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# taz.de -- Leben als Single: Die Kosten der Liebe
> Single-Urlaub, Single-Onlineportal, Single-Kochkurs: Die ernsthafte
> Partnersuche kann teuer werden. Wer verdient an ihr? Ein Selbstversuch.
Bild: Liebe aus der Tube: Schön wär's, wenn's so einfach wär.
Der Tag, an dem ich beschloss, etwas anders zu machen, war ein Sonntag. Was
sonst. Sonntage sind ziemlich beschissene Tage, wenn man allein ist,
zumindest manchmal. Die Freunde entweder mit dem oder der Liebsten im Bett,
auf dem Sofa, im Park. Kinderzeit bei denen, die welche haben. Das
Frühstück alleine im Café war da mehr eine Beschäftigungstherapie und zu
Hause kam die Decke meinem Kopf gefährlich nahe.
Wenige Wochen später sitze ich dann in diesem Single-Club, in meinem
Single-Bikini, auf meiner Single-Sonnenliege. Spanien, es ist Anfang März
und 22 Grad warm, der Wind bläst den Geruch von salzigem Meerwasser und
Sonnencreme über die Wiese und ich schaue mich um. Die Frau im Reisebüro
hatte gesagt, sie kenne da diesen tollen Robinson Club auf Fuerteventura.
Toller Strand, tolle Anlage. Und: speziell für Singles. Ich hatte gesagt:
wunderbar.
Ich schaue also. Links von mir cremt ein junger Typ mit Tattoos seiner
Freundin die Schultern ein. Im Pool, direkt vor mir, plantschen Schatzi und
Süße, mehr als die Kosenamen verstehe ich nicht. Singles hier im Garten?
Nicht zu sehen.
Ähnliches beim Tennis-Kennenlern-Turnier, gemischte Doppel mit
Partnertausch. Ist ja ein Club, Bespaßung 24/7 für die, die wollen. Ich bin
die Jüngste, mein Spielpartner heißt Michael und nennt mich Schätzchen. Er
ist Mitte vierzig und sagt, ich hätte einen super Aufschlag. Wir verlieren
trotz meines super Aufschlags, und ich frage ihn, ob er mit mir auf die
Niederlage anstoßen will. Er schüttelt den Kopf und zeigt zum Zaun. Eine
blonde Frau winkt ihm zu. „Katja“, sagt Michael. „Deine Freundin“, erg�…
ich. Er nickt, ich nicke – und gehe.
Die Clubleitung sagt mir, ich sei zur falschen Zeit da. Ein paar Wochen
später, im April oder Mai, gebe es mehr Flirtangebote. Tanzkurse, Ausflüge.
So Sachen eben.
## Single-Hochburg Berlin
Es ist ganz schön schwer, einen Menschen zu finden, der passt. Am besten
für ein Leben. Einen, der nach einer Weile nicht feststellt, dass er doch
auf Männer steht (mein erster Freund Andi). Einen, der mehr ist als der
beste Kumpel (Thorsten, inzwischen verheiratet und Vater). Einen, der nicht
schon eine Ehefrau hat, zu der er nach langem Hin und Her zurückkehrt
(Wolfgang). Einen, der mehr ist als eine Affäre (Namen bleiben geheim, sind
ja Affären).
Ich lebe in der Single-Hochburg schlechthin, in Berlin. Ungefähr 270.000
Menschen ohne festen Partner gibt es hier zwischen 30 und 45 Jahren, heißt
es beim Statistischen Landesamt. Das ist etwa jeder Dreizehnte, in meinem
Haus sind das mindestens drei. Trotzdem ist mir weder im Flur noch in der
Straßenbahn, nicht im Büro und auch nicht in der Bar nebenan jemand über
den Weg gelaufen, der sich dauerhaft in meinem Leben breitgemacht hätte.
Also lasse ich mir helfen. Von Agenturen, Single-Börsen und
Reiseveranstaltern.
„Singles sind eine ökonomische Zielgruppe“, sagt die Psychologin Sonja
Deml, die für ihre Doktorarbeit über Singles als Vereinsamte oder
Hedonisten geforscht hat. „Es existieren viele Angebote – und es werden
mehr, die Wirtschaft passt sich an.“ Es gibt CDs mit Hintergrundgeräuschen
für alle, die nicht allein in der Wohnung sein wollen. Geschirrklappern,
Schritte auf dem Parkett, das Wasserplätschern der Dusche. Oder einen Mann
zum Aufblasen, der mit den Attributen „Macht keinen Dreck, schaut nie
Fußball und hält die Klappe“ beworben wird. Wohl eher für die Kategorie
„Günstige Gags zum Dreißigsten“.
