Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schwarzes Erbe: Der Sklave, ein Familienschmuck
> Vor 150 Jahren verbot die niederländische Kolonialmacht die Sklaverei. An
> das Jubiläum erinnern in Amsterdam mehrere Ausstellungen.
Bild: Die Black Heritage Tour führt durch die Kanäle von Amsterdam vorbei an …
Eine Gruppe junger Männer steht an einen Betonsockel gelehnt. Sie tragen
Sportanzüge und sind um die 30 Jahre alt. Auf dem Sockel ragt die Statue
eines Menschen empor. Die Bronzeplastik bildet einen Afroamerikaner ab. Die
Figur stellt Anton de Kom dar. Nach ihm ist auch der Platz benannt, auf dem
die Plastik steht.
Seine Herkunft hat er mit den jungen Burschen vor ihm und der Mehrheit der
Menschen im Amsterdamer Stadtteil Bijlmer gemeinsam: Sie alle stammen aus
Suriname in Südamerika. „Natürlich weiß ich, wer das ist!“ Einer der jun…
Männer, Michael Druiventak, hält die Frage für absurd, ob er de Kom kenne.
„Jedes Kind hier weiß über ihn Bescheid.“
Im Jahr 1934 veröffentlichte der gelernte Buchmacher Anton de Kom das
antikolonialistische Manifest „Wir Sklaven von Suriname“. De Kom ist die
Identifikationsfigur schlechthin für die surinamestämmigen Niederländer.
Daher fällt sein Name oft in diesem Jahr, in dem das Land der Abschaffung
der Sklaverei vor 150 Jahren gedenkt. Über seine eigenen Vorfahren weiß der
junge Druiventak, der heute mit Freunden die Ausstellung besucht, so gut
wie nichts: „Ich kenne weder den Ort, an dem sie gelebt haben, noch ihre
Namen. Ich habe auch keine Ahnung, wer ihre Eigentümer waren.“
## Der Sklave auf der Hausfassade
Mit der Abbildung von Sklaven am Haus stellten die Eigentümer damals ihren
Reichtum zur Schau. Die Darstellungen von Sklaven in den Giebelreliefs
einiger Herrschaftshäuser in der Stadt, die man vom Kanal aus besichtigen
kann, sind das untrüglichste Zeichen dafür, wie wenig Unrechtsbewusstsein
bei den Händlern, allesamt fromme Christen, herrschte. Der Sklave teilt
sich den Platz auf der Hausfassade mit exotischen Blumen und Zuckerrohr und
zählt damit zum Familienschmuck.
Die Glasvitrinen und Tafeln des Museums der Universitätsbibliothek
Amsterdam in den zum Schutz der Objekte abgedunkelten Räumen sind dezent
beleuchtet. Die Ausstellung zur Geschichte der Sklaverei in Wort und Bild
ist schlicht gestaltet. Und gut besucht. Paul Knevel, Historiker an der
Universität Amsterdam, deutet auf einen Wechselbrief in einem Schaukasten:
„Die Plantagenbesitzer in Suriname erhielten eine Entschädigung von 300
Gulden pro Sklave, weil ihnen mit der Abschaffung der Sklaverei Eigentum
verloren ging: die Sklaven nämlich“, erklärt er. „Die Sklaven hingegen
bekamen nichts.“
Der Neuzeithistoriker weist darauf hin, dass die per Gesetz Befreiten für
eine Übergangszeit von zehn Jahren auf den Plantagen weiterarbeiten
mussten, weil sonst die Einfuhr von Zucker, Tabak und Kaffee ins Mutterland
schlagartig zusammengebrochen wäre. Daher halten einige Surinamer das Jahr
1873 für das eigentliche Ende der Sklaverei und tragen Buttons mit dieser
Jahreszahl am Revers.
## Die dunkle Seite des Goldenen Zeitalters
Knevel deutet auf ein aufgeschlagenes Buch, das vom Schiffsbau handelt und
1671 in Amsterdam erschienen ist. Auf den Ansichten des Schiffskörpers von
oben sind Hunderte nebeneinander liegende, schwarz gefärbte Körper
abgedruckt. „Hier wird erläutert, wie viele Sklaven bei optimaler
Auslastung von Afrika in die Kolonien transportiert werden können“, so
Knevel. Der Spezialist für Geschichte im öffentlichen Raum sieht das Land
im Gedenkjahr noch weit entfernt von einer gemeinsamen Erinnerungskultur:
„Für die Mehrheit der Niederländer ist die Sklaverei eine abgeschlossene
Geschichte. Für die Betroffenengruppen ist sie Teil ihrer Identität.“
Zum kollektiven Erinnerungsschatz der Niederländer gehört der Begriff des
„gouden eeuw“, des Goldenen Zeitalters. Damit bezeichnen sie das 17.
Jahrhundert, als die junge Republik zur führenden Handels- und Seemacht
Europas aufstieg und die Malerei eine Blütezeit ohne Beispiel erlebte.
Denselben Titel führt auch eine weitere Ausstellung, die das Amsterdam
Museum zurzeit präsentiert.
Das Besondere an ihr ist, dass sie die kollektive Erinnerung der
Niederländer an das goldene Zeitalter vor den Augen der Besucher
korrigiert. Auf einem Gemälde von Gerrit Berckheyde von 1685 sind die
Häuserfronten der Amsterdamer Herengracht zu sehen. Auf der Tafel, die das
Kunstwerk bislang beschreibt, heißt es: „Die brandneuen Häuser waren von
beispiellosem Reiz. Berckheyde stellte die Stadtpaläste an einem herrlichen
Tag dar. Um den Blick auf die herrlichen Häuser nicht zu stören,
verzichtete er auf die Bäume an der Wasserseite. Die Darstellung des
Warenverkehrs auf dem Wasser dagegen bildete er mit ab.“
Nun ist dieser Tafel aus Anlass des Gedenkjahres von einem anderen
Ausstellungsteam eine zweite beigefügt worden, auf der steht: „Dieser Teil
der Herengracht, das ’goldene Band‘, ist der Ort, an dem die Superreichen
wohnen. Die Konzentration von Direktoren der Westindischen Compagnie und
der Gesellschaft von Suriname war hier sehr hoch. Es sind Männer wie Willem
Boreel, Jan Bernd Bicker, Cornelis Bors van Waveren und Ferdinand van
Collen, die eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung und der Organisation
afrikanischer Gefangener spielen.“
Die Westindische Compagnie und die Gesellschaft von Suriname waren die
bedeutendsten Institutionen des niederländischen Sklavenhandels. Insgesamt
deportierten niederländische Händler etwa eine halbe Million Menschen aus
Afrika in die landeseigenen Kolonien. Anhand der neuen Bildbeschreibungen
erfahren die Besucher des Amsterdam Museum nicht nur, wie stark der
einstige Reichtum auf dem Sklavenhandel beruhte. Die ästhetischen
Beschreibungen werden entzaubert durch die Nennung der Täter und ihrer
Taten. Die Betrachter bekommen eine Ahnung davon, wie angreifbar das Bild
vom Goldenen Zeitalter ist.
24 Aug 2013
## AUTOREN
Clemens Tangerding
## TAGS
Sklaverei
Kolonien
Reiseland Niederlande
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.