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# taz.de -- Reisen in Südafrika: Fairer Tourismus? Umso besser!
> Südafrika gilt als Vorreiter für die Fair-Trade-Zertifizierung
> touristischer Unternehmen. Eine Reise entlang der Gartenroute.
Bild: Touristischer Höhepunkt: Kapstadt.
Bettina Schmidt fühlt sich sichtlich wohl im Backpack in Kapstadt. Sie hat
sich mit einem Stapel Bücher auf der Terrasse der Unterkunft ausgebreitet
und kommt, wie die meisten Reisenden hier, schnell ins Gespräch. Wir
erfahren, dass Bettina ihre Kindheit in Südafrika verbracht hat. Eine
schwäbische Missionarstochter.
Sie besuche hier ihr ehemaliges Kindermädchen und habe sich lange Jahre
politisch gegen die Apartheid engagiert. Das Backpack sei ein sicherer,
zentraler Ort für eine Alleinreisende. Dass es Fair-Trade-zertifiziert ist,
wusste sie nicht, aber „umso besser“.
Das Backpack im Zentrum von Kapstadt hat Travelleratmosphäre – ohne
Altersdiskriminierung, wie uns die Hospitality-Managerin Eleni Good beim
Sichten unserer Pässe versichert. Sie führt uns in ein schlichtes
Zweibettzimmer. An den Wänden hängen schwarz-weiße Nelson-Mandela-Fotos in
selbst gezimmerten Holzrahmen, als wären wir bei dem Nationalhelden
persönlich zu Hause.
## Anständige Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung
Vom englischen Guardian wurde das Backpack zu einem „der coolsten
Backpackerhotels der Welt“ gewählt. Im Shop an der Rezeption werden Taschen
aus Autoreifen, bunt bemalte Tabletts aus recycelten Blechdosen und selbst
gebastelte Perlenbänder aus den Townships verkauft. An der Bar im Innenhof
steht ein großer Billardtisch, gecoverte Bob-Dylan- und Cat-Stevens-Songs
geben den Trampersound. An kleinen Tischen sitzt die internationale
Weltgemeinschaft, in ihre Laptops vergraben, in der Gemeinschaftsküche
werden Spaghetti gekocht.
Fair Trade, sagt die Hospitality-Managerin Eleni Good, müsste eigentlich
überall selbstverständlich sein: anständige Arbeitsbedingungen, faire
Löhne, Mitbestimmung und nachhaltiges Wirtschaften.
Ist es aber nicht. Vor allem nicht in Dritte-Welt-Ländern und auch nicht in
Südafrika, wo Erste und Dritte Welt aufeinanderprallen. Wo aber seit Ende
der Apartheid das gesellschaftliche Unrechtsbewusstsein wächst. Fair Trade
in Tourism South Africa (FTTSA) ist die erste Initiative, die Unterkünfte,
Ausflüge und Safaris in Südafrika nach den international anerkannten
Kriterien des fairen Handels zertifiziert. Unter der Marke „Fair Trade
Travel“ hat FTTSA in Zusammenarbeit mit europäischen Reiseveranstaltern wie
SKR-Reisen aus Köln die ersten Fair-Trade-Reiseangebote auf den Markt
gebracht. Unterstützt wurde das Projekt von dem Schweizer Arbeitskreis für
Tourismus und Entwicklung und dem Schweizer Staatssekretär für Wirtschaft.
## Aufwendig bürokratisch mit großem Innovationsschub
Fair-Trade-zertifiziert ist auch der südafrikanische Veranstalter Kimba
Tours. Agenturchef Kim Geffen fährt mit uns zu Fair-Trade-Unterkünften
entlang der Gartenroute, der spektakulären Strände, Wälder und Dünen am
Indischen Ozean im Süden Südafrikas.
Und er weiß um die Schwierigkeiten des fairen Handels. „Sogar unser Bus
musste bestimmte Umweltauflagen erfüllen“, sagt er. „Wir mussten extra
einen neuen Bus kaufen.“ Es sei abschreckend aufwendig, bürokratisch und
teuer, sich zertifizieren zu lassen. „Kleinere und mittlere Unternehmen
können oder wollen sich den Aufwand nicht leisten, auch wenn die Kosten
durch Luxusanbieter querfinanziert werden,“ sagt Kim. Ohnehin kämpften
viele schon mit der staatlichen Auflage, dass 70 Prozent ihrer Beschäftigen
farbig oder schwarz sein müssten. Trotz der Probleme: Die Zertifizierung
sei ein wichtiger Lernprozess für nachhaltiges Management in seiner
Agentur.
