# taz.de -- Debatte Junge Muslime in Deutschland: Wir haben einen Platz verdient | |
> Deutsche Muslime fühlen sich nicht nur von rechter Hetze verletzt. Die | |
> Öffentlichkeit unterschätze häufig auch ihre Individualität. | |
Bild: „Junge Muslime sind genauso bunt und unterschiedlich wie alle anderen j… | |
Er ist schon von Weitem zu hören an diesem Samstag, spätnachmittags in der | |
brechend vollen Münchener Fußgängerzone. Es sind die letzten sonnigen | |
Herbsttage. und inmitten der Menschenmasse blitzt wieder dieses Zelt auf. | |
Ein Zelt, unter dessen Dach ein Mann Hass predigt, Hetze betreibt. Gegen | |
Menschen wie mich. Gegen Muslime. | |
Die meisten Passanten ziehen desinteressiert vorüber, einige bleiben kurz | |
stehen, und wenige schließlich schlüpfen an den Sicherheitskräften und der | |
Absperrung vorbei, um ihre Unterschrift abzugeben für Michael Stürzenberger | |
und seine Partei „Die Freiheit“ – und gegen eine Moschee in der Münchener | |
Innenstadt. | |
Das geplante Zentrum für Islam in Europa (ZIEM) ist zwar noch weit von der | |
Realisierung entfern. Geplant ist aber bereits eine zentrale Moschee, die | |
gleichzeitig als transparente Begegnungsstätte dienen soll, mit großer | |
Bibliothek, einer Islamakademie, einem Gemeindezentrum und einem Museum. | |
Und gegen all das richten sich Stürzenberger und „die Freiheit“. | |
Große Teile der Öffentlichkeit missbilligen das, außerdem wird | |
Stürzenbergers Partei seit April vom bayerischen Verfassungsschutz | |
beobachtet. Aber was ist mit uns jungen Muslimen, die ständig mit | |
islamfeindlichen Aktionen konfrontiert sind? Warum müssen wir uns so etwas | |
gefallen lassen? Bin ich willkommen in meiner Heimat? | |
An diesem Samstagnachmittag bin ich eine von denen, die stehen bleiben. Ich | |
bleibe stehen, weil ich es nicht fassen kann. Ich möchte zur Gegenrede | |
ausholen, „Stopp!“ schreien, Worte der Vernunft sprechen, dem ganzen | |
Einhalt gebieten. Ich möchte, dass es aufhört. Und zugleich fühle ich mich | |
als Deutsche hintergangen. Es ist, als müsste ich mein Dasein in diesem | |
Land rechtfertigen, dabei weiß mein Verstand ganz genau, dass ich das keine | |
Sekunde lang muss. Aber ich bin auch nicht der Typ Mensch, der Dinge in | |
sich hineinfrisst. Ich glaube an die Kraft der Kommunikation. | |
## Kaum auszuhalten | |
Es ist wirklich nicht so, dass ich nicht versucht hätte, zu verstehen. Aber | |
es gibt immer wieder diese blinde Voreingenommenheit, die jede | |
Kommunikation von der ersten Sekunde an verhindert. Nachdem sich | |
herumgesprochen hatte, dass ich Muslimin bin, wurde ich in meiner | |
Heimatstadt mit einem „Herzlich willkommen in Deutschland!“ begrüßt. Kaum | |
auszuhalten, dass mir das jemand in der Stadt, in der ich geboren wurde, | |
mit erschreckender Selbstverständlichkeit ins Gesicht sagte, vermutlich | |
sogar in dem Glauben, das sei nun eine Art von Freundlichkeit. | |
Daran muss ich an diesem Tag, in der Fußgängerzone, denken. Warum wird | |
solchen Aktionen hier so viel Platz eingeräumt? Warum nimmt man derart | |
leichtsinnig in Kauf, andere Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit | |
vor den Kopf zu stoßen? Ja, es gibt schwarze Schafe unter den Anhängern | |
meiner Religion, aber muss ich deren Fehler ausbaden? | |
