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# taz.de -- Die Wahrheit: Welle unterm Strumpf
> Die Polizei setzt heute immer öfter Friseure bei der Zielfahndung sowie
> zur Erstellung von Phantombildern ein.
Bild: Raus aus dem Salon, rein in den Verbrechersumpf: Immer mehr Hairstylisten…
Ein ehrlicher Mann hat keine Frisur. Und zwar unter gar keinen Umständen.
Vielleicht – und das auch nur unter Berücksichtigung bestimmter beruflicher
Repressalien wie etwa einem Job in der Modebranche oder als aufstrebender
Mittelfeldspieler eines Fußballregionalligisten – einen Haarschnitt, aber
niemals eine Frisur.
Umso verwunderlicher, dass sich ausgerechnet in Kriminellenkreisen
Frisurenträger immer offensichtlicher durchsetzen. Eine Entwicklung, die
sich jedoch die Bundeskriminalbehörden zunutze machen, denn die
Aufklärungsquote von in Deutschland verübten Verbrechen hat in den
vergangenen Jahren dramatisch abgenommen.
„Gerade im Bereich der bewaffneten Raubüberfälle gibt es eine eindeutige
Tendenz zu Tätern mit Frisuren“, erklärte der Pressesprecher des Bundesamts
zur Optimierung der Phantombilder (BOPH), Kai Loose, „wir dürfen uns daher
neuen Ermittlungsmethoden nicht verschließen. Was zählt, ist der Erfolg.“
Und so hat sich das BOPH einen exklusiven Kreis neuer Profiler zugelegt:
Friseure.
„Unsere neuen Mitarbeiter“, so Loose, „sind jedoch nicht ausschließlich
dafür da, anhand der Frisur des Täters ein, neben dem üblichen Profiling,
erweitertes Täterprofil zu erstellen, sondern helfen auch bei der
Beschreibung der Täter, so diese etwa bei ihren Verbrechen von einer
Überwachungskamera gefilmt wurden.“ Der erste von einem Friseur
eingeleitete Fahndungserfolg ließ nicht lange auf sich warten und ging auf
das Konto des Heilbronner Profil-Coiffeurs Silvio Meisner aus dem Salon
„Vorher Nachhair“.
Er beschrieb den Täter eines bewaffneten Raubüberfalls auf eine Koblenzer
Innenstadtsparkasse vom 2. Februar 2013 im Rahmen der ersten
frisurenerweiterten Fahndung der Kriminalgeschichte aufgrund des
Überwachungsvideos der Bank folgendermaßen: „Der 1,75 Meter große und 70
Kilogramm schwere Mann trug eine dunkle Hose, eine helle Jacke und eine
leichte Stufe im hinteren Deckhaar.“ Die subtile Beschreibung führte keine
fünf Stunden später zur Ergreifung des Täters.
Mit einem solchen Erfolg war der neuen Zielfahndungssparte Tür und Tor
geöffnet, zumal auch die folgenden Beschreibungen von Friseur Meisner und
seinen Kollegen innerhalb weniger Tage zum Erfolg führten.
So etwa bei einem Tankstellenüberfall in Olpe („der Täter trug unter seiner
Strumpfmaske blondierte Highlights“) und einem Raubüberfall auf einen
Marburger Juwelier („der Täter hatte eine auffallende Fönwelle“). Selbst …
Entführungsfall einer Lübecker Marzipaneuse wurde der Entführer bei der
gescheiterten Geldübergabe vor einer Radarfallenblitzanlage lediglich
aufgrund seiner nur langsam herauswachsenden Dauerwelle identifiziert.
Man sollte jedoch keine Rückschlüsse auf bestimmte Verbrechensarten und
ihnen zugrunde liegende Frisuren schließen, warnt Silvio Meisner. „Es wäre
fahrlässig zu behaupten, dass etwa Männer mit leichter Stufe im hinteren
Deckhaar ausschließlich zu Sparkassenüberfällen im Innenstadtbereich
neigen. Es wurden durchaus auch schon ähnliche Geldinstitute von Männern
überfallen, die über eine leichte Stufe im seitlichen Deckhaar verfügten.
Man kann das nicht verallgemeinern.“
Das BOPH jedenfalls ist von seinen neuem Mitarbeiterstab begeistert. Die
Aufklärungsquote, gerade im Bereich des bewaffneten Überfalls, ist bereits
in den ersten Wochen um fast die Hälfte gestiegen. Doch trotz ihrer Erfolge
lassen die neuen Ermittlungsmethoden auch kritische Stimmen aufkommen.
So erklärte vergangenen Dienstag ein Sprecher der konservativen
Polizistenvereinigung „Kriminaltechnik und Kritik“ (KuK), der Dortmunder
Kriminalobermeister Ralf „Jack“ Karbinski: „Diese ganze Frisurenscheiße
sollte man nicht überbewerten. Da wird nämlich auch schnell mal übers Ziel
hinausgeschossen und der Falsche verhaftet. Ich selbst bin erst vor einigen
Tagen irrtümlich wegen meines getönten Strähnchenponys inhaftiert worden.“
Inwieweit Karbinski im Rahmen seiner Verhaftung ein Gewaltverbrechen oder
lediglich seine Frisur vorgeworfen wurde, ließ der Kriminalobermeister
allerdings offen.
24 Jun 2013
## AUTOREN
Jörg Schneider
## TAGS
Polizei
Fahndung
Friseure
Haare
Kriminalität
Schule
Hooligans
Papst Benedikt XVI.
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