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# taz.de -- Die Wahrheit: Ferien in Schwarz und Weiß und Rot
> Zwei Wochen Urlaub auf Rügen und Usedom. Leider verursacht ein nicht
> geringer Teil der vorpommerschen Bevölkerung einen gewissen Brechreiz.
Bild: Wenn das der Bettvorleger wüsste: der Föööhrer als Kunstwerk des isra…
Urlaub, zwei Wochen. Rügen, Usedom, feine Sache. Okay, wir hätten die 800
Kilometer auch in südlicher statt in nordöstlicher Richtung fahren können.
Dann wären wir nicht in so mondänen und klangvollen Orten wie Poppelvitz
oder Zinnowitz angekommen, sondern nur in Avignon oder Venedig. Aber nein:
Rügen sollte es sein. Rügen und Usedom, wie sie geschwisterlich und
ängstlich nah am Festland in der algenreichen Brühe liegen, die grün wie
Spinat vor sich hinsuppte.
Nun ist die Landschaft mit ihren Dünen, Hünengräbern und heiligen Hainen
nicht ohne Liebreiz. Rein theoretisch sollte man sich dort durchaus erholen
können. Leider verursacht ein nicht geringer Teil der vorpommerschen
Bevölkerung einen gewissen Brechreiz.
Auf dem Naturcampingplatz lernten wir morgens eine nette Familie aus
Rotterdam kennen, die hier ein paar Tage bleiben wollte. Nachmittags
kreuzte neben den Niederländern eine seltsame Horde auf. Zwei Motorräder,
drei Autos, rasch zur Wagenburg arrangiert und dann die Fahne der
Konföderierten gehisst. Bis in den späten Abend hörten die neuen Gäste
engagierten Rechtsrock und ließen ihre Motoren jaulen. Am nächsten Morgen
waren die Holländer abgereist. Nicht ganz grundlos.
So ging das weiter. Auf dem Spielplatz ein Vater, auf dessen T-Shirt eine
Mischung aus Zombie und Wikinger prangte, und der wie besinnungslos nach
seinem Sohn brüllte: „Erik!“ Im Bus zum Kap Arkona ein anderer Vater mit
einer Böhse-Onkelz-Tätowierung im Nacken, von der man nur das „Böhse“ le…
konnte. Beim Stadtbummel in Bergen eine schrecklich adrette Familie,
komplett in Klamotten von Thor Steinar gekleidet. Auf dem
Supermarktparkplatz und in der Schlange zur Fähre jeweils ein Auto mit dem
Aufdruck „Todesstrafe für Kinderschänder“ in der Heckscheibe – in Frakt…
Und dann, am Strand vor Prora, der junge Mann mit der Bierdose in der Hand
und dem Tattoo quer über den nackten Oberkörper: „Meine Ehre heisst Treue�…
Lässt sich so was übersehen? Soll man wegbleiben? Erst recht hinfahren? Das
sind so Fragen, die beantworten mag, wer will.
Wäre unser Ferienziel – bildlich gesprochen – ein leckerer Kuchen gewesen,
wir hätten darin täglich auf ein neues Stückchen rechter Scheiße gebissen.
Leute, die ganz öffentlich einer Vergangenheit nachtrauern, die aus ihnen
selbst Hackfleisch gemacht hätte. Schon bald fantasierte ich davon, diesen
Gestalten ihren Willen und sie im Winter nach Russland marschieren zu
lassen. Gern ohne Krieg, aber auch ohne Schuhe. Um zu sehen, wie weit sie
kommen. Bis zur Weichsel? Bis Minsk?
Nun ist Hass ansteckend und selten erholsam. Für Urlauber, die noch ein
oder zwei Tassen im Schrank haben, wäre daher ein „Nazi-Blocker“ in
Brillenform sehr hilfreich. Einfach aufsetzen, und schon ist da nur noch
Landschaft und Sanddorn. Dann könnte man mit Nina Hagen sagen: Wir ha’m den
Farbfilm vergessen, bei meiner Seel. Nun glaubt uns kein Mensch, wie
schlimm’s da war, haha. Alles schwarz und weiß und rot. Und später nicht
mehr wahr.
29 Aug 2013
## AUTOREN
Arno Frank
## TAGS
Rügen
Usedom
Nazis
Wahrheit
Hitler
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