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# taz.de -- Neues Dandy-Magazin „Tweed“: Das Edelste sind die Anzeigen
> „Tweed“ will ein Magazin für den britischen Lebensstil sein und scheitert
> grandios. Der Heftgestaltung fehlt die Klasse, die Texte sind
> routiniert-lieblos.
Bild: Niete mit Nadelstreifen: Das Cover der Erstausgabe.
Eigentlich ist mit dem Button schon alles verloren. In Orange hängt er auf
dem Titelbild, ist gezackt, „Die 33 wichtigsten Regeln für echte Gentlemen“
steht darauf. Das ist so dumm. So grundfalsch. Aber auch so treffend.
Aber einen Schritt zurück: Die Tweed, deren Erstausgabe gerade erschienen
ist, bezeichnet sich als „Magazin für den britischen Lebensstil“, sie will
den deutschen Dandy bedienen, mit einem Themenmix, der von einer Reportage
beim Oldtimertreffen „Goodwood Revival“ bis zu Polo in Deutschland reicht,
vom Schreiben mit dem Füllfederhalter bis hin zur Lederschuhpflege. Auch
Rasiermesser kommen vor, was kein Wunder ist, denn Messer-Fachliteratur
gehört zum Schwerpunkt des herausgebenden Wieland-Verlags.
Das Heft passt eigentlich hervorragend in unsere Zeit, seine Idee leuchtet
ein. Erstens bedient Tweed den akuten Neokonservatismus des
Manufactum-Biedermeiers mit seiner Sehnsucht nach Tradition, nach Handwerk,
nach „echten“ Dingen – ein Gegenpol zur Digitalisierung und zu „unseren
hektischen Zeiten, in denen ständig alles anders wird“, wie Chefredakteur
Hans-Joachim Wieland im Editorial erklärt.
Und zweitens gibt es neben dem allgegenwärtigen Zeitungssterben durchaus
einen Markt für neue Magazine – sofern diese klug Ränder bedienen und genau
die Wertigkeit mitbringen, die dem Internet aktuell noch fehlt. Speziell
bei gut verdienenden Männern im klassischen Gendersinne scheint das zu
funktionieren, wie die 2009 erfolgreich eingeführten Magazine Beef! und
Business Punk zeigen.
## Kleinteiliges Layout
Doch muss man die Sache natürlich auch sauber umsetzen. Und hier scheitert
Tweed grandios – weil man dem Lebensstil eines Gentlemans eben nicht mit
den Bordmitteln eines gewöhnlichen Lifestylemagazins beikommen, man ihm
eben nicht ein kleinteiliges, hektisches Layout überstülpen kann, das
vielleicht zeitgemäß ist, aber nicht klassisch und gediegen. Da gibt es
Randspalten mit Infohäppchen, freigestellte Fotos hier, Textboxen dort,
unmotivierten Weißraum – selbst die ganzseitigen Fotos als Texteinstieg,
die an sich gelungen sind, werden durch eine am Rand durchlaufende
Ressortnamenleiste kaputt gemacht.
Alles wirkt billig und unangemessen, bis hin zur Wahl eines dünnen
Hochglanzpapiers. So fühlt sich Tweed an wie eine Mischung aus Men’s
Health, Peek-&-Cloppenburg-Katalog und den Bordmagazinen von
Fluggesellschaften, die Anzeigen gehören noch zu den edelsten Seiten. Das
ist für einen Verkaufspreis von 9,80 Euro beschämend.
Die Texte changieren zwischen routiniert-lieblos und verfloskelt. Der
Bericht über das altehrwürdige Londoner Savoy Hotel etwa – was hätte man da
anstellen können? Einen Butler, einen Manager, einen Gast begleiten, das
alles zu einer Reportage verbinden, die das Hotel lebendig macht.
Stattdessen liest sich der Text wie aus Internetrecherchen und Pressetexten
zusammengeschrieben: Viele interessante Information und Fakten, aber
seelenlos.
So ist es mit dem gesamten Heft: Anstatt in die britisch-versnobte
Lebenswelt einzutauchen und aus ihr zu berichten – was auch für
Außenstehende ein spannender Einblick hätte sein können – wird sie nur step
by step erklärt, wie in einem Wochenendseminar. „Erwachsene Männer, die
erfolgreich im Leben stehen und ihren eigenen Stil gefunden haben“ will die
Tweed ansprechen. Und wird nur Menschen erreichen, die zwar Geld haben,
aber sich ihren Stil erst noch vorschreiben lassen müssen.
24 Jul 2013
## AUTOREN
Michael Brake
## TAGS
Magazin
Großbritannien
taz lab 2024
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