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# taz.de -- Caricatura-Nachwuchsakademie: Damit es lustig bleibt
> Zeichnen, tuschen, texten, weil die Welt auch morgen noch lachen will:
> Ein Besuch bei der Nachwuchsakademie der Caricatura in Kassel.
Bild: Wie bringt man Haltung aufs Papier? Ein Ergebnis der Caricatura-Nachwuchs…
KASSEL taz | Selten wurde ein alter Bahnhof besser genutzt als der in
Kassel. Im ehemaligen Hauptbahnhof der nordhessischen Stadt ist heute die
Caricatura zu Hause, die in ihrer Galerie für Komische Kunst eben diese
ausstellt – und einmal im Jahr Nachwuchskarikaturisten zur Sommerakademie
einlädt. Die Idee: Talente auf dem Gebiet des Komischen zu fördern – damit
die Welt auch in Zukunft etwas zu lachen hat.
Doch davor kommt die Arbeit. In diesem Jahr hatten 20 Zeichner in der
ersten Augustwoche den Weg nach Kassel gefunden, um sich mit dem Thema
politische Karikatur zu beschäftigen. Als Akademieleiter hatte man den
Cartoonisten Til Mette gewonnen, der vor Jahren bei der taz angefangen hat,
heute für den Stern zeichnet und lange Jahre in New York lebte.
Eine Woche zeichneten, malten und tuschten die Teilnehmer unter seiner
Anleitung in dem großen Raum der Caricatura-Bar, die zum Showroom
umfunktioniert wurde. Die Teilnehmer, zehn Frauen und elf Männer, sind
Illustratoren, freie Künstler, Grafiker oder arbeiten schon als
Cartoonisten oder Karikaturisten. Sie alle einte der Wunsch, mehr über das
Handwerk der komischen Kunst zu lernen. Und alle können zeichnen, viele
sogar sehr gut.
Auf den Tischen liegen Aquarellfarben oder Filzstifte bereit. Handarbeit
ist angesagt, Computer nutzt keiner. Der erste Eindruck: Die meisten sind
sehr fleißig und würden gern bis spät in die Nacht arbeiten. Die Vorgaben
besorgt Til Mette – der, wie immer krulleköpfig und aufgeräumt redend, die
Themen vorgibt.
Am Sonntag, dem ersten Tag, steht „zum Warmwerden“ das nur auf den ersten
Blick leichte Thema „Papst“ auf dem Programm. Mettes Konzept ist es, der
Gruppe jeden Tag ein Thema vorzugeben, das innerhalb von drei Stunden von
den Teilnehmern in eine Zeichnung umgesetzt werden soll.
## Das Thema: „Haltung“
Am Montag geht es dann in die Vollen, das Thema heißt „Haltung“. Mette
fragt, ganz Pädagoge: „Wollt ihr euch die nächsten drei Stunden damit
beschäftigen?“ Für Mette ist Haltung wichtig – sie entscheide darüber, w…
eine Zeichnung wahrgenommen werde. Und damit einhergehend: Wie
unterschiedlich schauen verschiedene Generationen auf ein Thema?
Als Beispiel nennt Til Mette Bushido, den viele muslimische und arabische
Jugendliche gut finden, da sie glauben, sonst kein Gehör zu finden, und die
sich in seiner Musik und vor allem in seinen Texten mit ihren Problemen
wiederfinden. Gleichzeitig könne eine Bushido-Karikatur auch eine
vollkommen andere Haltung transportieren, sagt Mette, etwa die oft als
frauenverachtend kritisierten Texte des Rappers thematisieren.
Welches Themengebiet die Nachwuchszeichner beackern, um „Haltung“ auf das
Papier zu bannen, ob Ökologie, Sexismus oder Multikulti, das ist erst
einmal egal, es soll allerdings eine Meinung zum Thema herauskommen. Die
Devise lautet: Haltung. Meinung! Und Humor, der sollte selbstverständlich
dabei sein.
