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# taz.de -- Malender Roboter in Konstanz: Vom Impressionismus an geht alles
> An der Konstanzer Uni malt ein Roboter mit echter Farbe auf echter
> Leinwand – verblüffend präzise und authentisch. Was unterscheidet Kunst
> von Handwerk?
Bild: Da malt er: e-David im Einsatz.
KONSTANZ dpa | Immer wieder taucht David den Pinsel in die Farbe, dreht
sich zur Leinwand und setzt ganz sacht einen Strich darauf. Noch ist das
Bild nicht fertig, aber man kann schon erkennen, welchem Motiv er sich
widmet: Der Statue „Der Denker“ des französischen Bildhauers Auguste Rodin.
Vorsichtig setzt David noch einen Pinselstrich mit weißer Farbe an eine
Stelle des Bildes, die ihm etwas zu dunkel scheint. Dann dreht er sich mit
einem mechanischen Surren und ein wenig ruckartig wieder zurück zu den
Farben. Denn David ist kein Mensch. Er ist ein Roboter.
„Uns hat interessiert: Wie kann man menschliche Malstile mathematisch
beschreiben“, sagt der Konstanzer Informatikprofessor Oliver Deussen. Mehr
als drei Jahre lang haben er und sein Team [1][dem Roboter „e-David“] –
eine Abkürzung für „Drawing Apparatus for Vivid Interactive Display“ – …
Malen beigebracht.
Ursprünglich war die Maschine ein Industrieroboter, der zum Schweißen von
Autokarosserien verwendet wurde. „Wir haben ihn mit einer Kamera und einem
Rechner gekoppelt“, sagt Deussen. Zusätzlich ist e-David mit einer
Staffelei, einer Farbpalette, Pinseln und einer Art Waschstation
ausgestattet.
## 15 Stunden Arbeit
Um den Roboter zum Malen zu bringen, erhält sein Rechner Daten von den
Wissenschaftlern, beispielsweise ein Bild. Ein spezielles Programm
errechnet daraus, welche Pinselstriche e-David an welcher Stelle auf die
Leinwand setzen soll. [2][Dann macht er sich an die Arbeit] – und beginnt,
die verschiedenen Stellen der Leinwand mit Farbe zu füllen.
Für das Motiv des „Denkers“ braucht er rund 15 Stunden. „Während er mal…
überwacht er sich immer wieder selbst, indem er das Gemalte mit der Kamera
aufnimmt und mit dem gewünschten Ergebnis vergleicht“, sagt Deussen.
Das heißt: e-David überprüft, ob die Helligkeit in allen Bereichen des
Bildes mit dem Original übereinstimmt. Kann er das Ergebnis nicht durch
weitere Pinselstriche verbessern, hört er auf, fertig ist das Bild. Die
Malerei, die dabei entsteht, wirkt auf seltsame Art künstlich und
authentisch zugleich. Portraits hat e-David schon gemalt,
Landschaftsbilder, Akte, Tiere, Stillleben.
Jedes der Motive ist gut zu erkennen, scheint mit raschen und zielstrebigen
Pinselstrichen erschaffen zu sein. Bei einem Bild, das eine Hafeneinfahrt
zeigt, erkennt man sogar Spiegelungen im Wasser. „Im Prinzip kann e-David
vom Impressionismus an alles malen“, [3][sagt Deussen.]
## Keine Bedrohung des Kunstmarktes
Ein Blick in die Zukunft lässt angesichts von e-David Fragen aufkommen:
Kann man sich – mit einer kleineren, handlicheren Version des Roboters –
seine gewünschten Landschaftsbilder oder Portraits künftig über Nacht
fertigen lassen? Wie würde sich das auf den Kunstbetrieb auswirken?
