# taz.de -- Rassistische Hetze in Italien: „Kyenge sofort repatriieren“ | |
> In Italien läuft eine Hasskampagne gegen Cécile Kyenge. Die | |
> Integrationsministerin erträgt sie mit erstaunlicher Ruhe – und wird | |
> nicht nachgiebig. | |
Bild: Bleibt ruhig: Italiens Integrationsministerin Cécile Kyenge | |
ROM taz | „Tötet sie!“ Aufrufe wie diesen muss Italiens seit knapp zwei | |
Monaten amtierende Integrationsministerin Cécile Kyenge immer wieder in | |
Internetforen lesen, wie sie selbst am Mittwoch mit gewohnter Gelassenheit | |
bestätigte, als sie von „rassistischen Vorfällen“ sprach. | |
In den Augen ihrer Widersacher nämlich hat die 48-jährige Augenärztin einen | |
nicht gutzumachenden Fehler: Sie ist Afroitalienerin, erst nach dem Abitur | |
kam sie vor 30 Jahren aus dem Kongo nach Italien, zum Medizinstudium. | |
Und sie blieb, engagierte sich in den letzten Jahren neben ihrer Arbeit in | |
der Kommunal- und Regionalpolitik, ehe sie bei den letzten Wahlen im | |
Februar 2013 für die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) ins Parlament | |
einzog. | |
Noch schlimmer für Rassisten: Kyenge sagte, gleich nachdem sie zur | |
Ministerin ernannt worden war, Sätze wie „Ich bin schwarz und ich bin stolz | |
darauf“, ja sie redete von „Italia meticcia“, von einem | |
„Mischlings-Italien“, das das Land geworden sei. | |
## Italienischen Pass für Immigrantenkinder | |
Obendrauf setzte sie noch ihr Ansinnen, schnell eine Reform des | |
Staatsbürgerschaftsrechts anzuschieben. Kyenge will das Ius soli: Kinder | |
von in Italien lebenden Immigranten sollen automatisch den italienischen | |
Pass bekommen. | |
Vor allem die rechtspopulistische Lega Nord, die seit jeher auf die Karte | |
Fremdenhass setzt – und die die Regionalgouverneure in der Lombardei, im | |
Piemont, im Veneto stellt –, antwortete mit einer wahren Hasskampagne. | |
Als Anfang Mai ein junger Schwarzafrikaner mit psychischen Problemen in | |
Mailand drei Menschen erschlug, stand für den Lega-Nord-Chef der Lombardei, | |
Matteo Salvini fest, wer schuld war: Cécile Kyenge, die mit ihrer weichen | |
Linie gegenüber irregulären Immigranten „zum Verbrechen aufstachelt“. | |
## „Italien ist kein Mischlingsland“ | |
Und als eine Frau in Vicenza von einem Ausländer vergewaltigt wurde, | |
verlangte der Regionalgouverneur des Veneto, Luca Zaia, frech, Kyenge solle | |
„nach Vicenza kommen“, um sich bei dem Opfer zu entschuldigen. Derweil | |
tauchte auf einer Schule in Padua die große Inschrift auf: „Italien ist | |
kein Mischlingsland. Kyenge sofort repatriieren!“ | |
Den Vogel schoss dann eine Lokalpolitikerin der Lega Nord aus Padua ab. | |
Dolores Valandro fragte auf Facebook: „Findet sich eigentlich keiner, der | |
sie vergewaltigt, damit sie merkt, was die Opfer dieses furchtbaren | |
Verbrechens empfinden?“ | |
Da wurde es selbst der Lega Nord zu viel: Sie schloss ihr Nachwuchstalent | |
umgehend aus. Dabei war Valandro bloß der gleichen Logik gefolgt wie ihre | |
prominenten Frontmänner: Kyenge gehört für jedwedes Verbrechen eines | |
Immigranten in Sippenhaft genommen. | |
## Politologen attackieren Kyenge | |
Doch an ruppige Töne muss die Ministerin sich auch aus ganz anderen, | |
eigentlich unverdächtigen Ecken gewöhnen. So zog der liberal-konservative | |
Politologe und Kommentator des Corriere della Sera Giovanni Sartori in | |
einem Zeitungskommentar über sie her. | |
Die Politikerin solle sich erst einmal „ein Wörterbuch kaufen“, ehe sie den | |
Begriff „Mischling“ für Italien verwende, riet Sartori sarkastisch „unse… | |
Augenärztin“, die völlig ignorant sei. Und die linke TV-Moderatorin Lucia | |
Annunziata fand es ganz selbstverständlich, die frisch berufenen Ministerin | |
vor allem zu Vielehe und Vielgötterei in Afrika zu befragen. | |
Kyenge erträgt die Ausfälle mit erstaunlicher Ruhe. „Sie verletzen mich, | |
aber sie bringen mich nicht von meinem Weg ab“, ließ sie wissen. Und ihre | |
Gelassenheit ist in der Tat nicht mit Nachgiebigkeit zu verwechseln. Als | |
Kyenge vor einem Monat im Mailänder Stadtrat zu Besuch war, verweigerte sie | |
dem Fraktionsvorsitzenden der Lega Nord demonstrativ den Handschlag. | |
20 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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