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# taz.de -- Peter Buwalda über„Bonita Avenue“: „Lange im Bann der Katast…
> In den Niederlanden war sein Romandebüt ein Sensationserfolg. Peter
> Buwalda über Patchworkfamilien, Pornografie und die Explosion von
> Enschede.
Bild: Fast ein ganzes Stadtviertel wurde bei der Explosion in Enschede am 3. Ma…
taz: Herr Buwalda, seit „Bonita Avenue“ 2010 auf Niederländisch erschien,
sind Sie hier ein Prominenter. Werden Sie oft erkannt und angesprochen? In
einem Restaurant oder im Zug?
Peter Buwalda: Ach, das geht eigentlich. Wenn ich gleich mit dem Zug zu
meiner Lesung fahre, begegne ich auf dem Weg vielleicht 200 Menschen, aber
ich werde meistens nur ein- oder zweimal angesprochen. Niederländer sind da
sehr diskret und zurückhaltend.
Sie treten auch zwei Jahre nach Erscheinen Ihres ersten Romans noch häufig
auf. „Bonita Avenue“ hat sich in Holland schon fast 300.000 Mal verkauft
und liegt immer noch stapelweise in den Buchhandlungen. Hatten Sie diesen
Erfolg erwartet?
Niemals. Und schon gar nicht als Debütant!
Und wie kommen Sie zurecht mit diesem Erfolg?
In meinem Privatleben hat sich dadurch eigentlich nicht viel verändert.
Aber ich habe seither wahnsinnig viele Termine. Ich gebe Lesungen und werde
auch oft im Radio und im Fernsehen interviewt. Ich bin mit dem Buch
bestimmt schon 150-mal aufgetreten. Inzwischen bereite ich mich aber auf
die vielen Termine nicht mehr vor. Dann kann ich sie am entspanntesten
angehen.
Setzt es Sie nicht unter Druck, dass nach dem Erfolg des ersten nun auch
von Ihrem zweiten Buch viel erwartet wird?
Nein. Ich finde diesen Druck sogar ganz gut. Wenn man ein unbekannter Autor
ist, ist der Terminkalender meistens leer, und niemand wartet auf dich und
deinen Text. Dann ist es schwierig, das Feuer beim Schreiben in Gang zu
halten. Mich motiviert es, wenn ich weiß, dass Leute auf meinen Text
warten. Als ich noch einer geregelten Arbeit nachging, haben mein Chef und
meine Kollegen jeden Tag irgendwas von mir gewollt. Dem musste ich
nachkommen und war dadurch produktiv. Nach dem Erfolg des ersten Romans ist
das jetzt auch wieder ein bisschen so.
Sie haben als Journalist und Redakteur in einem Verlag gearbeitet. Haben
Sie „Bonita Avenue“ nach Feierabend geschrieben?
Nein, ich habe 2006 für das Buch gekündigt. Von 2006 bis 2010 habe ich dann
full-time an „Bonita Avenue“ gearbeitet. Und zwar am Rande des
Existenzminimums. Ich hatte in jener Zeit kaum Geld. Aber ich hatte viel
Zeit!
Sie erzählen darin von der wohlsituierten Patchworkfamilie Sigerius. Diese
Familie bricht auseinander, weil der Stiefvater Siem sich nicht um seinen
leiblichen Sohn kümmert, weil die Stieftochter Joni pornografische Fotos
von sich im Internet vertreibt und weil man sich in der Familie gegenseitig
nie die volle Wahrheit sagt. Warum fanden Sie es interessant, eine
Familiengeschichte zu erzählen?
Zunächst einmal wollte ich anhand einer Familie erzählen, dass sich das
Verhältnis zu Sex im 20. Jahrhundert total verändert hat. Ein älterer Mann
wie Siem war in seinem Leben vielleicht mit ein oder zwei Frauen zusammen,
während die jüngere Generation, zu der Joni und ihr Freund Aaron gehören,
durch den ganzen Pornokram im Internet viel mehr über Sex wissen als Siem.
Dadurch entsteht eine große Spannung zwischen den Generationen in einer
Familie. Außerdem bin ich selbst in so einer Patchworkfamilie aufgewachsen.
Mein Stiefvater und meine Mutter haben uns alle – ob nun eigene oder
Stiefkinder – gleich lieb gehabt. Ich habe mich deshalb oft gefragt, ob es
eigentlich wirklich einen Unterschied macht, ob man nun blutsverwandt ist
oder nicht. Dieser Frage bin ich dann auch in meinem Roman nachgegangen und
habe eine Familie zusammengewürfelt.
