# taz.de -- Brian de Palmas Film „Passion“: Kleine Hölle Sony Center | |
> Brian de Palmas neuer Film „Passion“ wäre gern ein erotischer Thriller. | |
> Aber die Femmes fatales gehen lieber Designerschuhe kaufen. | |
Bild: Christine (rachel McAdms) und Isabelle (Noomi Rapace). | |
Die neue Mitte Berlins besteht zu großen Teilen aus Fassadenarchitektur. | |
Die Gebäude am Potsdamer Platz, in der Friedrichstraße, am Leipziger oder | |
am Pariser Platz haben ein austauschbares, oft für einen ganzen Block | |
konzipiertes Inneres. | |
Damit sich die einzelnen Häuser voneinander unterscheiden, sind mal mehr, | |
mal weniger historisierende Fassaden vor den Betonkern gehängt, was zur | |
Zeit der Fertigstellung den Anschein von Wohlstand und Vorzeigbarkeit zu | |
erwecken versprach, von heute aus betrachtet aber ziemlich stupide wirkt. | |
Inmitten dieses Einerleis wirken die Glasflächen des Sony Centers bereits | |
wie ein architektonischer Geistesblitz, aber auch das täuscht, denn das | |
Glas, die Piazza mit ihrem Brunnen, das Zeltdach, das Legomuseum und die | |
Displays sind nur andere Spielarten der gleichen ästhetischen Tristesse. | |
Die meisten Szenen von Brian de Palmas neuem Film „Passion“, einer | |
deutsch-französischen Koproduktion, sind in dieser Gegend angesiedelt, im | |
Sony Center zum Beispiel oder im Foyer des Ritz Carlton, und selbst wenn | |
die Filmfiguren zum Meeting nach London reisen, bleibt die Filmcrew in | |
Berlin. Eine rote Telefonzelle vor einem Sternerestaurant in der | |
Wilhelmstraße muss dann reichen, damit man sich in der britischen | |
Hauptstadt glaubt. | |
## Zickenkrieg bis zum Wahnsinn | |
„Passion“ dreht sich um Ränkespiele innerhalb eines international | |
operierenden Werbeunternehmens; die leitende Angestellte Christine (Rachel | |
McAdams) beutet die Ideen ihrer Mitarbeiterin Isabelle (Noomi Rapace) | |
schamlos aus, während sie zugleich mit ihr flirtet. Isabelle wehrt sich, | |
und so beginnt ein Kräftemessen, für das Zickenkrieg gar kein Ausdruck ist. | |
Quotengegner hätten ihre helle Freude an dem Film. Bis sich der alberne | |
Plot endlich dem Wahnsinn öffnet, verstreichen 87 von 97 Minuten. | |
„Passion“ versteht sich als erotischer Thriller, doch was den einst | |
ausmachte, kommt hier nur in der Schwundstufe vor. Was zum Beispiel sind | |
das bloß für Femmes fatales, denen nichts Verwegenes mehr zu eigen ist? | |
Alles, was sie auszeichnet, ist eine Nachttischschublade voller | |
Sexspielzeug und ein an „Sex and the City“ geschulter Hunger nach | |
Designerschuhen. | |
Wäre man wohlwollend, man könnte argumentieren, de Palmas Film verwandele | |
sich der bieder-neureichen Welt an, in der er spielt, und entstelle sie | |
dabei zur Kenntlichkeit. Weniger wohlwollend lässt sich dagegenhalten: Der | |
Film führt den stumpfen Look des Neoliberalismus ungebrochen fort. | |
Mit dem Bauprinzip der vorgehängten Fassade ist er gut beschrieben. Vor | |
austauschbaren Plotelementen hängt der Name eines Regisseurs, der in der | |
Vergangenheit mal groß war. | |
## „Passion“. Regie: Brian de Palma. Mit Noomi Rapace, Rachel McAdams u. a. | |
Frankreich/Deutschland 2012, 97 Min. | |
30 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Cristina Nord | |
## TAGS | |
Scientology | |
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