# taz.de -- 1. Mai weltweit: Picknick statt Kundgebung | |
> Zum 1. Mai gingen früher weltweit viele Millionen auf die Straße. Heute | |
> hat der Tag vielerorts seine Brisanz verloren – aber durchaus nicht | |
> überall. | |
Bild: In Moskau war deutlich mehr los als auf diesem Bild zu sehen – anderswo… | |
MOSKAU/ISTANBUL dpa | Die traditionellen Kundgebungen und Demonstrationen | |
zum Tag der Arbeit am 1. Mai verlieren weltweit an Resonanz. | |
Großdemonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmern wurden allerdings aus | |
Moskau, St. Petersburg und anderen russischen Städten gemeldet. Auch in den | |
Euro-Krisenländern gingen wieder viele Tausende auf die Straßen. Von | |
Portugal über Spanien bis Italien standen die Kundgebungen ganz im Zeichen | |
der Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise. In Istanbul kam es zu | |
Straßenschlachten mit zahlreichen Verletzten. | |
In Moskau nahmen Zehntausende an einer Großdemonstration teil, die von der | |
kremltreuen Gesamtrussischen Volksfront unterstützt wurde. Unter dem Motto | |
„Für Gerechtigkeit“ marschierten sie durch das Zentrum der russischen | |
Hauptstadt. Bei einer Kundgebung mit Kommunistenführer Gennadi Sjuganow | |
hieß es auf Plakaten: „Die Ideen von Marx, Engels, Lenin und Stalin leben | |
und werden siegen“. In St. Petersburg beteiligten sich 200.000 Menschen an | |
einer Kundgebung. | |
In Spanien protestierten Zehntausende auf Kundgebungen im ganzen Land gegen | |
die Sparpolitik der Regierung. Die Gewerkschaften sprachen von einem | |
„nationalen Notstand“ und forderten die konservative Regierung von | |
Ministerpräsident Mariano Rajoy auf, der Schaffung von Arbeitsplätzen | |
höchste Priorität zu geben. In Madrid beteiligten sich nach Angaben der | |
Gewerkschaften 40.000 Menschen an der Kundgebung. | |
## Kritik an französischer Regierung | |
Die gespaltenen französischen Gewerkschaften nutzten den 1. Mai zur Kritik | |
an der sozialistischen Regierung. „Nein zur Sparpolitik – ob von rechts | |
oder von links“ lautete das Motto einer Demonstration in Marseille mit | |
mehreren Tausend Teilnehmern. Die rechtsradikale Nationale Front | |
organisierte wie üblich in Paris eine eigene Kundgebung. Ihre Anhänger | |
skandierten: „Frankreich versinkt in der Düsternis Europas.“ | |
Auch in Portugal prangerte der größte Gewerkschaftsdachverband CGTP die | |
Sparpolitik der Regierung an und rief unter dem Motto „Gegen die Verarmung, | |
für ein besseres Leben: Eine neue Politik und eine neue Regierung“ zu | |
Protesten in mehr als 40 Städten auf. | |
In Zürich versammelten sich rund 13.000 Anhänger linker Gruppen und | |
Gewerkschaften zur traditionellen Demonstration am 1. Mai. Auf | |
Transparenten waren Forderungen wie „faire Löhne und bessere Renten“ oder | |
„Abzocker stoppen“ zu lesen. | |
In Italien schlugen die Gewerkschaften bei einer großen nationalen | |
Kundgebung in Perugia Alarm. „Ohne Arbeit stirbt das Land und dieses Land | |
kann nicht sterben“, sagte die Chefin der größten italienischen | |
Gewerkschaft Cgil, Susanna Camusso. Viele Politiker forderten von der neuen | |
Regierung, konsequent gegen die Arbeitslosigkeit vorzugehen. | |
Tausende Menschen versammelten sich in Belgien zu Mai-Kundgebungen. Auch | |
sie kritisierten die Sparpolitik der Regierung, zu geringe Lohnerhöhungen | |
und Kaufkraftverlust. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz schrieb auf | |
Twitter: „1. Mai, Tag der Arbeit. Wir müssen weiter für die Rechte der | |
ArbeiterInnen kämpfen, genau so aber für die Millionen Arbeitslosen in | |
Europa.“ | |
## Wenig Resonanz in früheren Ostblock-Ländern | |
In Ländern des früheren Ostblocks fanden die Mai-Kundgebungen anders als in | |
Russland nur noch wenig Resonanz. Bulgariens Sozialisten nutzten den Tag | |
der Arbeit, um ihre Wähler für die vorgezogene Parlamentswahl am 12. Mai zu | |
mobilisieren. | |
In der kroatischen Hauptstadt Zagreb marschierten geschätzte 15.000 | |
Menschen aus Protest gegen die Sparmaßnahmen der Regierung durch das | |
Zentrum. In Serbien, wo die von der Regierung gelenkten Gewerkschaften kaum | |
eine Rolle spielen, ging praktisch niemand auf die Straße. Keine | |
Kundgebungen auch in Rumänien: Viele Rumänen machten stattdessen Picknick. | |
In Istanbul setzte die Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas ein | |
Demonstrationsverbot für den zentralen Taksim-Platz durch. Dabei wurden | |
mindestens 16 Menschen verletzt, 20 Protestierer in Gewahrsam genommen. Das | |
Verbot wurde mit Sicherheitsbedenken begründet, weil der Platz seit Monaten | |
eine Großbaustelle ist. Vor drei Jahren war den Gewerkschaften erstmals | |
wieder ihr Marsch zum Taksim-Platz erlaubt worden, nachdem es dort 1977 zu | |
schweren Zusammenstößen gekommen war. In den zunehmend islamischer | |
werdenden arabischen Ländern spielt der 1. Mai keine Rolle mehr. | |
1 May 2013 | |
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