Das ehemalige Weingut Jan Harmsgat bei den Langeberg-Bergen in der Nähe der
Stadt Swellendam ist eine zertifizierte Unterkunft im oberen Segment. Die
Dörfer der ländlichen Region am Westkap sind beliebte Refugien für
Stadtflüchtlinge. Während wir vorbei an herrlichen Buchten und tristen
Townships von Kapstadt zum Gut Jan Harmsgat fahren, schwärmt Kim Geffen
unaufhörlich von Mc Gregger. Wir bekommen „sein Dorf“ nie zu sehen, aber es
ist längst unser Referenzsystem: die Ruhe, das Licht, das intakte dörfliche
Leben, die archaische Landschaft mit den hochgewachsenen Aloepflanzen. Pure
Idylle, wie Harmsgat. Jim Toto, der schwarze Gärtner, führt uns dort auf
die geräumigen Zimmer in bester Gutsherrenart.
Eigentlich pflanzt Jim Kräuter, Gemüse und Salat für die Küche der Lodge.
Immer unter Aufsicht der resoluten, blonden Managerin Gerda Delange. „Wir
finanzieren die Schulausbildung der Kinder unserer Angestellten. Wir sind
ein große Familie,“ sagt Gerda.
Die Besitzer der Lodge, Xoloni Mkhwanazi und Willi Malherbe, treffen wir
beim Abendessen. „Wir sind Brüder“, sagt der weiße Willi, ehemals Banker,
und klopft seinem Geschäftspartner Xoloni, dem schwarzen Atomphysiker, auf
die Schulter. „Warum Fair Trade?“, fragen wir ihn. „ Das war schon so, als
wir das Gut vor einem Jahr übernahmen.“ Viel Leidenschaft für die Idee
schwingt bei den Geschäftspartnern nicht mit.
## Ein geprüfter Kriterienkatalog
Zu den Kriterien des fairen Handels gehören Arbeitsverträge,
Krankenversicherung, angemessene, existenzsichernde Bezahlung und Förderung
innerhalb des Betriebes. Aber auch innerbetriebliche Mitbestimmung und
nachhaltiges Wirtschaften. Die Betriebe werden von FTTSA alle zwei Jahre
überprüft. Geprüft werden auch Werte wie Achtung vor Kultur, Umwelt und
Menschenrechten.
Was die existenzsichernde Bezahlung des Gärtners von Harmsgat ist, wollte
uns niemand wirklich sagen. Sicher ist, er hat ein festes Haus für seine
Familie in der Umgebung, seine drei Kinder gehen in die Schule, und er
arbeitet seit 15 Jahren hier.
Die Route 62 führt von Swellendam nach Port Elizabeth durch die
ausgetrockneten Täler der Halbwüstenlandschaft Karoo. Wir halten an Ronnies
Sex Shop. Die einzigen Gegenstände, die an Sex erinnern, sind Hunderte BHs
und Höschen, die von der Decke baumeln. Verkauft werden ausschließlich Bier
und Schnaps. „Mädels, legt ab. Jede, die hier einkehrt, hinterlässt was“,
fordert uns der bärtige Barmann, Typ Hells Angel, auf. Er vertritt heute
den Eigentümer Ronnie.
Vor über 20 Jahren kam Ronnie hierher. In dem verfallenen weißen Haus an
der Straße wollte er ein Geschäft mit Lebensmitteln betreiben. „Ronnies
Shop“ schrieb er an die Wand. Seine Freunde pinselten das Wort „Sex“ dazu.
Und seither funktioniert die kleine Bar blendend. Fair ist das jedenfalls
nicht.
Seit 2001 werden touristische Unternehmen in Südafrika
Fair-Trade-zertifiziert, zurzeit sind es 64. Einigen wurde die
Zertifizierung bei erneuter Überprüfung aberkannt. Es müssen mindesten 70
Prozent der insgesamt 25 Kriterien erfüllt werden. Ein Kriterium ist auch
das soziales Engagement des Betriebs.
Hazel Mbanguta führt uns durch die Township Qolweni. Beste Lage mit Blick
auf die Bucht von Plettenberg Bay. Die Bewohner der Township weigern sich,
neue Häuser jenseits des Hügels, wie vom ANC versprochen, zu beziehen. Sie
wollen, dass hier am Hang gebaut wird, wo sonst schon bald die Villen der
Reichen mit Blick auf die Bucht stünden. Der nächste Krieg wird wohl um
gute Lagen geführt.
## Der Kampf um die gute Lage
„Wir werden hier bleiben. Sie sollen hier bauen“, sagt Hazel, die mit ihren
zwei kleinen Mädchen in Qolweni wohnt. Sie zeigt den Besuchern die Schule,
die Bar, die einzige Wasch- und Wasserstelle und den kleinen
Township-Laden. Sie scheucht aufdringliche Jugendliche weg und fordert die
Touristen auf, einigen jungen Männern ein Bier zu spendieren. Zum Abschied
singt sie mit tiefer, voluminöser Stimme ein Xlosa-Lied. Eigentlich möchte
die 25-jährige, alleinerziehende Mutter Sängerin werden. Wir schlagen ihr
ein Video auf YouTube vor.
