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# taz.de -- Die Wahrheit: Letztes Kapitel ohne Happy End
> Neues aus Neuseeland: Der Kiwi-Buchmarkt wird umgekrempelt. Beim
> ehemaligen Ehrengast der Frankfurter Buchmesse herrscht Krise.
Bild: Haka in Washington: Destiny Church am Lincoln Memorial.
Zufälle gibt’s! Kaum schreibe ich diese trauerumflorten Zeilen, gewinnt
doch glatt Eleonar Catton den Man-Booker-Preis. Ja, eine Neuseeländerin
sackte am Mittwoch den begehrtesten Literaturpokal ein. Als Jüngste
überhaupt, und für den dicksten Booker-Schmöker aller Zeiten: „The
Luminaries“ hat 832 Seiten.
So viele Superlative, so toll! Das erinnert mich ans letzte Jahr, als ich
von der Buchmesse wiederkam und jeder fragte, wie wir waren. Denn
Neuseeland, das ja alle so schätzen, sich nach ihm sehnen, aber selten was
von ihm lesen, war damals Ehrengast gewesen. Ein Riesen-Tamtam.
Die gefühlte Hälfte aller einheimischen Autoren wurde nach Frankfurt
verschifft, wo sie etwas ratlos rumstand. Es war wie auf Klassenfahrt.
Radio New Zealand machte eine Live-Schaltung, man feierte sich ab, dazu
Pinot Noir aus Central Otago – wer kann da meckern? Ich hielt mich eher an
die Freigetränke meines Verlages als bei Maori-Tänzen auf und konnte die
ganze Pazifik-Pracht kaum aufnehmen.
Aber eines war klar: So viel Beachtung wie in jener Woche hat die kleine,
feine Verlagsszene Aotearoas noch nie bekommen. Und ein Jahr später ist
klar: So beschissen wie jetzt ist es ihr auch noch nie ergangen. Während
die Frankfurter letzte Woche mit Gastland Brasilien anstießen und unsere
neue Star-Autorin in London geehrt wurde, herrscht daheim beim ehemaligen
Ehrengast Krise.
Kevin Chapman lief damals als kiwianischer Wichtigmann von Halle zu Halle.
Das deutsche Messe-Essen war ihm suspekt, er hielt sich an Hot Dogs. Im Mai
dieses Jahres tönte er als Präsident der Verlegervereinigung Neuseelands
noch: „Dies ist eine Branche, die über ein Jahrhundert lang bemerkenswerte
Widerstandskraft bewiesen hat.“ Zwei Monate später war er seinen Posten
los. Der Verlag Hachette, dessen neuseeländischer Direktor er war, machte
sein Auckland-Büro dicht und strich 15 Stellen, auch seine.
Zuvor hatte sich bereits HarperCollins aus Neuseeland zurückgezogen – die
Geschäfte werden jetzt von Sydney aus geregelt. Random House und Penguin
haben sich im Juli global vereinigt, was ein paar Druckmöglichkeiten
weniger für Kiwi-Autoren bedeutet. Und dann schloss noch Pearson seine
Tore, der größte Schulbuchverleger. Von den 2.000 Büchern, die pro Jahr in
Neuseeland erschienen, waren allein 1.200 Lese-Heftchen für Grundschüler.
Was in den letzten fünf Jahren weltweit den Buchmarkt umkrempelte, erlebten
die Kiwis in nur 12 Monaten: mehr selbstverlegte E-Books im Netz, weniger
echte Verlage. Es ist in Aotearoa billiger, sich was von Amazon schicken zu
lassen, als es im Buchladen zu kaufen. „Book shop“ bedeutet in vielen
Fällen Schreibwarenladen mit Sportzeitschriften, in dem als literarisches
Beiwerk Dan Browns Schinken und „Fifty Shades of Grey“ stehen, aber selten
ein im Lande produziertes Buch. Zum Beispiel von Awa Press. Mary Varnham
ist dort Verlegerin und sagt: „Wer weiß, ob es uns in fünf Jahren noch
geben wird.“ Mit einem Caipirinha allein lässt sich das nicht runterspülen.
Na dann: Prost, Eleanor!
16 Oct 2013
## AUTOREN
Anke Richter
## TAGS
Buchmarkt
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