# taz.de -- Call A Reporter: Karstens Geschäft | |
> Er steht vor einem Supermarkt in Prenzlauer Berg und wartet auf Leergut. | |
> Aus dem Alltag eines Flaschensammlers. | |
Bild: Installationen wie diese hier in Nürnberg sollen es den Flaschensammlern… | |
Karsten steht vor der Leergutannahme und wartet – darauf, dass ihm die | |
Leute ihre Pfandflaschen schenken, statt sie im Automaten zu entsorgen. | |
„Warum anstehen? Pfandgut hier reinlegen“, steht auf dem Schild an seinem | |
Fahrradanhänger. Karsten, 51, ist Flaschensammler und verbringt drei Tage | |
die Woche vor dem Kaiser’s in der Winsstraße in Prenzlauer Berg. Eine | |
Anwohnerin hatte uns auf seine dezente Sammeltechnik aufmerksam gemacht. | |
Leergut zu sammeln sei ein hartes Geschäft in Berlin, sagt Karsten. „Vorher | |
war ich am Olympiastadion tätig, da klauten sich die Sammler gegenseitig | |
die Flaschen aus den Kisten.“ Deshalb beschloss Karsten, fortan in seinem | |
Kiez zu arbeiten: „Hier gibt es weniger Konkurrenz.“ Kürzlich hätten ihm | |
zwar einige Roma seinen Platz streitig machen wollen, aber man habe sich | |
geeinigt. „Die sind jetzt auf der anderen Seite vom Kaiser’s.“ | |
Seit seiner Kindheit lebt Karsten in Prenzlauer Berg. Als kleiner Junge | |
wurde er von einem Diplomatenauto angefahren und hat sich dabei an der | |
Wirbelsäule verletzt. Die Rückenschmerzen machten ihm noch während seiner | |
Ausbildung zum Drucker beim Neuen Deutschland zu schaffen. Kurz bevor die | |
Mauer fiel, fand man in seinem Hirn einen Tumor. Das warf Karsten komplett | |
aus seinem bisherigen Leben: Mit 26 Jahren ging er in Frührente. | |
Seitdem schlägt er sich mit Improvisation durch. Neulich habe ihm ein | |
Ehepaar außer Pfandgut auch Turnschuhe geschenkt: „Nagelneu! Die rochen | |
noch nach Leder.“ Es leben jetzt viele wohlhabende Menschen in Prenzlauer | |
Berg, sagt Karsten. Und manche seien durchaus großzügig. Immer wieder | |
nicken ihm die Passanten freundlich zu. Einige kennen Karsten noch von | |
früher: „Da habe ich oft meine Mutter mit dem Rollstuhl durch die Gegend | |
geschoben.“ | |
Die neuen Schuhe hat Karsten heute zu Hause gelassen, stattdessen trägt er | |
den Fanschal der Eisbären Berlin. Nachher will er noch zur O2-Arena, wo ein | |
Heimspiel der Mannschaft stattfindet. Dort putzt er an einem Stand und wird | |
in Bratwurst entlohnt. | |
## | |
8 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Joanna Itzek | |
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