# taz.de -- Doping-Radler Schumacher: Vom Betrug freigesprochen | |
> Radsportler Stefan Schumacher hat gedopt. Dass der Profi seinen damaligen | |
> Teamchef damit betrogen hat, lässt sich nicht beweisen. Er wird | |
> freigesprochen. | |
Bild: Radrennfahrer Stefan Schumacher strahlt nach der Urteilsverkündung. | |
STUTTGART taz | Beifall, tatsächlich Applaus. Doping in Deutschland scheint | |
für einige nicht so sehr bäh, sondern eher kumpelhaftes Allgemeingut zu | |
sein. Gerade hatte die Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts den | |
Radprofi Stefan Schumacher mangels Beweisen vom Verdacht des Betrugs | |
freigesprochen, da freuten sich einige seiner Fans. | |
Kurz danach sagte der Richter zwar, dass Schumacher jahrelang gedopt und | |
darüber „übel gelogen“ habe, dass man aber eben nicht mit Sicherheit sagen | |
könne, ob dies sein Arbeitgeber nicht gewusst habe – und dann habe er eben | |
die 150.000 Euro Gehalt für die fraglichen drei Monate nicht betrügerisch | |
erschlichen. Das Ergebnis: Freispruch in dubio pro reo. „Das ist ein faires | |
Urteil“, freute sich der Radprofi. | |
Der Freispruch im ersten Betrugsprozess wegen Dopings in Deutschland ist | |
damit auch eine Ohrfeige für Hans-Michael Holczer. Das Gericht nahm dem | |
ehemaligen Eigner des Team Gerolsteiner zwar seinen offensiven | |
Antidopingkampf nach außen ab, hat aber erhebliche Zweifel, ob dies auch | |
nach innen galt. Seine Nähe zu den Teamärzten sei unbestritten, und für das | |
Gericht war nach der Beweisaufnahme außerdem klar, dass die Ärzte aktiver | |
Teil des Dopings im Team waren. | |
Richter Martin Friedrich äußerte auch deshalb Zweifel an Holczers | |
Glaubwürdigkeit, weil der die wirtschaftliche Existenz des Teams immer als | |
oberste Priorität seines Handelns bezeichnet habe. Somit sei es | |
wahrscheinlich, dass er mit den Dopinggerüchten um Schumacher nach dem | |
Motto „Augen zu und durch“ umgegangen sei. Schließlich sei das Dopinggerede | |
bei seiner Suche nach einem neuen Sponsor sicher nicht hilfreich gewesen. | |
## In dubio pro reo | |
Kurzum – das Gericht hat „objektive Zweifel“, dass Holczer tatsächlich d… | |
Unwissende war. Allerdings räumte Friedrich ein, dass es auch sein könne, | |
dass Holczer am Ende doch nichts gewusst habe. Aber es gelte eben: in dubio | |
pro reo. Holczer selbst erfuhr in Italien von dem Urteil. „Ich bin | |
enttäuscht, dass es Schumacher so lange gelungen ist, seine Hintermänner | |
aus dem Spiel zu halten“, sagte er. Der ehemalige Realschullehrer vermutet | |
die eher „in Schumachers persönlichen Umfeld als in dem des Teams“. Und er, | |
dabei bleibt er, habe von nichts gewusst. | |
Der Prozess war weit über die schwäbischen Grenzen hinaus beobachtet | |
worden. Vor allem die Frage, ob das deutsche Strafrecht für einen | |
erfolgreichen Antidopingkampf reicht, stand dabei im Fokus. Das Gericht | |
selbst sieht den Präzedenzcharakter indes nicht. Für Richter Friedrich war | |
der Prozess ein Einzelfall zwischen dem Angeklagten Schumacher und dem | |
Zeugen Holczer. | |
Und es war ein Verfahren, in dem sich die Strafkammer des Stuttgarter | |
Landgerichts ungemein schwer mit der Materie nahezu mafiöser Strukturen im | |
Hintergrund des Radsports tat. Acht Verhandlungstage waren geplant, 19 sind | |
es geworden, der Berufssportler Schumacher konnte mehr als ein halbes Jahr | |
nicht wirklich um einen neuen Vertrag als Rennfahrer für 2014 verhandeln, | |
weil jeder sagte: Warten wir erst einmal das Urteil ab. | |
## Gründlich ermittelt wird nicht | |
Eine weitere Schwäche: während der Beweisaufnahme kamen viele Vorwürfe | |
hoch, die auch alle Straftaten sein könnten – wenn man denn Ermittlungen | |
einleiten würde, was nicht passiert ist. Ärzte, die rezeptpflichtige | |
Medikamente ohne Grund herausgeben und pharmakologische Erfüllungsgehilfen | |
sind, wie das Gericht feststellte. | |
Apotheken, in denen man ohne Rezept Dopingsubstanzen kaufen kann, Dealer, | |
die mit allem handeln, was verboten und teuer ist – der Sumpf, in den das | |
Verfahren blicken ließ, ist tief. Er wird aber wohl nicht ein bisschen | |
trockengelegt werden, zumindest nicht im Nachgang dieses Verfahrens. | |
Ob der Prozess in Stuttgart nun wirklich vorbei ist, bleibt offen. | |
Staatsanwalt Peter Holzwarth will eine Nacht darüber schlafen, ob er | |
Rechtsmittel einlegen will. Stefan Schumacher strebte derweil erleichtert | |
aus dem Gebäude. „Ich bin froh, dass es jetzt vorbei ist. Es wird immer zu | |
meiner Geschichte gehören, aber jetzt schaue ich nur noch vorne.“ | |
Wird ihm wohl nicht ganz gelingen, immerhin hat er versprochen, mit der | |
Nationalen Anti-Doping-Agentur in Sachen Aufklärung zusammenzuarbeiten. | |
Spätestens da muss er schon noch mal zurückblicken. | |
29 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Löhle | |
## TAGS | |
Doping | |
Radsport | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Dopingbeichte im Radsport: Schummel-Schumi packt aus | |
Ex-Radprofi Stefan Schumacher legt nun auch ein Dopinggeständnis ab. Er | |
belastet dabei seinen ehemaligen Teamchef Hans-Michael Holczer schwer. | |
Daily Dope (620): Betrugsprozess gegen Radsportler | |
Stefan Schumacher hat gedopt. Ob er seinen Arbeitgeber dadurch geschädigt | |
hat, wird nun vor Gericht geklärt. | |
Anti-Doping-Agentur ringt um Geld: Gehemmte Dopingjäger | |
Der Kampf gegen Doping steckt in Deutschland in der Krise. Weil Unternehmen | |
sich kaum beteiligen, bleibt die Arbeit der Anti-Doping-Agentur nur | |
Stückwerk. | |
Prozess gegen Radprofi Schumacher: Viagra? Voll normal | |
Beim Stuttgarter Betrugsprozess gegen den Radsportler Stefan Schumacher | |
agieren die Sportmediziner geschickt. Trotzdem tun sich Abgründe auf. | |
Jurist über ein Anti-Doping-Gesetz: „Immer einen Anreiz, zu dopen“ | |
Christoph Frank, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds, plädiert dafür, | |
Doper vor Gericht zu bringen. Auch die Fixierung auf Medaillen müsse | |
aufhören. |