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# taz.de -- Die Wahrheit: Opfer der Evolution
> Das große Mysterium: Warum der Jeanstyp ausgestorben ist, bleibt bis
> heute ein Geheimnis der Evolution. Eine Spurensuche.
Bild: Jeanstyp und dann auch noch tierlieb – da hätten die Frauen doch reihe…
Die Evolution birgt viele Geheimnisse. Warum ist ausgerechnet diese oder
jene prima Primatengattung ausgestorben und es gibt stattdessen Menschen
mit hochgeschlagenem Polohemdkragen? Groteske Irrläufer der Natur, die wohl
doch nicht so unfehlbar ist, wie gemeinhin gemutmaßt wird. Dass sich in
unserer heutigen Zeit die natürliche Auslese allein aufgrund der
universellen Überholspur, auf der viel zu viele Menschen unterwegs sind,
mittlerweile anderer Kriterien bedient als zu wirbellosen Zeiten, liegt
dabei in der Natur der Sache.
Nun wurde an dieser Stelle schon oft über ausgestorbene Tier- und
Pflanzenarten berichtet, doch sind es – bei aller Sympathie für Fauna und
Flora – noch immer die subtilen Unabwägbarkeiten der Spezies Homo sapiens
in all ihren Farben und Formen, die dem interessierten Artgenossen die
größten Rätsel aufgeben.
Ein diesbezüglich nicht uninteressantes Beispiel für die Willkür der
natürlichen Auslese bildet der nur wenige tausend Jahre nach dem
Neandertaler ausgestorbene Jeanstyp. Erstaunlich beim Vergleich Jeanstyp –
Neandertaler ist die Tatsache, dass beide Gattungen wohl hauptsächlich in
der Nähe von Düsseldorf angesiedelt waren, wenn man beim Jeanstyp auch von
einer weitaus größeren Verbreitung ausgehen kann.
Doch der Reihe nach. Wo ist er denn nun hin, beziehungsweise was war das
denn eigentlich für einer, der Jeanstyp, der noch vor wenigen Jahren
hauptsächlich die Kontaktanzeigen in Printmedien mit sich voll machte? Im
Rahmen digitaler Netzwerke, Online-Kontaktbörsen und anderer virtueller
Viehmärkte scheint er mehr oder minder vom Fortschritt überrollt, wenn
nicht gar überrumpelt worden zu sein und dergestalt seinen Weg in der
Kontaktanzeigenevolution komplett versemmelt zu haben.
Denn eine freizeitwillige Eigenbewerbung des Kalibers „bin eher so der
Jeanstyp“ sucht man in den modernen Medien vergebens. Zu altbacken scheint
die Selbstbezichtigung für unsere vermeintlich tolle Zeit, in der man
nimmermüde so unglaublich verrückte Sachen, wie „mal eben zum Frühstück
nach Paris – Einfach so“ oder „Im Regen spazieren gehen – ohne Schirm,
dafür aber mit witzigem Hut“ praktiziert oder zumindest den Wunsch hegt,
derlei Dinge ordnungsgemäß abzuarbeiten.
Eine Besonderheit des Jeanstyps lag, wie bereits angedeutet, vor allem in
der ausschließlichen Eigenbeschreibung des Jeanstyps als eben solchen. Denn
niemals hat man einen Menschen über einen anderen sagen hören, der
Besprochene sei „eher so der Jeanstyp“. Wieso aber bezeichnete sich der
Jeanstyp seinerzeit überhaupt selbst als Jeanstyp?
Vorrangiges Ziel in wie auch immer gearteten Kontaktanzeigen ist nach wie
vor ein möglichst gegengeschlechtliches Zielobjekt für sich zu
interessieren, im Idealfall zum Beischlaf zu locken, um so das eigene
Aussterben möglichst praktisch abzuwenden. So auch der Jeanstyp. Er war wie
jedes andere Lebewesen auf Arterhalt aus. Warum aber hat es ausgerechnet
bei ihm nur eher so mittel hingehauen und was wollte uns der Jeanstyp mit
seiner Selbstbeschreibung suggerieren? Wahrscheinlich vor allem eine
unkonventionelle, ja exklusive Nonkonformität – schließlich war seinerzeit
nicht jedermann locker genug, Jeanshosen zu tragen.
Nicht umsonst galt der Endvierziger-Jeanstyp gerne in Personalunion als
Cabriofahrer und stellvertretender Filialleiter einer regionalen
Supermarktkette, dem vor einiger Zeit aus unersichtlichen Gründen die Frau
abhanden gekommen war. In diesem Sinne vereinsamt, war es nur eine Frage
der Zeit, bis auch die letzten ihrer Art von unserem Planeten verschwanden.
Doch ist er tatsächlich ausgestorben? Auch der berühmte tasmanische Teufel
wird ja immer wieder einmal gesichtet. Und Ähnliches gilt auch für den
Jeanstyp, dessen Sichtungen sich vor allem zur Karnevalszeit im Kölner Raum
mehren. Dann allerdings in einer derart ungelenk aufgesetzten
Pseudofröhlichkeit, dass selbst Delfine nach wenigen Minuten Schwimmen mit
einem Jeanstypen depressiv werden würden.
23 Oct 2013
## AUTOREN
Jörg Schneider
## TAGS
Kreaturen
Neandertaler
Schule
Polizei
Hooligans
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