# taz.de -- Sparen an der Gesundheit: Unzureichende Betreuung von Suizidpatient… | |
> Assistenzärzte der Göttinger Asklepios Fachklinik für Psychiatrie und | |
> Psychotherapie bemängeln in einem offenen Brief die dortige | |
> Patientenbetreuung. | |
Bild: Die Göttinger Assistenzärzte bleiben lieber unerkannt. | |
Im Göttinger Asklepios Fachkrankenhauses für Psychiatrie und Psychotherapie | |
werden laut den dortigen Assistenzärzten Patienten unzureichend betreut. | |
Das geht aus einem offenen Brief hervor, den Assistenzärzte der Klinik | |
geschrieben haben. Die Klinik gehört seit 2007 zu dem Klinikunternehmen | |
Asklepios und ist von der Gewerkschaft Ver.di und verschiedenen | |
Lokalpolitikern in den letzten Wochen bereits mehrfach wegen angeblicher | |
Kürzungen bei Personal und Therapien kritisiert worden. | |
Die Assistenzärzte schreiben, dass vor allem Kürzungen beim pflegerischen | |
und ärztlichen Personal die Gesundheit der Patienten bedrohten. So würden | |
selbstmordgefährdete Patienten teilweise unzureichend beaufsichtigt, obwohl | |
sie nach Einschätzung des Personals einzeln betreut werden müssten. Das sei | |
„aber aufgrund von Personalmangel nicht realisierbar“, heißt es in dem | |
Schreiben. Daneben gebe es auch weniger drastische Auswirkungen, sagt ein | |
Arzt, der anonym bleiben will: „Ich mache unglaublich viele Überstunden. | |
Unter solchen Arbeitsbedingungen ist eine vernünftige therapeutische | |
Beziehung zum Patienten nicht möglich.“ | |
## Asklepios widerspricht | |
Asklepios-Sprecher Rudi Schmidt widerspricht den Anwürfen der Göttinger | |
Assistenzärzte: Seit der Konzern die Klinik im Jahr 2007 von der | |
Landesregierung gekauft hat, seien „mehr als zehn Prozent ärztliche Stellen | |
aufgebaut“ worden. In den Jahren 2010, 2011 und 2012 seien die | |
Personalzahlen im pflegerischen Dienst nicht gesenkt worden. Außerdem habe | |
man seit 2007 über elf Prozent mehr Vollzeitstellen. Zur Gefährdung von | |
selbstmordgefährdeten Patienten sagt Schmidt: „Allein im vergangenen Jahr | |
wurden mehrere tausend Stunden und Sitzwachen bei suizidalen Patienten | |
geleistet.“ | |
Die Kritik an Asklepios ist nicht neu. Seit Wochen äußern sich verschiedene | |
Lokalpolitiker und die Gewerkschaft Ver.di ähnlich. Julia Niekamp ist bei | |
Ver.di für die Göttinger Klinik zuständig. Sie spricht davon, dass | |
Beschäftigte von einem „Rückschritt in die Verwahrpsychiatrie“ gewarnt | |
hätten. Asklepios habe seit 2007 zwar mehr Leute eingestellt, meint | |
Niekamp. Dadurch sei aber lediglich die Gesamtzahl der Beschäftigten | |
gestiegen. „Es gibt nicht mehr Vollzeitstellen und zudem weniger | |
Fachkräfte“, so Niekamp. | |
Außerdem betreue die Klinik seit der Privatisierung mehr Patienten als | |
zuvor. Insgesamt müssten die einzelnen Mitarbeiter also mehr arbeiten. Die | |
Assistenzärzte schreiben, dass sie im vergangenen Monat deswegen 15 | |
sogenannte Überlastungsanzeigen eingereicht hätten, also ihre Überforderung | |
der Klinikleitung gegenüber deutlich gemacht hätten. Allerdings: „Die | |
Reaktion der Geschäftsführung reduzierte sich darauf, ihre Richtigkeit | |
anzuzweifeln.“ | |
Das Thema ist unterdessen im Göttinger Kreistag angekommen. Dort wird am | |
Mittwoch über Anträge von Grünen und SPD sowie der Linken beraten. Alle | |
drei Parteien fordern von der Landesregierung, dass sie die Verträge | |
offenlegt, die 2007 zum Verkauf der Klinik geführt hatten. Sie | |
interessieren sich für Klauseln, die einen möglichen Rückkauf der Klinik | |
durch das Land erlaubten. | |
„Es war ein eklatanter Fehler, die Klinik überhaupt zu privatisieren“, sagt | |
Ronald Schminke, der für die SPD sowohl im Göttinger Kreistag als auch im | |
Niedersächsischen Landtag sitzt. „Die Privaten müssen Gewinn machen und das | |
geht am besten an der Stellschraube Personal“, sagt Schminke. Er selbst hat | |
mit dem Betriebsrat der Klinik gesprochen. „Was man da hört, das klingt | |
alles nicht gut“, sagt er. „Wenn das so stimmt, dann muss das zurückgedreht | |
werden, damit die Klinik wieder in Landeshand kommt.“ | |
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rat der Stadt, Rolf Becker, sagt mit | |
Blick auf Asklepios: „Eine psychiatrische Klinik sollte kein Objekt sein, | |
mit dem man Geld verdienen muss.“ Beckers Fraktion wird zusammen mit SPD, | |
Grünen, Linken und Piraten am Freitag einen Antrag im Rat der Stadt | |
stellen, der fast wortgleich zu den Anträgen im Kreistag ist. Er dämpft | |
aber die Erwartungen: „Letztlich bleibt der Kommunalpolitik nichts weiter | |
übrig, als die Landesregierung zum Handeln aufzufordern.“ | |
10 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Jakob Epler | |
## TAGS | |
Risiko | |
Patientensicherheit | |
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