Die Firma Ocean Blue, die Bootsfahrten zu Delfinen und Walen organisiert,
unterstützt die Township Qolweni. 12 der Mitarbeiter kommen von dort, unter
ihnen Hazel. „Die Arbeitslosigkeit in der Township liegt bei 40 Prozent.
Die Armen sind die Schwarzen,“ sagt Natascha Lillford, die
Geschaftsführerin von Ocean Blue, die mit ihren langen, schwarzen Haaren
und der schneeweißen Haut wie Schneewittchen aussieht. Ocean Blue
finanziert die Grundschule mit neun Lehrern für 250 Kinder in Qolweni.
„Nach der Ungerechtigkeit der Apartheid wollen wir helfen, was Neues,
Gerechteres aufzubauen“, sagt Lillford.
In der im Wald gelegenen zertifizierten Lodge Hog Hollow bei Plettenberg
Bay schaut schon mal ein Pavian vorbei. Zu unserem stilvollen Holzhaus mit
Terrasse führt uns Lundi. Der Schwarze ist Rezeptionist, Kellner, manchmal
Geschäftsführer. Seit 15 Jahren arbeitet er hier. „Wir, das Personal,
entscheiden sehr viel selber. Dadurch macht die Arbeit mehr Spaß“, sagt er.
Die Fair-Trade-Zertifizierung erfolgt unter hauptsächlich sozialen
Aspekten. Ökologische Kriterien spielen eher am Rande eine Rolle, auch wenn
sie im Kriterienkatalog aufgeführt sind. In Südafrika ist die Kluft
zwischen reichen Weißen und armen Schwarzen besonders tief. Vor allem in
der Kapregion. Doch auch das politische Bewusstsein für die Benachteiligung
ist mittlerweile stark ausgeprägt. Allerdings: „Die Gewerkschaft“, sagt
unser Begleiter Kim, „sieht die Fair-Trade-Initiative durchaus kritisch.“
Sie kämpfe für gesellschaftlich allgemeingültige Standards. Die freiwillige
Selbstverpflichtung einiger Unternehmen unter dem Label Fair Trade sei ihr
suspekt, auch wenn sie explizit die Benachteiligten stärke. Man könnte es
auch als paternalistisches Zugeständnis einiger vermögender Weißen sehen.
## Die Wiederansiedlung der Big Five auf Farmland
„Als sich meine Leute gewerkschaftlich organisieren wollten, habe ich ihnen
gesagt, das können sie, aber dann brauchen sie auch nicht wiederzukommen“,
erzählt der knorrige William Fowlds nach dem dritten Whisky. Warum haben er
und seine Mitstreiter von der Amakhala Lodge sich Fair-Trade-zertifizieren
lassen? „Ich habe die Leute immer gleichbehandelt. Die Zertifizierung hat
hier nichts geändert. Und die Leute arbeiten seit Generationen bei uns“,
sagt er. Onkel Bill, wie er von allen genannt wird, ist ein zupackendes
Alphatier, ein südafrikanischer Clint Eastwood, ein Haudegen
Als in den neunziger Jahren die Preise für Wolle, Fleisch und Milch sanken,
überzeugte er vier seiner Farmernachbarn davon, ihre Ländereien
zusammenzulegen und aus Ackerland ein Naturreservat zu machen.
Selbstverständlich mit den Big Five. Seiher streifen Löwen, Leoparden,
Büffel, Nashörner und Elefanten durch das ehemals kultivierte Land fünfzig
Kilometer von Port Elisabeth entfernt. Die Farmarbeiter wurden umgeschult
zu Wildhütern und Hotelangestellten. Das Großwildreservat Amakhala mit den
unterschiedlichen Lodges in Familienhand ist ökologisch herausragend. Der
Tourismus hat den ehemaligen Farmern das ökonomische Überleben gesichert,
auch ihren Beschäftigten.
„Fair Trade“ ist ein Qualitätssiegel für das gute Produkt. Und hat seinen
Preis. Die argentinische Bilderbuchfamilie am Nebentisch in der Amakalah
Lodge – Vater Mutter, Junge, Mädchen, alle hübsch – sind zum Tieregucken
hier. Von Fair Trade haben sie noch nie gehört. „Oh, gut“, sagt der Vater,
Manager einer Fluglinie. „So hat man nicht immer das Gefühl ein
privilegierter Weißer zu sein, sondern kann den Leuten auf Augenhöhe
begegnen.“
2 Mar 2013
## AUTOREN
Edith Kresta
Edith Kresta
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Südafrika
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