„Bonita Avenue“ ist ein sehr realistischer Roman, stark verwurzelt in der
rezenten niederländischen Vergangenheit.
Der Roman spielt größtenteils in Enschede, wo sich im Jahr 2000 die große
Feuerwerkskatastrophe ereignete, von der ich ja auch in meinem Roman
erzähle. Und es spielen darin einige bekannte Sportler und Politiker eine
Rolle. Es war mir wichtig, den Roman genau zu situieren. Ich wollte einen
realistischen Roman schreiben, bei dem manchmal nicht mehr ganz klar ist,
wo die Realität aufhört und wo die Fiktion beginnt. Der berühmte
holländische Judoka Wim Ruska kommt zum Beispiel auch darin vor. Ich lasse
ihn in „Bonita Avenue“ gegen meine Hauptfigur Siem Sigerius kämpfen. Nach
Erscheinen des Romans wurde Wim Ruska dann tatsächlich mal von Lesern auf
einem Campingplatz gefragt: „Sag mal, war der Sigerius damals eigentlich
wirklich so gut?“ Viele Leute glauben, dass meine Sigerius-Geschichte echt
passiert ist. Das freut mich!
Parallel zur Geschichte der Familie Sigerius erzählen Sie von der enormen
Explosion in der Feuerwerksfabrik S. E. Fireworks, die im Jahr 2000 große
Teile von Enschede zerstört hat. Warum?
Ich hatte den ganzen Roman in Enschede situiert. Und er sollte 2000
spielen, weil es darin auch um die Dynamik geht, die das Internet damals
schon entfaltet hatte. Joni und ihr Freund Aaron entdecken in jener Zeit
ja, dass man mit Internetpornografie viel Geld verdienen kann. Mir wurde
erst später klar, dass in genau diesem Jahr auch die Feuerwerksfabrik
explodiert war. Ich habe die Explosion dann in meine Geschichte
eingearbeitet, denn sie passte erstklassig hinein: Sie wurde in meinem
Roman zu einem Katalysator, der auch die Explosion der Familie Sigerius
beschleunigte.
Sie haben selbst in Enschede gewohnt, als die Feuerwerkfabrik in die Luft
ging, oder?
Ja. Die ganze Stadt war noch lange im Bann dieser Katastrophe. Wenn man in
ein Café kam, wurde am Nebentisch noch ein halbes Jahr später fast immer
über die Explosion gesprochen. Und auch heute wird die Explosion in
privaten Gesprächen noch regelmäßig erwähnt.
Nachdem „Bonita Avenue“ 2010 auf Niederländisch erschienen war, hat jemand
Ihre Romane in Buchhandlungen zerrissen. Was war da los?
Nachdem das Buch ein paar Monate auf dem Markt war, hat jemand in zehn
verschiedenen Buchhandlungen in drei Städten – Leiden, Utrecht und
Zaltbommel – Bücher von mir zerrissen. Insgesamt ungefähr 70 Exemplare.
Total bizarr! Das war eine große Geschichte, und mein Roman war wohl noch
nie so viel in den Medien wie am Tag danach. Kamerateams und
Radiojournalisten kamen, und dauernd wurde darüber getwittert. Der Täter
muss total erschrocken gewesen sein. Denn er hat daraufhin einen anonymen
Brief an meinen Verleger geschickt und sich entschuldigt. Außerdem hat er
die Buchhandlungen entschädigt, indem er dort nachts Briefumschläge mit
20-Euro-Scheinen eingeworfen hat. Er schrieb, er sei einfach überspannt
gewesen. Darüber hinaus hat er leider nicht erklärt, warum er sich gerade
an meinem Buch abreagiert hat. Sehr schade!
Der Mann wurde nicht identifiziert?
Nein. Da er die Buchhandlungen entschädigt hat, haben wir es dabei bewenden
lassen.
Schreiben Sie bereits an Ihrem nächsten Buch? Und verraten Sie auch schon,
worum es darin gehen wird?
Ja, ich arbeite schon lange an meinem nächsten Roman, aber ich verrate noch
nichts über den Inhalt. Was ich aber sagen kann, ist: Der Roman wird wieder
sehr umfangreich werden, und es wird auch wieder sehr lange dauern, bis er
fertig ist. Wahrscheinlich wieder vier Jahre. Da ich jetzt schon anderthalb
Jahre daran arbeite, wird er wohl in zweieinhalb Jahren auf Holländisch
fertig sein.
1 Jul 2013
## AUTOREN
Katharina Borchardt
## TAGS
Roman
Niederlande
Roman
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