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# taz.de -- Transparenz: Geheime Ausforschung
> Die Humanistische Union will die Fragen zur „Scheineheermittlung“
> veröffentlichen. Die Behörde aber ignoriert das
> Informationsfreiheitsgesetz lieber.
Bild: Ein Restposten Geheim-Stempel? Das Stadtamt hätte durchaus Verwendung da…
Das Stadtamt schweigt. Verschlusssache. Sie wollen ihn keinesfalls
veröffentlichen, den Fragebogen, mit dem sie bei der Ausländerbehörde
versuchen, sogenannte „Scheinehen“ zu ermitteln. Sie müssen aber, sagt die
Bürgerrechtsorganisation „Humanistische Union“ (HU). Schließlich gibt es
hier schon seit 2006 ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG). „Jeder hat
einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen“, heißt es da.
2012 hatte das Verwaltungsgericht die bisher gängige Praxis der
verdachtsunabhängigen „Scheineheermittlung“ in Bremen für rechtswidrig
erklärt (taz berichtete). In dem seinerzeit verwandten Fragebogen – der
auch der taz vorliegt – wollte die Behörde etwa wissen, wann der Müll
geleert wird, wer auf der linken Seite des Bettes schläft und wie der
Kontakt zu den Schwiegereltern ist.
115 Fragen umfasste das Papier. Im konkreten Fall musste die
Ausländerbehörde die Akte teilweise sperren. „Punktuelle Kontrollen“ einer
Ehe seien nur bei „begründetem Verdacht“ zulässig, so die Richter. Der sei
„nicht erkennbar“ gewesen – auch wenn die Ehefrau eine Zweitwohnung und
dort ein Auto angemeldet hatte. Als verdächtig gelten vor allem binationale
Paare, besonders wenn der ausländische Partner zuvor illegal oder geduldet
hier lebte. Etwa jede fünfte in Bremen geschlossene Ehe ist binational.
Der aktuelle Grundrechtereport, der jährlich von acht
Bürgerrechtsorganisationen herausgegeben wird, darunter der HU, spricht von
einem „Skandal“ und einem „inquisitorisch anmutenden Fragekatalog“. Seit
2011 gibt es eine erneuerte Sammlung von Fragen, die auch der
Datenschutzbeauftragten vorgelegt wurde und laut SPD-Innensenator Ulrich
Mäurer „sicherstellen“ soll, dass keine „unzulässigen Fragen“ gestellt
werden.
Doch auch die will das Stadtamt weiterhin geheim halten. Eine Begründung
nach dem IFG hat die Leiterin des Stadtamtes, Marita Wessel-Niepel dafür
nicht. In einem Schreiben an die HU ist lediglich vom Ausländerrecht die
Rede.
„Da die Fragen dazu dienen, einen bereits bestehenden Anfangsverdacht zu
erhärten oder zu widerlegen, haben nur Mitarbeiter der Ausländerbehörde
Zugriff auf die Fragen“, schreibt Wessel-Niepel. Ein halbes Jahr, nachdem
die HU beantragt hatte, dass sie den Fragebogen bekommt und dass er im
[1][Informationsregister] von [2][bremen.de] veröffentlicht wird. Das sei
„nicht möglich“, so Wessel-Niepel ohne weitere Begründung, ohne Verweis a…
das IFG. Und mehrere Monate, nachdem sie – laut IFG – hätte antworten
müssen.
„Das zeigt, dass das Gesetz noch nicht in der Verwaltung angekommen ist“,
sagt HU-Bundesgeschäftsführer Sven Lüders. Seine Organisation will für die
Veröffentlichung der Fragen notfalls vor Gericht ziehen. Und während Lüders
von „guten Erfolgsaussichten“ spricht, will die
Landesdatenschutzbeauftragte Imke Sommer sich nicht festlegen, ob die HU
überhaupt einen Anspruch auf Veröffentlichung hat. Die Behörde dürfe das
ablehnen – wenn sie „gute Gründe“ habe. Das sei „Auslegungssache“.
Im Januar schon legte die HU Widerspruch gegen den Bescheid aus dem
Stadtamt ein. Bis heute – mehr als ein Jahr nach Antragsstellung – gibt es
keine offizielle Antwort. Auf Nachfrage der taz beruft sich Wessel-Niepel
nun auf den „Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses“ im IFG. Wenn
die Fragen jeder Verdächtige kennt, so die Amtsleiterin, dann würden sie
„ins Leere laufen“.
25 Jun 2013
## LINKS
[1] http://www.bremen.de/buergerservice/amtliche-informationen
[2] http://bremen.de
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
Grundrechtereport
Datenschutz
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