aufgeteilt. | |
Die Dorfbewohner erhielten von der Regierung 2001 die Erlaubnis, den Wald | |
als ihr Eigentum zu schützen. So entstand der Anja Park. Er ist gut zu | |
erreichen, und es ist fast sicher, dass man die Lemuren aus nächster Nähe | |
sieht und fotografieren kann. Dazu gibt es Chamäleons, Eidechsen und einige | |
Vogelarten. Der Eintritt kostet inklusive eines Führers nur ein paar Euro. | |
80 Touristen kamen im ersten Jahr, dann wurden es immer mehr. | |
Verlage nahmen die Katta-Schau in ihre Reiseführer auf, unter ihnen der | |
Lonely Planet. Im Jahr 2010 besuchten 10.000 Touristen den Park, Tendenz | |
steigend. Nach der Wanderung durch den Wald können sie im neu gebauten | |
Restaurant mit großen Panoramafenstern ausspannen und den Blick über den | |
Wald und die mächtigen Felsen schweifen lassen. | |
## Man einigt sich immer | |
Allein darf man nicht in den Park, 24 Guides führen abwechselnd durch das | |
Areal. Einer von ihnen ist Jules Razafimiandrisoa. Der 36-Jährige trägt | |
einen Strohhut, und wenn er lächelt, sieht man seinen goldenen Stift in der | |
Lücke zwischen den mittleren Schneidezähnen des Bauern. Razafimiandrisoa | |
ist ruhig und zurückhaltend. Man muss schon ein bisschen fragen, um zu | |
erfahren, dass bei den Kattas die Weibchen dominant sind und die Tiere bis | |
zu fünf Meter weit springen können. | |
Razafimiandrisoa hat eine Ausbildung als Guide im Park durchlaufen und auch | |
eine Prüfung bei einer Tourismusbehörde in der Hauptstadt abgelegt. | |
Trotzdem bleibt er in erster Linie Bauer. Auf zwei Hektar pflanzt er Reis, | |
Mais und Maniok an. „Ich habe es dem Park zu verdanken, dass ich zwei | |
Zeburinder kaufen konnte, um meine Felder zu bestellen“, sagt der | |
verheiratete Vater von drei Kindern. Für die Ausbildung zum Guide haben ihm | |
die Kollegen aus der gemeinsam verwalteten Kasse des Anja Park das Geld | |
vorgeschossen. Mit den Führungen hat er es nach und nach zurückgezahlt. Nun | |
kann er mit dem Geld der Touristen auch die Schule seiner Kinder bezahlen. | |
Und wie soll es mit dem Park weitergehen? „Das liegt nicht in meiner Hand“, | |
sagt Adrien Razafimandimby. Über den Park entscheiden die Dorfbewohner | |
gemeinsam. Sie stimmen ab und wählen jedes Jahr einen Präsidenten, der das | |
letzte Wort hat. Und das funktioniert? Ja, sagt Razafimandimby „Man einigt | |
sich am Ende immer.“ | |
2 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Felix Ehring | |
## TAGS | |
Madagaskar | |
Ökologie | |
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