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# taz.de -- Aus der Historienkiste: Monarchie und Moderne
> In Braunschweig erinnert man sich gern alter Glorie, nun einer
> Hochadels-Ehe aus dem Jahr 1913. Und verdrängt aktuellere Flecken auf der
> Geschichtsweste.
Bild: Weil 1913 Victoria Luise ihren Ernst August ehelichte (l.), steht nun ein…
BRAUNSCHWEIG taz | Eine große, aufwendig eingedeckte Festtafel ist derzeit
im Braunschweiger Schlossmuseum zu sehen: das optische Prunkstück eines
Themenjahres, das sich um die Traumhochzeit des Jahres 1913 rankt.
Traumhochzeit 1913? Wer heiratete wen – und was macht das 100 Jahre später
noch erwähnenswert? Diese Fragen lassen sich nur beantworten, wenn man
bereit ist, in die mentale Verfasstheit der Stadt an der Oker einzutauchen.
## Dynastie-Versöhnung
Dazu aber zunächst nach Berlin: Dort heirateten 1913, genauer: am 24. Mai,
Victoria Luise, die Tochter von Kaiser Wilhelm II., und Prinz Ernst August
zu Braunschweig und Lüneburg. Mit dieser Hochzeit vollzog sich die
Versöhnung zweier verfeindeter Dynastien, der preußischen Hohenzollern und
der Welfen. Allerdings war das 1.100-Gäste-Event 1913 dann nicht nur ein
dynastisches Spektakel: Am Vorabend des Ersten Weltkriegs saßen da die
wichtigsten Monarchen Europas zum letzten Mal friedlich am festlichen
Tische zusammen; der russische Zar und der König von England waren Vettern
ersten Grades des welfischen Bräutigams.
Der fragile Mächtestatus im damaligen Europa, die bevorstehende
Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, aber auch das damit einhergehende Ende
obsoleter monarchischer wie imperialistischer Herrschaftsstrukturen: All
das hätte Ausgangspunkte geboten für mutige, essayistische Betrachtungen im
Jubiläumsjahr. Stattdessen hängt man in Braunschweig nur noch einmal dem
verblassten Glanz des Herzogtums nach. Und das auch noch in populistischer
Weise.
Durch jene Hochzeit nämlich fiel der Thron nach Jahren fremder Regentschaft
wieder an einen Welfen, und unter reger Anteilnahme der Bevölkerung zog das
frisch vermählte Paar im November 1913 in Braunschweig ein. In der Lesart
der Ausstellungsmacher heißt das nun: Monarchie und Moderne gehörten für
die Braunschweiger zusammen, politischen Strömungen wie der 1863
begründeten Sozialdemokratie – noch so ein Jubiläum – dagegen haftete
Umstürzlerisches an.
Allerdings gelang es Herzog Ernst August nicht, auch politische Akzente zu
setzen. Er begnügte sich in seiner kurzen Regentschaft damit, als
„Staatsnotar“ repräsentative Aufgaben zu erfüllen. Die Abdankung nach
Weltkrieg und „Novemberrevolution“ im Jahre 1918 führte ihn dann zurück i…
österreichische Exil. Victoria Luise lebte ab 1954 bis zu ihrem Tode 1980
wieder in Braunschweig, war allgegenwärtiger Ehrengast, unter anderem auf
Feiern der Universität.
## Historische Marginalie
Die Vereinnahmung vermeintlich bedeutender Geschehnisse fällt in
Braunschweig seit jeher auf fruchtbaren Nährboden. Man erinnere sich: 2009
beging man bereits einmal ein „Kaiserjahr“, weil ein anderer Welfe, Otto
IV., 800 Jahre früher den Thron des Heiligen Römischen Reiches bestiegen
hatte, auch er ohne rechte Fortüne übrigens, eine historische Marginalie.
Noch die Aufstiegsfeier der Braunschweiger Eintracht geriet kürzlich zum
lokalpolitischen Triumphzug in Blau-Gelb, den Farben des Herzogtums. Man
scheute nicht vor einem sportlichen Gottesdienst zurück, der Jugendchor
entkleidete sich zunächst, um dann in Vereinstrikots weiterzusingen.
Austragungsort: Braunschweigs Dom, im „Dritten Reich“ architektonisch
überformt zur nationalsozialistischen Weihestätte. Den Nazis diente auch
Altwelfe Heinrich der Löwe zur ideologischen Instrumentalisierung.
„Welfische Umtriebe“ wollte, sehr viel früher, Reichskanzler Bismarck
bekämpfen, wenn auch aus eigenem Macht-Kalkül. Von einem hatte er nicht den
blassesten Schimmer: dem Beharrungsvermögen in Braunschweig.
„Europas letztes Rendezvous“: bis 27. Oktober, Schlossmuseum; „1913 –
Herrlich moderne Zeiten?“: bis 9. März 2014, Landesmuseum
7 Jun 2013
## AUTOREN
Bettina Maria Brosowsky
## TAGS
Judentum
Landtag Niedersachsen
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