| # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Guardiolas makellose Kunst | |
| > Der Fußball des FC Bayern ist ultravariabel. Trainer Pep Guardiola | |
| > kombiniert dabei Stilelemente Barcelonas mit jenen des Triple-Siegers – | |
| > und bleibt demütig. | |
| Bild: Der weise Mann und der Ball. | |
| Das Schöne an Pep Guardiola ist – natürlich neben dem wunderbaren Fußball, | |
| mit dem er die Welt beschenkt – seine Demut. Voller echtem Interesse beugte | |
| der spanische Trainer sich nach dem faszinierenden 4:0 des FC Bayern auf | |
| Schalke nach vorne, um auf der Pressekonferenz seinen armen Kollegen Jens | |
| Keller beobachten zu können, der mühsam nach den richtigen Worten suchte. | |
| Jürgen Klopp hätte sich in diesem Augenblick in seiner ganzen | |
| Selbstherrlichkeit gesonnt, in Guardiolas Blick lagen ein Hauch von | |
| Zärtlichkeit und jede Menge Mitgefühl. Natürlich wusste er, dass es | |
| schönere Aufgaben gegeben hätte, als an diesem Tag gegen die Bayern zu | |
| spielen. „Wir haben heute unser bestes Bundesliga-Spiel absolviert“, sagte | |
| Guardiola, dem das erstaunliche Kunststück zu gelingen scheint, eine | |
| Mannschaft neu zu erfinden, die im Vorjahr praktisch unbesiegbar war. | |
| Skeptiker hatten ja befürchtet, der Trainer werde versuchen, in München | |
| eine fußballerisches Remake des großen FC Barcelona der Jahre 2008 bis 2012 | |
| zu inszenieren. Andere empfahlen, den Stil der Vorsaison weiter zu pflegen. | |
| Aber Guardiola ist schlau genug, um zu wissen, dass das Ergebnis dieser | |
| beiden Strategien immer von der faden Aura eines als Kopie erkennbaren | |
| Kunstwerks umweht worden wäre. | |
| Also schafft er einfach etwas ganz Neues. Der 42-Jährige Spanier mixt | |
| Elemente des FC Barcelona (Ballbesitz, Flachpassspiel durch die Mitte) und | |
| Zutaten aus der Münchner Vorsaison (Athletik, Wuchtigkeit) mit einigen | |
| neuen Ideen (Variantenreichtum und totale Flexibilität), und dabei entsteht | |
| ein Fußballkonzept, das so noch nie da gewesen ist. | |
| ## Maximalen Improvisationskunst | |
| Es gibt nur noch wenige wirklich verlässliche Strukturelemente im Münchner | |
| Spiel. „Manchmal ist es so, manchmal ist es so“, sagte Bastian | |
| Schweinsteiger. „Wir sind sehr flexibel, der Trainer hat ganz viele | |
| Varianten auf dem Kasten.“ Bestand hat allein das Leitmotiv einer maximalen | |
| Improvisationskunst. | |
| In Gelsenkirchen spielte wieder Philipp Lahm auf der zentralen | |
| Sechserposition, in jenen Räumen also, wo Schweinsteiger noch im Vorjahr | |
| gemeinsam mit Javi Martinez die besten Offensivreihen der Welt entzauberte. | |
| Bisher war unklar, ob Lahm auf dieser Position nun eine Notlösung ist, oder | |
| ob diese Variante Guardiolas heimliche Lieblingsoption sein könnte. | |
| Nun spielte der ehemalige Rechtsverteidiger im Zentrum, obwohl | |
| Schweinsteiger wieder fit war und mit Toni Kroos in den Räumen vor Lahm | |
| agierte. Wobei die Sache mit den Positionen eine ziemlich spezielle | |
| Angelegenheit ist bei den Münchnern. Denn irgendwie spielt jeder überall. | |
| ## Hase und Igel | |
| Mit dieser Strategie entzogen sie sich gekonnt dem Zugriff ihrer | |
| Gegenspieler. „Wir haben probiert, eng an den Männern zu stehen“, sagte | |
| Schalkes Kevin-Prince Boateng, „aber das Positionsspiel und die Laufwege | |
| von denen sind überragend, wenn das klappt, dann ist es sehr schwierig, | |
| aggressiv zu sein und Zweikämpfe zu führen.“ Der Ball war immer schon weg, | |
| wenn die Schalker ankamen, um zu stochern, zu grätschen. Diese | |
| ultravariable Münchner Mannschaft spielte einfach zu verwirrend. | |
| Und das zentralen Dreieck Lahm/Schweinsteiger/Kroos war dafür zuständig, | |
| das bisherige Problem der Guardiola-Bayern zu bekämpfen: die Anfälligkeit | |
| bei Konter. Die drei Spieler waren aufmerksam, robust, sie spielten | |
| unglaublich schlau. „Wir brauchen intelligente Spieler im Mittelfeld“, | |
| meinte Guardiola. | |
| Ein Journalist war derart beeindruckt von dieser Darbietung, dass er sich | |
| beim Trainer erkundigte, wie nah dieses Spiel dem Zustand seiner | |
| Vorstellung von Perfektion gekommen sei. „Es gibt nicht das perfekte Spiel | |
| in der Fußballgeschichte“, erwiderte Guardiola, aber nicht weniger | |
| Zuschauer verließen das Stadion mit dem Gefühl, etwas gesehen zu haben, das | |
| sich der großen Utopie von fußballerischer Makellosigkeit zumindest nähern | |
| konnte. | |
| 22 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Theweleit | |
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