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# taz.de -- Die erste deutsche Moschee: Eine wechselvolle Geschichte
> Vor 90 Jahren wurde in Charlottenburg der Grundstein für die erste
> Moschee gelegt. Der Bau scheiterte. Ein Jahr später wurde in Wilmersdorf
> gebaut.
Bild: Die älteste Moschee Deutschlands in Wilmersdorf, auch Berliner Moschee g…
Am letzten Freitag des Ramadan liegt Berlin unter einer Glocke drückender
Hitze. Gläubige Muslime müssen den Tag trotzdem ohne Getränke verbringen.
In Wilmersdorf wird es ihnen etwas leichter gemacht. Zwischen Villen und
Kleingärten steht in der Brienner Straße 7–8 Deutschlands älteste Moschee.
Ihr Gebetsraum ist angenehm kühl. Durch Spitzbögen fällt sanftes Licht in
den Raum, der mit Kuppelgewölbe, Ornamenten und pastellfarbenen Wänden wie
eine Kulisse aus einem alten Märchenfilm wirkt. 1924 wurde der Grundstein
des Gebäudes gelegt, die feierliche Einweihung folgte 1928. Doch eigentlich
sollte die erste Moschee in Deutschland nicht in Wilmersdorf, sondern in
Charlottenburg stehen.
Am 6. August 1923 wurde an der Riehl- Ecke Dresselstraße ein Grundstein
gelegt: Hier sollten eine Moschee und die Mission der Ahmadiyya Muslim
Jamaat gebaut werden. Doch wer 1923 in Deutschland ein größeres Bauprojekt
angehen wollte, sah sich bald mit der galoppierenden Inflation
konfrontiert. Am Tag der Grundsteinlegung mussten für einen Dollar über 4
Millionen Mark bezahlt werden. Der Umtausch der vorwiegend in Indien
gesammelten Spendengelder in Reichsmark wäre deren Vernichtung
gleichgekommen. Das Moscheeprojekt war damit gescheitert. Die verbliebenen
Gelder flossen in die Fazl-Moschee in London, dem heutigen Hauptsitz der
Ahmadiyya Muslim Jamaat.
Doch damit war das Projekt einer Moschee für die Hauptstadt noch nicht
gestorben. Muslime hatten im Berlin der Weimarer Republik einen guten Ruf.
Nicht nur im Handel waren sie zahlreich zu finden, sondern auch an der
Universität. Auch zur zweiten Grundsteinlegung 1924 in Wilmersdorf
erschienen daher viele Nicht-Muslime, viele Berliner freuten sich über den
exotischen Bau mitten in der Stadt.
Ahmed Saadat, der Imam der Wilmersdorfer Moschee, weiß, dass diese Stimmung
heute verflogen ist. 2011 war sie Ziel eines Brandanschlags, der eine der
Eingangstüren beschädigte. Vor seiner Zeit sei das gewesen. Als er nach
Berlin kam, habe er Angst vor Übergriffen gehabt, das habe sich aber
gelegt. „Ich fühle mich hier in Gottes Haus beschützt.“ Trotzdem hat die
Gemeinde einige Kameras am Gebäude angebracht.
Saadat wirkt wie das Gegenteil rechtspopulistischer Schreckensbilder von
fundamentalistischen Predigern. Über das Gelände der Moschee bewegt er sich
in Badeschlappen, die er vor dem Gebetsraum ablegt. Mit einem beständigen
Lächeln begrüßt der 34-Jährige Gläubige und Besucher. Die Predigt hält er
in Jeans und Poloshirt und auf Englisch. Im Laufe des Freitagsgebets
versammeln sich rund 20 Menschen in der Moschee, die gut 100 Personen
fassen könnte. Viele Pakistaner, ein Diplomat aus Mali, aber auch deutsche
Konvertiten lauschen Saadats Ausführungen über das Fasten im Ramadan. „Die
sind hier sehr liberal“, erzählt nach dem Gottesdienst ein Besucher.
Tatsächlich gibt es in der Moschee keine Trennung zwischen Frauen und
Männern. „Davon steht nichts im Koran, also machen wir es auch nicht“,
erklärt Imam Saadat.
Um die genaue Auslegung des Koran geht es der Ahmadiyya vorrangig. Ihr
Gründervater entwarf im späten 19. Jahrhundert in Britisch-Indien die Lehre
eines reformierten Islam. Schnell entwickelten sich Kontroversen mit
anderen islamischen Strömungen. Bis heute gilt die Ahmadiyya in der
muslimischen Welt als Sekte, der mehrheitlich Ablehnung entgegengebracht
wird.
2007 wurde der Sektenvorwurf gegen die Ahmadiyya auch in Berlin
aufgegriffen. Diesmal durch eine islamophobe Bewegung, die von der CDU bis
zur NPD reichte und eine Moschee der Ahmadiyya Muslim Jamaat in
Pankow-Heinersdorf verhindern wollte.
Imam Ahmed Saadat sind Ängste vor seiner Religion unverständlich. Auch von
Thilo Sarrazin hat Saadat noch nichts gehört. Die Wilmersdorfer Moschee ist
für ihn eine göttliche Fügung. Dass sie überhaupt gebaut werden konnte –
auf dem Gelände war ursprünglich ein Kirchenbau geplant – vor allem aber,
dass sie den Krieg so gut überstand. Der Imam möchte vor allem ein
positives Bild seiner Religion verbreiten. So erklärt er etwa die Idee des
Dschihad: „Es ist kein Krieg gegen Christen oder Juden, sondern ein Kampf
für Gerechtigkeit.“ Und es gehe um den inneren Kampf eines gläubigen
Muslimen: darum, eigene Schwächen und Fehler zu besiegen.
4 Aug 2013
## AUTOREN
Jörn Wegner
## TAGS
Moschee
Archäologie
Leipzig
CDU
Ramadan
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