Im nächsten Arbeitsschritt versucht Mette, den Blick wieder auf das
Praktische zu lenken: Wie kommt man zu Themen, wie entwickelt man ein
Gespür dafür? Sein Tipp für die Eleven ist simpel: Zeitung lesen. Die
tagesaktuelle Politik verfolgen. Die Lust entwickeln, etwas madig zu
machen. Vor allem aber sollten die Nachwuchszeichner Spaß daran haben, sich
selbst zu artikulieren.
Das Problem: Sich zu entwickeln kostet Zeit. Und die, sagt Mette, werde den
Karikaturisten heute oft nicht mehr gewährt. Man müsse als Zeichner schnell
performen, denn die Konkurrenz ist groß. Man müsse bundesweit bekannt sein,
um zu überleben, lokale Zeichner gebe es nicht mehr.
## Der Meister ist streng aber fair
Zeichnen – und anschließend kritisieren: Die Karikaturen werden aufgehängt,
alle Teilnehmer stehen im Kreis, während Til Mette die Ergebnisse einzeln
begutachtet. Als Kritiker ist er hart, aber durchaus fair.
Eine Zeichnung zum Afghanistan-Konflikt, urteilt der gestrenge Meister,
verharmlose das ernste Thema. Oder er entdeckt einen Kalauer, für ihn die
unterste Schublade des Humors, jedenfalls dann, wenn er nicht funktioniert.
Eine andere Zeichnung bewirkt keinen Lacher, sie hat keine zweite Ebene,
wie Til Mette anmerkt. Nackte Männer zu zeichnen, ist noch keine
feministische Haltung.
Marin Sonntag ist der Leiter der Caricatura. Er und seine Mitarbeiterin
Saskia Wagner umsorgen die Gruppe Tag für Tag, um sie arbeitsfähig zu
halten. Sie kaufen nicht nur täglich alle überregionalen Zeitungen für den
inhaltlichen Input, sondern stellen einen großen Kühlschrank mit Getränken
auf und besorgen Unmengen von Süßigkeiten. Das ist wichtig, da viele bis
spät in die Nacht an ihren Zeichnungen arbeiten.
Ab und zu gibt es dann auch mal eine Visite vom Chef persönlich: Achim
Frenz ist nicht nur Gründer der Caricatura Kassel, sondern auch Direktor
des Museums für Komische Kunst in Frankfurt am Main. Sein Wissen über
aktuelle und historische Karikaturen ist beeindruckend. Für die Schüler,
denen er immer wieder über die Schulter schaut, ist er ein wichtiger
Berater.
Auch Gestik und Mimik der Figuren müssen stimmen, der Cartoonist Peter
Butschkow weiß, wie es richtig geht, und gibt Tipps. Schließlich schaut
auch noch der Autor und Kabarettist Bernd Gieseking vorbei, der auch wegen
seiner Erfahrung als Bühnensprecher zum Textcoach wird: Wie findet man den
Satz, der die Zeichnung erst komplett macht?
## Die Zusammenarbeit mit den Redaktionen
Der kreative Prozess ist das eine im Berufsalltag, wie man Abnehmer für
seine Ergebnisse findet und möglichst reibungslos mit ihnen
zusammenarbeitet, eine andere. Verschiedene Referenten erzählen den
Nachwuchstalenten dazu aus ihrem Alltag – wie die Fotoredakteurin der taz,
die über die Zusammenarbeit mit Karikaturisten in der Redaktion berichtet.
Cartoonisten und Karikaturisten sind oft Einzelkämpfer, für den Nachwuchs
wird die Sommerakademie der Caricatura in dieser Woche zum Zentrum der
Welt. Hier haben sie die Chance, andere Zeichner kennenzulernen, sich zu
vernetzen. Und zu lernen, lernen, indem sie zeichnen, zeichnen. Bis alles
getan ist – und beim Abschiedsumtrunk auf die große Zukunft der Karikatur
angestoßen wird.
20 Sep 2013
## AUTOREN
ISABEL LOTT
## TAGS
Nachwuchs
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