| # taz.de -- Die Wahrheit: Ein käsiger Skandal | |
| > Ein dringend notwendiges allerletztes Schlusswort zum Fall | |
| > Riemann/Baumgarten und ähnlichen Reissäcken im Blätterwald. | |
| Bild: Zu Katja Riemann ist eigentlich alles gesagt. Eigentlich. | |
| Es ist ein Riesenrauschen im Blätterwald. Alle Welt streitet sich darum, ob | |
| der Moderator einer nichtigen Quatschrunde im dritten, siebten oder neunten | |
| Programm ein „übergriffiges Dreckschwein“ (SZ, sinngemäß) oder doch eher | |
| die von ihm interviewte Schauspielerin eine „selten dumme Sau“ (Facebook, | |
| sinngemäß) ist. Da fragt man sich schon, ob nichts Wichtigeres passiert? | |
| Damit meine ich nicht das Gemetzel, das der syrische Diktator unter seinem | |
| Volk oder das irakische Volk unter sich selbst anrichtet. Ich meine auch | |
| nicht das von der Bundesregierung geführte Management der Zypernkrise, die | |
| in mir die Hoffnung nährt, als Deutscher erstmals seit den fünfziger Jahren | |
| im europäischen Ausland wieder angespuckt und mit Steinen beworfen zu | |
| werden. Und zwar zu Recht. Nein, an solcherlei Pipifax denke ich gar nicht. | |
| Sondern eher an Vergleichbares in Riemann-Dimensionen. | |
| So soll in der nordchinesischen Provinz Feng Xiang vor einem Reisladen ein | |
| Fahrrad umgefallen sein. Einfach so. Trotzdem wird seither in den deutschen | |
| Medien vehement über die Schuldfrage gestritten. Christine Adelhardt, | |
| ARD-Korrespondentin in Peking: „Von einem Moment auf den anderen lag es | |
| einfach da. Bumms! Aufgrund des Fehlens jedweden Motivs können es im Grunde | |
| nur Außerirdische gewesen sein.“ Und die FAZ macht auf: „Der | |
| innerchinesische Kulturkampf in einer neuen Stufe der Eskalation.“ | |
| Übertönt wird das fatale Ereignis noch von der sensationellen Meldung, dass | |
| im ostsaarländischen Brunzweiler ein Käsebrot schief belegt und trotzdem | |
| angebissen wurde. Auf Seite drei verreißt die Süddeutsche Zeitung unter der | |
| Überschrift „Verfall der Sitten“ den Käsebrotesser gnadenlos, vergleicht | |
| ihn mit Hitler und Stalin und stellt im Resümee die Frage nach dem Sinn des | |
| Lebens: „Wer in eine solche Welt hinein noch bedenkenlos Kinder setzt, ist | |
| schlicht ein unglaubliches Schwein. Punkt, fertig, aus, Komma.“ | |
| Das polarisiert. In zahllosen Onlinekommentaren ergreifen die Leser zu | |
| gleichen Teilen massiv Partei für entweder das Käsebrot oder dessen | |
| Hersteller. Exemplarisch sei hier nur der Post des Users „Zorro71“ zitiert: | |
| „Wie kann ein Käsebrot, das so aussieht, es überhaupt wagen, sich Käsebrot | |
| zu nennen? Was ist das für eine Anmaßung? Mit welcher Chuzpe drittklassige | |
| Käsebrote heute wie selbstverständlich in der Öffentlichkeit auftreten, | |
| sagt einiges, wenn nicht alles über den Zustand unserer Gesellschaft aus. | |
| Ein ’Journalist‘, der angeblich nicht merkt, dass er sich hier zum | |
| afterwilligen Vasallen eines misslungenen Pausenbrots macht, ist entweder | |
| ein korrumpierter Scharlatan oder ein grauenhafter Dummkopf. Pfui Teufel, | |
| SZ – setzen, Sechs!“ Wegen einer Bombendrohung musste das Verlagsgebäude | |
| der Süddeutschen geräumt werden. | |
| Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner wiederum schreibt: „Liebes Käsebrot. Du | |
| bist gelb. Gelb vor Neid, wie die Gutmenschen, die auch gerne mal | |
| vergewaltigen würden. Wie jeder normale deutsche Junge. Du bist schief | |
| belegt. So wie diese Political-Correctness-Menschen schief gewickelt sind. | |
| Stell dir vor, Käsebrot: Es ist Krieg. Herrlich betrunkene Männer stehen in | |
| den Aufzügen und fahren lustig rauf und runter. Weil sie es wollen. Stell | |
| dir das mal vor, liebes Käsebrot. Herzlichst F. J. Wagner.“ | |
| Daraufhin erzittert Deutschland unter den größten Studentenunruhen seit | |
| 1918. Das Berliner Axel-Springer-Hochhaus in der um die Ecke verlängerten | |
| Rudi-Dutschke-Straße geht in Flammen auf. Gotteshäuser sämtlicher | |
| Religionen werden geschleift und nur die Synagoge in der Oranienburger | |
| bleibt verschont: Ein mutiger Sicherheitsmann stellt sich mit seiner | |
| Maschinenpistole schützend davor, weil er sie für eine Aldi-Filiale hält. | |
| Die Krawalle greifen auf Nachbarländer und -kontinente über, die sich in | |
| der Folge selbst auflösen. Die Menschen ziehen sich in die Wälder zurück, | |
| viele begehen zuvor Selbstmord. | |
| Nur Katja Riemann räumt ihre Garage auf, doch es gibt keine Medien mehr, | |
| die davon noch berichten könnten. | |
| 25 Mar 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Uli Hannemann | |
| ## TAGS | |
| Skandal | |
| Fernsehfilm | |
| Brille | |
| Zypern | |
| Kolumbien | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Steuerbetrug-Thriller in der ARD: Die Möglichkeit einer Perücke | |
| Als „Die Fahnderin“ ist Katja Riemann auf der Jagd nach einem | |
| Steuerbetrüger. Von ihren Vorgesetzten wird sie dabei im Stich gelassen, | |
| vom Drehbuch auch. | |
| Die Wahrheit: Brillenzwang | |
| Sexismus ist ja längst nicht die einzige Form der Demütigung. Es geht | |
| nämlich auch viel subtiler und alltäglicher, Beispiel Fielmann. | |
| Krise in Zypern: Ein zahlender Kunde pro Woche | |
| Seit fast zwei Wochen sind die Banken jetzt geschlossen. Noch wirkt das | |
| Leben alltäglich. Doch der Schein trügt, denn die Wirtschaft erlahmt. | |
| Die Wahrheit: Auf Geisels Schneide | |
| Deutsche Rentner werden von kolumbianischen Guerilleros entführt und rächen | |
| sich, indem sie ihren Kidnappern monatelang auf die Nerven gehen. | |
| Die Wahrheit: Brust oder Keule | |
| Stadionsicherheit, Kameras, Sammeldateien – Fußball bringt's nicht mehr. | |
| Hooligans entdecken neue Wirkungskreise. | |
| Die Wahrheit: Kuscheln mit Puhdy | |
| Bekenntnisse eines Pudelisten: Die Liebe in Zeiten des Leinenzwangs. |