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# taz.de -- Kinderreport von Unicef: In Sandalen auf dem Winterschulhof
> Dem durchschnittlichen deutschen Kind geht es gut. Aber nicht jedes Kind
> ist Durchschnitt. Ein Unicef-Report erinnert an jene, die Hilfe brauchen.
Bild: Symbolische Unicef-Aktion für 6.500 allein im Kreis Stormarn in Armut le…
BERLIN dpa | Auf der Couch vor der Glotze, Kippe in der Hand, schlecht in
der Schule und dazu noch unglücklich – sieht so der typische Nachwuchs aus
Problem-Familien aus? Natürlich ist das stark übertrieben. Aber das
UN-Kinderhilfswerk Unicef [1][warnt eindringlich:] Sozial schwache Kinder
in Deutschland werden abgehängt.
Dabei geht es den deutschen Kindern im Schnitt ziemlich gut. In einem
Kindeswohl-Vergleich von 29 OECD-Staaten liegt die Bundesrepublik auf Platz
sechs. Aber: „Durchschnittswerte bergen die Gefahr, dass gravierende
Probleme eines Teils der Kinder nicht gesehen werden“, warnt der deutsche
Unicef-Vorsitzende Jürgen Heraeus, als er am Donnerstag in Berlin den
Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland vorstellte.
Da ist die Gesundheit: Kinder aus sozial schwachen Familien gehen öfter
ohne Frühstück in die Schule. Sie machen weniger Sport und verbringen mehr
Zeit mit Fernsehen und Videospielen. Sie rauchen häufiger und fühlen sich
subjektiv ungesünder als ihre Altersgenossen. „Die Gesundheit der Kinder
variiert mit der Familie, in der sie aufwachsen“, heißt es im Bericht.
Dass es Kinder aus unteren Schichten im deutschen Bildungssystem schwerer
haben, ist bekannt. Für den Unicef-Report fanden Forscher heraus: Wächst
ein Kind bei nur einem Elternteil auf, hängt es am Ende der vierten Klasse
in Mathe und Naturwissenschaften etwa ein halbes Lernjahr hinterher. Das
liegt aber in der Regel nicht nur daran, dass Mutter oder – seltener –
Vater alleine erziehen. Denn: Alleinerziehende sind häufiger arbeitslos und
schlecht ausgebildet. Wieder entscheidet die soziale Lage.
## 1,1 Millionen Kinder betroffen
Eine weitere Erkenntnis: Jahrelange Armut macht Kinder unzufrieden – und
mindert ihr Selbstwertgefühl sowie ihre Fähigkeit, Probleme zu bewältigen.
Die Forscher zeigen, dass 17-Jährige im Schnitt unzufrieden sind mit ihrem
Leben, wenn sie mindestens sieben Jahre lang in relativer Armut
aufgewachsen sind. „Wenn man Kinder in dieser Situation lässt, dann finden
sie keinen Anschluss an die Gesellschaft“, warnt der Berliner Soziologe
Hans Bertram, der den Unicef-Bericht herausgegeben hat. 1,1 Millionen seien
betroffen.
„In einem reichen Land arm zu sein, kann viel demütigender sein, als in
einem armen“, erklärt auch der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge.
Ein Kind, das mitten im Winter in Sandalen auf dem Schulhof stehe, leide
mehr unter den lachenden Mitschülern als unter der Kälte. „Auch wenn die
Grundbedürfnisse befriedigt sind – das ist eben nicht Jammern auf hohem
Niveau“, sagt der Sozialwissenschaftler.
Es müsse etwas geschehen, betonen das Kinderhilfswerk, die Wissenschaft und
auch die Politik. Nur was? Mit der Gießkanne mehr Geld an alle verteilen,
das sei nicht die Lösung, sagt Unicef-Chef Heraeus. Bildungs- und
Teilhabe-Gutscheine seien besser als ihr Ruf – schließlich könnten sie
nicht irgendwo in den Familien verschwinden, sondern kämen wirklich den
Kindern zugute.
## Grundsicherung für Kinder
Soziologe Bertram fordert unter anderem, denen mehr Kindergeld zu zahlen,
die es dringender brauchen, und langfristig eine Grundsicherung für Kinder
einzuführen. Sein Kollege Butterwegge mahnt Investitionen in die
Betreuungs- und Bildungs-Infrastruktur an.
Vorschläge gibt es viele. Butterwegge geht aber davon aus, dass bei den
Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD mehr Kindergeld für alle
rauskommen wird. Und eine Erhöhung des Kinderfreibetrags – von der höhere
Einkommen stärker profitieren als niedrigere.
24 Oct 2013
## LINKS
[1] http://www.unicef.de/presse/2013/kinder-in-deutschland/25812
## TAGS
Unicef
Kinder
Schwerpunkt Armut
Statistisches Bundesamt
Kindersterblichkeit
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