# taz.de -- Großrazzia in Baden-Württemberg: Polizei entdeckt Punk-Klassiker | |
> Wegen des 31 Jahre alten Songs „Bullenschweine“ der Punk-Band Normahl | |
> startet der Staatsschutz eine Razzia. Der Vorwurf: Gewaltverherrlichung. | |
Bild: Der Staatsschutz interessiert sich für die Texte der Punk-Band Normahl �… | |
WIESBADEN taz | Lange und akribisch muss das sächsische Landeskriminalamt | |
Beweise gesammelt haben, bevor es die Staatsanwaltschaft Stuttgart um | |
Amtshilfe bat. Die plante ihre konzertierte Aktion mit hohem logistischem | |
Aufwand. | |
16 Polizisten waren im Einsatz, als am 31. Januar 2013 der Zugriff | |
erfolgte. Mit jeweils vier Beamten durchsuchte die Polizei, verteilt über | |
das nördliche Baden-Württemberg, gleichzeitig Wohnungen in Heidenheim, | |
Winnenden, Sulzbach und Plüderhausen. Im Morgengrauen, um sechs Uhr, wurden | |
die Beschuldigten – Mitglieder von Normahl, Deutschlands dienstältester | |
Punkband – und ihre Familien teilweise noch im Schlaf überrascht. | |
Die Beamten hatten es auf den Song „Bullenschweine“ abgesehen, der unter | |
anderem auf der LP „Ein Volk steht hinter uns“ erschien. Vor 31 Jahren. | |
In „Bullenschweine“, einem rührenden Artefakt der kämpferischen | |
Achtzigerjahre, heißt es: „Sie nennen sich Helfer der Nation / Bullen soll | |
man ehren / Ich scheiß auf diese Tradition / Vor Bullen muss ich mich nur | |
wehren / Haut die Bullen platt wie Stullen / Haut ihnen ins Gesicht (…) Bis | |
dass der Schädel bricht“. | |
## Computer und Platten beschlagnahmt | |
Die Polizei beschlagnahmte deshalb nicht nur Computer, sondern schaute sich | |
auch die privaten Plattensammlungen genau an. Fand sie dort Tonträger mit | |
dem Song, wurden die ebenfalls konfisziert. „Die dachten wahrscheinlich, | |
wir hätten einen konspirativen Vertrieb“, sagt Lars Besa, Sänger von | |
Normahl, der taz. Alle Tonträger gebe es regulär „bei Amazon oder im | |
Plattenladen, falls es so was noch gibt“. | |
Tatsächlich sieht die Staatsanwaltschaft noch immer den Tatbestand der | |
Gewaltverherrlichung erfüllt. Laut dem Strafgesetzbuch ist die Verbreitung | |
von Texten verboten, die „grausame oder sonst unmenschliche | |
Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art | |
schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher | |
Gewalttätigkeiten ausdrückt“. | |
Ursprünglich hatten die sächsischen Staatsschützer auch wegen des Liedes | |
„1, 2, 3“ ermittelt, in dem Besa singt: „1, 2, 3, wo bleibt die Polizei? / | |
Fürs Kapital in Wackersdorf wart ihr immer voll präsent / Doch wo seid ihr, | |
wenn in Rostock ein Asylantenheim abbrennt? / 1, 2, 3, so fehlt die | |
Polizei, 1, 2, 3, so stinkt der braune Brei.“ | |
Geschrieben wurde dieser Text 1992 als Reaktion auf die Pogrome von | |
Rostock-Lichtenhagen, er findet sich auf der unter anderem von der Polizei | |
unterstützten Benefiz-CD „Bunt statt braun“ zugunsten der Winnender | |
„Stiftung gegen Gewalt an Schulen“. Die hätte auch beschlagnahmt werden | |
müssen, wäre der Vorwurf gegen „1, 2, 3“ nicht fallen gelassen worden – | |
ebenso wie eine Ermittlung gegen Besa wegen „Aufstachelung zum Rassenhass“. | |
## „Der Kripo war das ein bisschen peinlich“ | |
Der 47-jährige Besa leitet inzwischen hauptberuflich den väterlichen | |
Sanitärbetrieb in Leutenbach bei Winnenden. Über die Polizei vor Ort mag er | |
sich nicht beschweren. Die Computer in seinem Betrieb hat man ihm gelassen. | |
Und: „Den Leuten von der zuständigen Kripo in Waiblingen war das ja ein | |
bisschen peinlich. Die haben uns vorher auf dem kurzen Dienstweg gebeten, | |
mal vorbeizukommen. Sie wollten wissen, ob es die Möglichkeit gäbe für uns, | |
dass wir einen Anwalt einschalten und gegen die ganze Sache Beschwerde | |
einlegen.“ | |
Aber die Staatsanwaltschaft beharrte nach Informationen der Waiblinger | |
Kreiszeitung darauf, dass „Gesichtsschläge bis zum Brechen des Schädels mit | |
ganz erheblichen Schmerzen verbunden sind“. Die Beschwerde wurde abgelehnt | |
und weiter wegen „Bullenschweine“ ermittelt. Es folgte laut Besa „der dic… | |
Hammer mit der Hausdurchsuchung“. | |
Bei der Aufdeckung der NSU-Morde mögen die Behörden mit schlafwandlerischer | |
Sicherheit aneinander vorbei ermittelt haben. Im Fall der Linksterroristen | |
von Normahl funktionierte die länderübergreifende Zusammenarbeit dagegen | |
reibungslos. Und das, obwohl die wackere Polizeidirektion Waiblingen | |
bereits 2011 in einem beschwichtigenden Aktenvermerk ihren Ermittlungsstand | |
in Sachen Normahl darlegte: Es „konnten Informationen über die Band | |
gewonnen werden“, heißt es da. Und zwar „über die Homepage | |
www.wikipedia.de“. | |
7 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Arno Frank | |
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Razzia | |
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