# taz.de -- Seelsorgestreit: Muslime sagen Islamforum ab | |
> Streit zwischen Islamverbänden und Senat eskaliert: Das für morgen | |
> geplante Dialogforum ist abgesagt. Anlass ist die gekippte muslimische | |
> Gefangenenseelsorge | |
Bild: Er löste den aktuellen Disput aus, indem er die muslimische Gefangenense… | |
Imran Sagir ist ein kräftiger Mann mit sanfter Art, er leitet eine | |
muslimische Telefonseelsorge. Jahrelang arbeitete der 40-Jährige auch in | |
Gefängnissen, gab in Berlin, Hamburg und Niedersachsen Anti-Gewalt-Kurse. | |
Nun wollte Sagir dort auch geistliche Hilfe anbieten – bis der Senat ihm | |
und 27 weiteren Islam-Seelsorgern das untersagte. | |
Sagir ist Leiter der Arbeitsgemeinschaft Muslimische Gefängnisseelsorge, zu | |
dem angesehene Verbände wie die Islamische Förderation oder Ditib gehören. | |
Und derzeit ist Sagir ziemlich ungehalten. „Wie sollen wir mit dem Senat | |
zusammenarbeiten, wenn wir nicht mal wissen, ob er uns überhaupt traut?“ | |
Sagir ist damit nicht allein: Gleich elf muslimische Verbände liegen | |
derzeit im Streit mit dem Senat – und sagten nun das für Donnerstag | |
angesetzte Berliner Islamforum ab, laut Mitteilung „bis auf Weiteres“. | |
## Austausch seit 2005 | |
Seit 2005 treffen sich im Islamforum in mehrmonatigen Abständen ein gutes | |
dutzend muslimischer Verbände mit Senats- und Bezirksvertretern, um sich | |
auszutauschen. Geleitet wird es von der Integrationsbeauftragten Monika | |
Lüke. | |
Der nun eskalierte Streit schwelt schon länger. Bereits im August erteilte | |
die Justizverwaltung Sagirs Arbeitskreis eine Abfuhr: Aufgrund von | |
„Sicherheitsbedenken“ des Verfassungsschutzes dürfe dieser keine Seelsorger | |
in den Gefängnissen stellen. „Zentrale Personen“ des Vereins gelten als | |
„problematisch“. Da war die vom Senat finanzierte und begleitete Ausbildung | |
der 28 Seelsorger bereits abgeschlossen. | |
Bis heute aber, kritisieren die Verbände, habe man nicht erfahren, um | |
welche „Bedenken“ es konkret geht und wie viele der Seelsorger davon | |
betroffen sind. Von „absoluter Intransparenz“ ist die Rede. Das habe man | |
auf dem jetzigen Islamforum klären wollen. Nur hätten nicht nur | |
Justizsenator Thomas Heilmann, sondern auch Innensenator Frank Henkel | |
(beide CDU) abgesagt. „So macht das alles keinen Sinn mehr“, schimpft | |
Sagir. Auch Pinar Cetin, Vize-Chefin der Berliner Ditib, spricht von | |
„leichtfertig beschädigtem Vertrauen zwischen dem Land und den Berliner | |
Muslimen“. | |
Im Senat ist man nun aufgeschreckt. Am Dienstag erteilte Henkel Heilmann | |
die Order, nochmal „intensiv“ mit dem Islamforum zu sprechen. In der | |
Koalition wird über eine „Überreaktion“ des Justizsenators gegrummelt. | |
Dessen Sprecherin Lisa Jani nennt die Absage des Islamforums „sehr | |
bedauerlich“. Bei der Seelsorger-Frage aber gebe es keinen Spielraum. „Wenn | |
es Sicherheitsbedenken gibt, dann können wir diesen Personen keinen | |
Schlüssel für Vollzugsanstalten überlassen.“ | |
Nur was sind diese Zweifel? Darüber schweigt der Senat: wegen der | |
„hochsensiblen“ persönlichen Daten. Von salafistischen Kontakten ist die | |
Rede, die eine „Vielzahl“ der Seelsorger beträfen. An anderer Stelle heißt | |
es, nur eine handvoll Personen sei politisch bedenklich. Alles andere | |
beträfe Strafdelikte bei der Polizei. Ein Sprecher Henkels beteuerte, der | |
Verfassungsschutz habe nur Erkenntnisse weitergegeben. „In die Entscheidung | |
war er nicht eingebunden.“ Soll heißen: Heilmann ist verantwortlich. | |
Imran Sagir hält das Ganze für eine große Posse. Er kenne 90 Prozent der | |
Seelsorger persönlich, sagt er. „Für die lege ich meine Hand ins Feuer. | |
Keiner von uns arbeitet gegen die Verfassung oder die Gesellschaft.“ Zudem | |
seien sieben der 28 Seelsorger bereits in Gefängnissen tätig. „Die wurden | |
ja auch überprüft und zugelassen. Wie passt das alles zusammen?“ | |
Heilmann versichert derweil, dass die Seelsorge muslimischer Gefangenen | |
gesichert sei. Neun Imame und elf weitere Mitarbeiter seien dafür im | |
Einsatz, sagt dessen Sprecherin Jani – „sehr erfolgreich.“ Man arbeite au… | |
weiter „auf Hochtouren“ an einer „Institutionalisierung“ der Seelsorge … | |
Muslimverbänden. „Nur ohne die bisherige Trägergruppe.“ | |
Welche Islamverbände aber nun noch Interesse an dem Projekt haben, bleibt | |
offen. Die Integrationsbeauftragte Monika Lüke versucht zu schlichten. Sie | |
appellierte an alle Seiten, sich wieder an einen Tisch zu setzen: „Gerade | |
jetzt zeigt sich, wie wichtig das Islamforum ist, um wieder Vertrauen | |
herzustellen.“ Der Verdruss der Muslime über den pauschalen Verdacht sei | |
verständlich, so Lüke. Auch müsse die Seelsorge muslimischer Inhaftierter | |
gewährleistet sein. "Dafür brauchen wir jetzt Kooperation und Lösungen." | |
12 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
## TAGS | |
Muslime | |
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