„Von Robotern erstellte Bilder sind ein faszinierendes Feld, das gewiss
über den Status von schlichter Spielerei hinausgeht“, sagt Robert van den
Valentyn vom Kölner Auktionshaus Van Ham. Die aus dem Zufallsprinzip
resultierenden Ergebnisse seien zwar verblüffend. „Jedoch bestenfalls das
Ergebnis der Programmierer, welche in der Regel keine Künstler sind,
sondern sich an bereits vorhandene Kunstformen anlehnen.“
Kunstwerke von Künstlern unterschieden sich im wesentlichen durch die
notwendige intuitive und dem Menschen inhärente kreative Handlung. „Daher
stellen die Computerbilder keine Bedrohung des Kunstmarktes dar, da sie
eher der dekorativen Inneneinrichtung zuzuordnen sind“, sagt van den
Valentyn. „Die chinesischen Malfabriken beliefern diesen Markt zu
unglaublich niedrigen Preisen bereits heute. Ein eigenständiges Kunstwerk
erhält man auf diese Weise allerdings nicht.“
## Zukunft des Malens
Also werden wir auch in Zukunft noch Maler brauchen? „Ja“, sagt [4][Holger
Bunk von der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste] in Stuttgart. Zwar
seien solche Maschinen und Roboter Herausforderungen für Kunstschaffende,
sich in der Qualität und im Denken immer wieder neu zu positionieren. „Ich
habe aber noch von keiner Entwicklung gehört, die das, was ich als Maler
oder Kunstlehrer mache, grundsätzlich infrage stellt. Es ist bisher nie so
gewesen, dass ich sagen muss: Ja, dann ändert sich ab sofort alles und
Malen geht nicht mehr.“
Zwar sei die Qualität, in der solche Maschinen Bilder nachmalen,
wahrscheinlich sehr verblüffend. „Aber im Grunde genommen ist das ja so
etwas wie die Erfindung des Tonbandes“, sagt der Professor für Aktzeichnen
und Malerei. „Vorher hatte man sich Witze erzählt, jetzt konnte man sie
aufnehmen – in genau dem originellen Tonfall, wie das ein guter Erzähler
macht. Das bedeutet aber nicht, dass man den Witz dann immer wieder toll
findet, wenn man ihn abspulen kann.“
Vielmehr sei beim Prozess der Kunst ja gerade das Vorwärtsdrängen
interessant. Ebenso wie der Vorgang der Zeitgenossenschaft – also der
Tatsache, dass es immer wieder junge Tendenzen gibt, die Ältere zwar
erkennen und sehen, aber nicht selbst machen können. „Ich weiß nicht, ob so
eine Maschine diese Zeitgenossenschaft selbst entwickeln und erkennen
kann“, sagt Bunk. „Oder ob sie nicht doch immer von dem Programmierer
abhängig ist, der sozusagen die Aufmerksamkeitsfunktion der Maschine
entwickelt.“
Ähnlich argumentiert auch Oliver Deussen: Der Roboter sei nicht der
Künstler, sagt er. „Er ist eher eine Art moderner Pinsel.“ Denn noch malt
e-David nur das nach, was man ihm vorgibt. Er ist also nur so gut wie der
Mensch, der ihn lenkt. Für zukünftige Kunststudenten könnte das heißen: In
ihrem Stundenplan steht neben Zeichnen, Farblehre oder Maltechnik eben auch
das Programmieren.
## „Exploratory creativity“
Künftig soll der Roboter auch lernen, verschiedene Objekte jeweils
unterschiedlich darzustellen – den Hintergrund anders als den Vordergrund,
Menschen anders als Gegenstände. Er soll fähig sein, zumindest
grundsätzlich einen Bildaufbau durchzuführen und wichtige Objekte
selbstständig zu erkennen.
Noch ist das Zukunftsmusik, aber vielleicht könnten verschiedene e-Davids
eines Tages die Fleißarbeit von Malern übernehmen: diese fertigen die
Skizze, legen die Details fest – und die Roboter malen Wiesen oder Wälder
aus, geben Menschenmengen Gesichter oder bringen Struktur in ein Hausdach.
Oder sie lernen, verschiedene Malstile zu imitieren, und liefern neue
Gemälde im Stile Van Goghs.
Aber ist das dann schon Kreativität? Die britische Philosophin und Expertin
für Künstliche Intelligenz, Margaret Boden, unterscheidet laut Deussen
zwischen zwei verschiedenen Konzepten: Zum einen gebe es die „exploratory
creativity“ (auf Deutsch etwa erforschende Kreativität), bei der man
innerhalb bestimmter Regeln Möglichkeiten und Optionen auslotet. „Bezogen
auf die Kunst bedeutet das zum Beispiel die Fähigkeit, Variationen eines
Malstils umzusetzen“, sagt Deussen. „Das sind definitiv Dinge, die Roboter
bereits tun und die in naher Zukunft von ihnen in noch weitaus größerem
Umfang umgesetzt werden können.“
## „Transformational creativity“
Das zweite Konzept ist laut Boden die „transformational creativity“: Dabei
werden Ideen aus einem Bereich in einen anderen übertragen. „Transformative
Kreativität liegt vor, wenn ich beispielsweise gesellschaftliche Zustände
auf neue Art in Bildern zum Ausdruck bringe“, sagt Deussen. „Diese Art der
Kreativität wird kaum oder nur sehr begrenzt von Maschinen umgesetzt werden
können, da sie ein umfassendes Weltwissen voraussetzt.“
e-David bleibt von den Zukunftsfragen, die er aufwirft, unberührt.
Scheinbar unbeirrbar dreht er sich zwischen Leinwand und Farbpalette hin
und her, zwischendurch säubert und trocknet er seinen Pinsel an der
Waschstation. Es ist still in dem kleinen Kellerraum an der Universität
Konstanz, nur das leise Surren des Roboters ist zu hören.
Zur Sicherheit der Besucher geht eine Lichtschranke quer durch das Zimmer.
Wird das Signal überschritten, stoppt sie den Roboter. „David ist eine
Mischung aus jeder Menge Kraft und keinem Gefühl“, sagt Deussen. „Und
trotzdem kann er so gefühlvoll malen.“
23 Oct 2013
## LINKS
[1] http://www.informatik.uni-konstanz.de/edavid/news/
[2] http://vimeo.com/68859229
[3] http://www.informatik.uni-konstanz.de/deussen/mitarbeiter/oliver-deussen/
[4] http://www.abk-stuttgart.de/frames.php?flash=false&language=de
## AUTOREN
Kathrin Streckenbach
## TAGS
Roboter
Kunst
Malerei
Nachrichtenagentur
Pentagon
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ISS
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