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# taz.de -- Wie gefährlich ist Südafrika tatsächlich?: Die Angst im Nacken
> Südafrika gilt als eines der gefährlichsten Länder der Welt. Touristen
> sind jedoch weniger betroffen, gefährlich ist es vor allem für
> Einheimische und Nashörner.
Bild: Am alten Hafen, der restaurierten Waterfront von Kapstadt.
Wie paralysiert standen die drei Gnus und starrten hinüber zu den sieben
Löwinnen, die ihnen in einer breiten Formation entgegentrotteten, vom Hügel
kommend, wo sie den ganzen Tag faul in der Sonne gelegen hatten. Nun waren
sie hungrig, und das wusste auch das Trio. Angesichts der Bedrohung von
vorn vergaß es darauf zu achten, was hinter ihm geschah.
Ein Wildhüter des Schotia Private Game Reserve, unweit von Port Elisabeth
gelegen, machte seine Safarigäste darauf aufmerksam, dass sich im
rückwärtigen Busch eine weitere Löwin anschlich.
Und schon hetzte sie heran. Die Jagd war kurz. Nach nur 30 Metern sprang
die Katze eines der Gnus an. Bald knickten die Knie des Tiers ein, das
Schicksal schien besiegelt. Doch unerwartet eilte Hilfe herbei: Ein
furchtloses Flusspferd stürmte vom nahen See herüber und wollte den Löwen
die Beute entreißen. Ein Versuch des Mundraubs war das nicht, Hippopotamus
frisst kein Fleisch. Es versuchte, das Gnu zu retten.
Ein sensationelles, nicht alltägliches Erlebnis für eine Gruppe Touristen
aus aller Welt. Ein Engländer im Jeep murmelte zwar: „Mir tut es leid um
das Gnu.“ Aber alle würden sie zu Hause eine große Geschichte zu erzählen
haben, die Story ihres ersten „african killing“, wie ein Wildhüter es
nannte.
## 7,5 Millionen Urlauber
Die mehr als 7,5 Millionen Urlauber, die laut Tourismus-Ministerium
zwischen Januar und Oktober 2012 kamen, davon mehr als 200.000 aus
Deutschland, besuchen Südafrika wegen solcher Bilder. Sie wissen: Dieses
Land ist ein gefährliches Land. Für Tiere und Menschen.
Auch die menschlichen Einwohner dieses Landes gelten als gefährlich. Nicht
nur dass rücksichtslose Killer sich dafür hergeben, massenhaft Nashörner zu
töten, weil deren Horn, zu Pulver zermahlen, als Medizin gegen den Krebs
gilt, seit ein hoher vietnamesischer Regierungsbeamter behauptet haben
soll, auf diese Weise geheilt worden zu sein.
Nein, in diesem Land töten Menschen auch Menschen, durchschnittlich 50-mal
pro Tag. 4.000 weiße Farmer starben seit 1994 auf diese Weise. Und jüngst
erschossen Polizisten ihre schwarzen Brüder, die in den Minen und
Bergwerken schuften und fair bezahlt werden möchten.
Gehört und gelesen hat alle Welt auch von Überfällen auf Touristen. Ja, im
Jahr 2002 kam es zu Überfällen in der Provinz Mpumalanga, eine britische
Touristin wurde getötet; 2007 traf es einen österreichischen
Exfußballspieler südlich von Durban. Und dann sorgte Anni Dewani für
Schlagzeilen.
Weshalb sie sterben musste, ist nicht endgültig geklärt. Sie war mit ihrem
Ehemann auf Hochzeitsreise in Kapstadt, und am Abend des 13. November 2010,
es war schon dunkel, traf das Paar eine unglückliche Entscheidung: Sie habe
das „wirkliche Afrika“ sehen wollen, sagte ihr Mann später aus.
## Aus den Wagen geworfen
Später, das war am Tag danach. Mit vorgehaltener Pistole hatten zwei Männer
die beiden in Gugulethu aus dem Taxi gezogen, ihn wenig später in Harare
aus dem Wagen geworfen.
Später, das war eine Weile, nachdem die Polizei Anni Dewani in Khayelitsha
(Lingelethu West) leblos auf dem Rücksitz des Wagens gefunden hatte. Ihr
teurer Schmuck, ihre Handtasche, ihr Blackberry fehlten.
Der Tod von Anni Dewani schien wieder einmal zu bestätigen, dass Südafrika
zu den Ländern gehört, die zu bereisen nur Lebensmüde wagen. Dabei kann
niemand eine verlässliche Zahl nennen, aber Recherchen in Zeitungsarchiven
ergeben nur wenige konkrete Fälle von Morden an Touristen.
Der Münchner Merkur erfand trotzdem 2007 die griffige Überschrift vom „Kap
der Gefahr“. Und die österreichische Zeitung Der Standard nannte Südafrika
vor der Fußballweltmeisterschaft 2010 „das gefährlichste Land der Welt“,
musste dann allerdings melden, „die bei der WM 2006 in Deutschland
dokumentierten Vorfälle – 7.000 Straftaten, 875 verletzte Personen,
darunter 250 Polizisten, und 9.000 polizeiliche Festnahmen – dürfte
Südafrika weit unterboten haben“.
## Sinkende Mordrate
Ja, Südafrika ist ein Land voller Gewalt. Aber die Mordrate sinkt
beständig, von 27.000 im Jahr 1994 auf inzwischen 15.000 im vorigen Jahr.
