# taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Nackt und willig | |
> Wer im Netz die Hand aufhält, muss irgendwas zurückgeben. Zum Beispiel | |
> ein Stück von sich selbst. | |
Bild: Nehmen und geben. Geben und nehmen. | |
Spenden von 2,5 Millionen Dollar an einem Tag einsammeln – das ist schon | |
ziemlich beeindruckend. Besonders, wenn es um eine Film-Adaption einer | |
US-Serie geht, die schon seit fünf Jahren nicht mehr läuft. Die | |
Teenie-Ermittlerserie „Veronica Mars“ ist das neueste Superlativ-Beispiel | |
für eine [1][supererfolgreiche Kickstarter-Kampagne:] Noch nie ist eine | |
Million schneller zusammengekommen. Mal wieder genug Fans, die Geld dafür | |
ausgeben, ein Produkt zu bekommen, dem die Kulturindustrie keine Chance | |
gibt. | |
Noch nie von „Veronica Mars“ gehört? In den USA war die Serie ein | |
Kritiker-Liebling – und lief bis 2007 mit einer soliden Fan-Base, die | |
offenbar ein gutes Langzeitgedächtnis hat. Und die sich nicht einmal davon | |
hat abschrecken lassen, dass sie aus eigener Tasche ein Projekt | |
mitfinanziert, das von dem Filmgiganten Warner Bros. fertiggebacken wird – | |
wenn denn erst mal genug Fan-Anschubfinanzierung da ist. | |
Toll und wild und romantisch sind all diese Crowdfunding-Geschichten der | |
letzten Zeit ja irgendwie. Kickstarter ist so etwas wie eine | |
Vorbestellungsplattform für visionäre Nischenprodukte geworden: Eine | |
Smartwatch? Eine Open-Source-Spielekonsole? Neues Album und Tour von | |
Musikerin Amanda Palmer? [2][Geht alles, wenn genug Leute zusamenkommen.] | |
Das ist irgendwie nicht weniger als eine industrielle Revolution. Nur eben | |
eine kulturindustrielle: souveräne Künstler, souveräne Konsumenten. | |
Nachfrager, die das Angebot bestimmen. Yay. | |
Wenn es funktioniert. Denn die Hälfte aller Crowdfunding-Projekte scheitert | |
daran, dass kein Mensch die Newcomer kennt, die da die Hand aufhalten. Oder | |
daran, dass die Künstler keine Lust auf Bonding mit den Fans haben. So wie | |
die Sängerin Björk. | |
## Garstige Marktverwertungsmechanismen und so | |
Palmer dagegen geht in den Fan-Vollkontakt: teilt nicht nur ihr Schaffen | |
und Privatleben über soziale Netzwerke, sondern lässt sich auch mal spontan | |
von einer Meute nackt mit Edding anmalen. Wie viel man der Öffentlichkeit | |
von sich preisgeben will, als Gegenleistung für finanzielle Unterstützung | |
im Netz, muss jeder selbst entscheiden. Klar ist aber: Je schlechter | |
Preisschilder im Netz funktionieren, umso freier kreative Produkte | |
zugänglich werden, desto wichtiger ist es, den Konsumenten so für sich | |
einzunehmen, dass er freiwillig gibt. Deshalb erfinden sich die neu, die | |
sich – zumindest als Kunstfigur – der Masse öffnen, um deren Geldbörsen zu | |
öffnen. Und zwar als Marke. | |
Ja, richtig verstanden. Gilt auch für Journalismus. | |
Wüsste ich nicht selbst, dass marktschreierische Selbstdarstellung auch was | |
Ekliges hat, würde wahrscheinlich die auf meinen Namen registrierte | |
Homepage nicht seit zwei Jahren brachliegen. | |
Trotzdem ist es doch so: Je schwächer kulturelle Dachmarken werden – | |
Verlage, Labels oder Filmstudios –, desto besser ist man beraten, sich auch | |
mal anzupreisen. Man muss sich ja nicht gleich ausziehen. | |
Kann man blöd finden. Garstige Marktverwertungsmechanismen und so. Kann man | |
ja auch lassen. Und drauf hoffen, dass auch übermorgen noch irgendjemand da | |
sein wird, der einem Geld für das gibt, was man gerne tun möchte. | |
15 Mar 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.kickstarter.com/projects/559914737/the-veronica-mars-movie-proje… | |
[2] /Schwerpunkt-Freiwilliges-Bezahlen/!t15/ | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
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