# taz.de -- Bauarbeiten im Gezi-Park gestoppt: Erdogan sagt: Raus aus dem Park | |
> Der türkische Premier Erdogan hat das Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park | |
> vorerst gestoppt. Nun sollten die Demonstranten aber auch gehen, fordert | |
> er. | |
Bild: Sie bleiben. Die Musik auch | |
ANKARA afp/dpa/ap | Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan | |
hat die Demonstranten in Istanbul aufgefordert, den Gezi-Park zu räumen. | |
Vor Vertretern seiner religiös-konservativen Partei AKP sagte Erdogan am | |
Freitag, die Protestierenden seien nun „lange genug dagewesen“. Er habe | |
Vertreter der Protestbewegung aufgefordert, mit ihren Gleichgesinnten im | |
Gezi-Park zu reden. Man wolle sich nicht gezwungen sehen, „andere Maßnahmen | |
zu ergreifen“. | |
Zuvor hatte der türkische Regierungschef im Streit um den Park das dort | |
geplante Bauprojekt vorerst gestoppt. Nach einem Treffen mit Vertretern der | |
Protestbewegung teilte Vize-Regierungschef und Regierungssprecher Hüseyin | |
Celik mit, die umstrittenen Bebauungspläne würden bis zu einer | |
Gerichtsentscheidung ausgesetzt, anschließend werde dazu ein Referendum | |
abgehalten. | |
Das Protestbündnis begrüßte die Entscheidung, Demonstranten kündigten am | |
Freitag aber eine Fortsetzung der Proteste an. Bis zu einem | |
Gerichtsbeschluss zur Bebauung des symbolträchtigen Parks im Zentrum | |
Istanbuls werde das Projekt ausgesetzt, sagte Celik nach dem Treffen | |
zwischen Erdogan und Vertretern des Protestbündnisses Taksim-Solidarität am | |
Donnerstagabend in Ankara. | |
Anschließend werde das Projekt den Istanbulern in einer Volksabstimmung zur | |
Entscheidung vorgelegt. Der Park werde vorerst „nicht angerührt“, | |
versicherte Celik. „Wir wollen wissen, was die Bürger Istanbuls denken, | |
ihre Entscheidung ist sehr wichtig für uns.“ | |
Die Protestbewegung begrüßte die Ankündigung. „Das positive Ergebnis des | |
heutigen Abends ist die Erklärung des Ministerpräsidenten, dass das Projekt | |
bis zum endgültigen Gerichtsurteil nicht weitergeht“, sagte der Sprecher | |
von Taksim-Solidarität, Tayfun Kahraman, nach dem Treffen. Es war das erste | |
Mal seit Beginn der regierungskritischen Proteste vor zwei Wochen, dass | |
sich Erdogan mit dem Protestbündnis traf. Fast vier Stunden dauerte das | |
Treffen mit der zehnköpfigen Delegation in der Residenz des | |
Ministerpräsidenten. | |
Auch die Europäische Union begrüßte „positive und konstruktive Signale“ | |
Erdogans. „Wir begrüßen die klare Verpflichtung der türkischen Behörden, | |
die Bauarbeiten im Gezi-Park auszusetzen, bis das Berufungsgericht in | |
dieser Frage entschieden hat“, sagte ein Sprecher der Kommission. „Und wir | |
begrüßen auch die Ermittlungen wegen unverhältnismäßiger Gewalt gegen | |
friedliche Demonstranten.“ | |
Wenige Stunden zuvor sah alles noch nach Eskalation aus. Erdogan hatte eine | |
„letzte Warnung“ ausgesprochen und die Demonstranten aufgefordert, den | |
Gezi-Park umgehend zu verlassen. Er wandte sich an die Eltern der meist | |
jungen Demonstranten mit den Worten: "Mütter, Väter, bitte holt eure Kinder | |
von dort weg." Die Regierung habe bislang Geduld gezeigt, doch diese neige | |
sich jetzt ihrem Ende zu. Während es in Istanbul ruhig blieb, ging die | |
Polizei in Ankara in der Nacht mit Tränengas und Wasserwerfern gegen rund | |
200 Demonstranten vor. | |
## „Es geht um mehr als einen Park“ | |
Das Vorhaben zum Wiederaufbau einer osmanischen Militärkaserne im | |
Gezi-Park, um darin unter anderem ein Einkaufszentrum unterzubringen, war | |
Auslöser der landesweiten Demonstrationen. Angesichts des gewaltsamen | |
Einsatzes der Polizei richteten sie sich zunehmend gegen die als autoritär | |
empfundene Politik Erdogans. Am Freitag kündigten Besetzer des Gezi-Parks | |
an, trotz seines Entgegenkommens ihre Proteste fortzusetzen. „Dies geht um | |
mehr als einen Park, es geht um die Identität der Nation“, sagte der | |
39-jährige Kivanch K. | |
Laut dem türkischen Ärztebund wurden bei Zusammenstößen zwischen Polizei | |
und Demonstranten seit Ende Mai vier Menschen getötet und fast 7.500 | |
weitere verletzt. Der Ärztebund kritisierte zudem, das | |
Gesundheitsministerium habe die Istanbuler Ärztekammer aufgefordert, die | |
Namen der Ärzte weiterzugeben, die während der Demonstrationen in | |
improvisierten Ambulanzen verletzte Teilnehmer behandelt haben. | |
Auch die Namen ihrer Patienten sollten laut der Ministeriumsaufforderung | |
weitergegeben werden. Aber kein einziger Name werde weitergegeben, kündigte | |
der Ärztebund an. Das Ministerium wollte die Anweisung nicht bestätigen. | |
14 Jun 2013 | |
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