2.300 davon geschahen in Western Cape, wie eine Fallstudie (Shadow Report
on Safety Information Study) des Department of Community Safety von Western
Cape ermittelte; die Mordrate von 43,5 pro 100.000 Einwohner ist die
zweithöchste im ganzen Land.
Doch Täter und Opfer bewegen sich meist in Kreisen, die ein Tourist nicht
sieht: Fast 60 Prozent der Toten waren Schwarze, fast 40 Prozent Coloureds.
87 Prozent der Toten waren Männer, zwei Drittel davon zwischen 18 und 35
Jahre alt. In mehr als zwei Dritteln der Fälle kannten sich Opfer und
Täter. Die Hälfte der Morde geschah am Wochenende, in der Regel durch
Messerstechereien.
Fast die Hälfte der Morde in der Provinz Westkap, die sich vom Kap der
Guten Hoffnung bis 400 Kilometer nördlich und von Kapstadt bis zur 500
Kilometer entfernten Plettenberg Bay erstreckt, geschahen im Umfeld von 10
der 149 Polizeistationen der ganzen Provinz, allesamt in Townships von
Kapstadt gelegen, darunter Gugulethu, dem Ort, an dem Anni Dewani entführt
wurde.
## Gleich auf mit den Bahamas
Mit 30 Morden pro 100.000 Einwohner liegt Südafrika gleichauf mit Ländern,
die Touristen gern und ohne Sorgen ansteuern: Bahamas (27), Dominikanische
Republik (25), die Amerikanischen Jungferninseln (39,2), wo der Tourismus
mehr als zwei Drittel des BSP schafft, Belize (41), Jamaika (52) sowie
Trinidad und Tobago (35) sind laut Statistik gefährlicher.
Für Südafrika wie für viele andere touristische Reiseziele gilt: Gewalt ist
da zu Hause, wo Touristen üblicherweise nicht hinkommen – und das auch
nicht auf eigene Faust versuchen sollten. Chris de Kock, Leiter des Crime
Information Analysis Centre der südafrikanischen Polizei, schätzt, dass 80
Prozent aller Morde und die Hälfte aller Raubüberfälle in den Townships
geschehen. Ein misslungener Raub führe häufig zum Tod, aber selten träfe
das Touristen.
Also hört der vernünftige Südafrika-Besucher auf den Rat des Auswärtigen
Amts: Er meidet die Innenstädte von Johannesburg, Pretoria, Durban, Port
Elisabeth und Kapstadt nach Einbruch der Dunkelheit und besucht Townships
nur mit ortskundiger Führung. Soweto können Touristen tagsüber per Fahrrad
erkunden, aber sie sollten dazu einen privaten Führer engagieren.
## Freundlich und still
Jenseits der großen Städte ist Südafrika ein fantastisches Land mit
fantastischen Menschen. Der Schweizer Joseph Hess lebt seit 39 Jahren in
Südafrika. Angst hatte er nicht in Johannesburg, aber er fühlte sich
eingesperrt hinter den Zäunen, die wohlhabende Weiße um ihre Wohnviertel
und Häuser ziehen. Vor einigen Jahren zog er mit seinem Sohn, einem
Spitzenkoch, nach Montagu, 150 Kilometer östlich von Kapstadt, das Tor zur
Kleinen Karoo an der Route 62. Ein freundlicher, stiller Ort.
Zufrieden in der Einsamkeit? Hess deutet auf sein Haus und sagt nur:
„Schau, keine Zäune!“ Auch beim Wandern in den Drakensbergen lauern keine
Diebe auf Touristen, allenfalls eine Ringhals- oder Speikobra, eine Puff-
oder Nachtotter. Alles so schön friedlich hier im gefährlichsten Land der
Welt. Wie gefährlich ist Südafrika also wirklich?
Die britische Sicherheitsfirma Control Risk erkennt lediglich ein mittleres
Sicherheitsrisiko für ausländische Besucher des Landes, etwa so wie in
Kroatien, Griechenland oder Süditalien, Brasilien. Für Kidnapping bestehe
lediglich ein geringes Risiko.
## Hoffnung für die Innenstädte
Der „South Africa 2012 OSAC Crime and Safety Report“ schätzt die
Sicherheitslage in Pretoria, Johannesburg, Durban und Kapstadt zwar als
„kritisch“ ein, aber Simiso Velempini, Control-Risks-Analystin für Afrika,
verbreitet sogar Hoffnung für Innenstädte wie die von Johannesburg: Das
kommunale Erneuerungsprogramm der Stadt greife, schreibt sie im „Riskmap
Report 2013“. „Die Ausbreitung von Galerien, Kreativwerkstätten und
Einzelhandel belegt eine allmähliche Verbesserung der Sicherheit in
zentralen Geschäftsvierteln.“
Müssen sich Touristen in Südafrika also fürchten? Der Journalist Toby
Selander hat in einem Beitrag für The African Times vor der
Fußballweltmeisterschaft Andre Snyman (eBlockwatch) befragt, der sich seit
vielen Jahren um die Sicherheit von ausländischen Besuchern bemüht.
Niemand hat bisher eine bessere Antwort auf diese Frage gegeben. „Touristen
sind viel sicherer, als wir Südafrikaner es sind“, sagte er. „Südafrikaner
kümmern sich um ihre Tiere und um ihre Touristen, aber vielleicht nicht so
sehr um sich selbst.“
18 May 2013
## AUTOREN
Peter Köpf
## TAGS
Südafrika
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