Davon abgesehen kann die ernsthafte Suche ziemlich teuer werden. Die vier
Tage auf Fuerteventura kosten rund 1.500 Euro. Und dabei bleibt es nicht.
## Der Kochkurs fällt aus
Ich melde mich bei einem Kochkurs an. Vier Frauen, vier Männer, vier Gänge.
Kochlöffel und Schürzen inklusive. Die Idee ist offenbar, sich beim
Zwiebelschneiden in verheulte Augen zu schauen. Das Ganze für 72 Euro,
Anreise nicht inbegriffen. Doch der Abend mit Namen „2gether“ wird
abgesagt. Zweimal hintereinander, in zwei verschiedenen Städten. Es haben
sich zu wenig Leute angemeldet, zu wenig Männer, um genau zu sein, sagt die
Frau am Telefon.
Das Männerproblem bestätigen viele Anbieter. Weil Frauen mutiger sind?
Manfred Hassebrauck, Paarforscher und Professor für Sozialpsychologie in
Wuppertal, sagt Nein. „Frauen und Männer suchen gleich intensiv – nur
vielleicht falsch.“ Falsch? Jetzt liegt es also an mir?
„Ich glaube daran“, sagt Hassebrauck, er hat den Matching-Algorithmus für
die Online-Partnerbörse [1][4444/http://friendscout24:friendscout24]
entwickelt, „dass Angebote, die darauf achten, dass Menschen
zusammentreffen, die auch wirklich zusammenpassen, viel Erfolg haben
können.“ Quasi eine moderne Form der arrangierten Ehe.
Von arrangierter Ehe ist im Single-Club oder beim Single-Kochen wenig zu
merken. Ob Menschen im gleichen Alter, mit den gleichen Weltanschauungen
und Wünschen aufeinandertreffen oder nicht, ist den Anbietern egal.
Geldmache ohne System.
Also doch Online-Dating, diese Katalogsuche im Netz? Partnerbörsen wie
Parship oder ElitePartner, die mit Matching-Punkten arbeiten, behaupten, 80
Prozent der Kunden würden jemanden finden. Bei ElitePartner sind über vier
Millionen Singles angemeldet – und zahlen jeweils mindestens 24,90 Euro im
Monat dafür. Wenn sie gleich für zwei Jahre Mitglied werden. Ich probiere
es trotzdem, Schnuppermitgliedschaft für drei Monate für 69,90 Euro.
Monatlich, wohlgemerkt.
## Es fehlt das Überraschende
Ich fülle einen langen Fragebogen aus: Was genau suche ich, wer genau bin
ich, wie genau ticke ich? Daraus wird ein psychologisches Profil erstellt,
das die Website mit allen anderen Mitgliedern abgleicht und mir Vorschläge
von Männern macht, die zu mir passen könnten. Je größer die Punktzahl,
desto besser.
Mit Frank (89 Matching-Punkte), den ich ein paar Tage später anschreibe,
treffe ich mich recht schnell. Er lebt in Berlin (Pluspunkt), hat keine
Exfrau (sehr gut) und klingt in erster Linie: nett. Mehr will ich gar
nicht. Leider ist er nicht 1,80 Meter, wie im Profil angegeben, sondern
reicht mir nur bis zum Haaransatz, er hat auch keine Manieren und damit
verloren.
Es gibt noch Benjamin (den ich gut finde, der sich nach dem ersten Treffen
aber nicht mehr meldet), Matthias (sehr schöner Abend, dann ein
Frühstückstreffen, am Ende bleibt es aber dabei) und Severin (irgendwie
nicht). Dazu das allabendliche Blättern durch den Männerkatalog als
Freizeitbeschäftigung. So, als würde man sich ein Auto aussuchen, das man
nach bestimmten Kriterien (neu oder gebraucht, groß oder klein, mit Extras
oder ohne) auswählt. Mir fehlen die Romantik, das Überraschende, die
Leichtigkeit. Ich gebe auf.
Am Ende profitieren andere von meiner Suche nach einem Mann, der in mein
Leben passt und den ich da auch haben will. Ich beschließe, mein Geld
künftig lieber in Cafébesuche und Kneipenabende zu stecken. Und bitte:
Kommt nicht auf die Idee, mir diese CD mit den Hintergrundgeräuschen zum
Geburtstag zu schenken.
***
Die Kosten für den Aufenthalt im Single-Club wurden vom Robinson Club
Jandia Playa auf Fuerteventura übernommen. Die Mitgliedschaft bei
ElitePartner stellte das Portal zur Verfügung.
6 Apr 2013
## LINKS
[1] https://spambuster.taz.de
## AUTOREN
Steffi Dobmeier
Steffi Dobmeier
## TAGS
Liebe
Beziehung
Singles
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