# taz.de -- Kontroverse über ferngesteuerte Schabe: Cucaracha tanzt nach der A… | |
> Ein US-Unternehmen bringt eine App heraus, mit der Küchenschaben | |
> ferngesteuert werden können. Tierschützer und Ethiker sind entsetzt. | |
Bild: 1997 stellten erstmals japanische Wissenschaftler Cyborg-Schaben vor. Ein… | |
BERLIN taz | Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft bringt die amerikanische | |
Firma Backyard Brains ein neues Spielzeug für angehende Forscher auf den | |
Markt: den RoboRoach, eine Handy-App, mit der eine lebendige Küchenschabe | |
über einoperierte Elektroden ferngesteuert werden kann. | |
Nach eigener Aussage will Backyard Brains damit beim Nachwuchs Interesse an | |
den Neurowissenschaften wecken. „Wolltest du jemals in deiner Schule oder | |
deinem Institut mit deiner eigenen, ferngesteuerten Küchenschabe abgehen?“ | |
fragt das Unternehmen potenzielle Käufer. | |
Zum Verkaufsstart der App, die für 99 US-Dollar bestellt werden kann, | |
werden jedoch erhebliche ethische Bedenken laut. Michael Allen, | |
Philosophieprofessor an der Belfaster Queen's University, [1][drückte der | |
BBC gegenüber] seine Sorge aus, die Nachwuchswissenschaftler könnten durch | |
solche Experimente anfangen, „komplexe, lebende Organismen als pure | |
Maschinen oder Mittel zu betrachten.“ Verhaltensforscher befürchten, die | |
Krabbeltiere könnten Schäden davontragen. | |
Tatsächlich wirkt die Operation, mit der die nötige Technik an den | |
Kakerlaken implantiert wird, schmerzhaft. [2][In einem Anleitungsvideo] für | |
künftige Schaben-Lenker ist zu sehen, wie das Versuchstier zur Betäubung in | |
Eiswasser eingelegt wird. Anschließend schabt der Forscher die Oberschicht | |
des Schutzpanzers ab und drapiert einen kleinen Adapter auf dem Rücken des | |
Insekts. Danach schneidet er die Fühler ab und ersetzt sie durch | |
Elektroden, die mit dem Adapter verbunden werden. Auf diesen kommt dann der | |
„Bluetooth-Rucksack“ über den das Tier mit dem Smartphone verbunden wird. | |
## Unternehmen verteidigt sich gegen Vorwürfe | |
Nach diesem Eingriff kann die Kakerlake, wenn sie läuft, nach links oder | |
rechts gesteuert werden. Durch die Elektroden werden die Nerven so | |
stimuliert, dass das Tier denkt, sich auf ein Hindernis zuzubewegen. Nach | |
ein paar Tagen ist das Spielzeug aber nicht mehr brauchbar, und eine neue | |
Kakerlake muss her. Dafür liefert Backyard Brains drei Elektrodensets mit, | |
der Adapter kann weiterverwendet werden. | |
[3][Auf seiner Internetseite] kontert das Unternehmen die ethischen | |
Bedenken. Die Verantwortlichen verweisen auf Studien, die den pädagogoschen | |
Wert des Experiments belegen sollen und versichern, die Küchenschaben nicht | |
als Objekte anzusehen. Sie räumen zwar ein, nicht genau zu wissen, ob die | |
Tiere Schmerzen spüren, wenn sie aus ihrem Eiswasser-Koma erwachen. | |
An anderer Stelle relativieren die Backyard Brains jedoch: Es sei | |
wissenschaftlich umstritten, ob Küchenschaben überhaupt Schmerzen empfinden | |
können. Nach dem Experiment könne der Krabbler „den Rest seiner Tage damit | |
verbringen, Schaben zu zeugen und Salat zu fressen.“ | |
Tierschützer dürften sich von dieser Argumentation nicht überzeugen lassen. | |
Wobei mit Küchenschaben auch sonst nicht gerade zimperlich umgegangen wird. | |
11 Nov 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.bbc.co.uk/news/science-environment-24455141 | |
[2] http://www.youtube.com/watch?v=5Rp4V3Sj5jE&oref=https%3A%2F%2Fwww.youtu… | |
[3] http://wiki.backyardbrains.com/Ethical_Issues_Regarding_Using_Invertebrates… | |
## AUTOREN | |
Konrad Bülow | |
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