Es ist wichtig, dass nicht nur ich über diese Fragen nachdenke. Denn die | |
Wirkung solch feindseliger Auftritte auf junge Muslime ist stark. Wenn eine | |
Stadt wie München ein Klima voller Hass und Provokation zulässt, fühlen | |
sich viele junge Muslime provoziert, alleingelassen, bestätigt in ihrer | |
Opferrolle und verlieren aufgrund ihrer Religion und Herkunft die Hoffnung, | |
jemals etwas in diesem Land erreichen zu können. Viele hoch qualifizierte | |
junge Muslime sehen nicht ein, warum sie sich ständig rechtfertigen und | |
beweisen müssen, und verlassen – mitsamt ihrer Qualifikation – das Land. | |
Wer dabei der Verlierer ist, muss nicht weiter erörtert werden. | |
## In „Wir-und-die“-Schemata denken | |
Viele junge Muslime sind in ihrer Persönlichkeit noch nicht gefestigt | |
genug, um sich vor Augen zu halten, dass die Mehrheit in Deutschland nicht | |
so denkt. Sie werden sich immer weiter abgrenzen und in einer eigenen Welt | |
leben, die nichts mehr mit der deutschen Gesellschaft zu tun haben wird. | |
Sie werden radikalen Rattenfängern ins Netz gehen und in „Wir-und-die“- | |
Schemata denken. Sie werden sich radikalisieren, was wiederum Islamfeinden | |
für ihre Hetze zugute kommt. Und in diesem Fall gehen daraus beide als | |
Verlierer hervor: unsere Gesellschaft – und die jungen Muslime selbst. Es | |
ist ein Teufelskreis. | |
Ein Teufelskreis mit einer erstaunlich einfachen Lösung. Spielen wir doch | |
einmal den Worst Case durch: Was hätte eine zentrale Moschee in München für | |
Auswirkungen? Bislang sieht die Münchner Moscheenlandschaft eher so aus: | |
Man stelle sich ein unscheinbares Hochhaus nahe dem Hauptbahnhof vor, ohne | |
jeglichen Charme, von der Außenfassade fällt bereits der Putz ab, nebenan | |
befindet sich ein heruntergekommenes Stripteaselokal, das von älteren | |
Herren bevölkert ist. | |
Im Hinterhof führt eine Außentreppe in einen dunklen Keller. Und ehe man | |
sich versieht, siehe da, befindet man sich in einem repräsentativen | |
muslimischen Gotteshaus! Wer diesen Ort für eine Quelle der Spiritualität | |
hält, der hat wirklich ein erstaunliches Maß an Fantasie. Aber genauso | |
sieht derzeit unser Platz in der Gesellschaft aus. | |
## Ich liebe meine Religion | |
Ich liebe meine Religion, ich liebe ihren friedliebenden Charakter, ich | |
liebe die warmen Teppiche, auf denen man betet, ich liebe den Imam-Ruf, und | |
ich kenne meine Religion – meine Religion ist für mich eine Art Heimat. | |
Genauso wie München. | |
Was wäre die Folge einer zentralen Moschee in München? Man würde den jungen | |
Muslimen zeigen, dass sie einen Platz in der Gesellschaft verdient haben, | |
dass sie Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit in diesem Land sind und | |
man sich gegenseitig wertschätzt. | |
Die Verantwortung liegt gewiss auf beiden Seiten. Ich selbst sehe mich | |
durch islamfeindliche Aktionen wie den offenen Protest gegen die Moschee | |
darin bestärkt, ein besseres Gegenbeispiel zu liefern. Und | |
weiterzuvermitteln: Junge Muslime sind genauso bunt und unterschiedlich wie | |
alle anderen jungen Menschen auch. Und wir sind Teil dieser Gesellschaft. | |
Ein brauchbarer Teil dieser Gesellschaft, gebildet, neugierig und mit | |
Potenzial. Wir verdienen, dass man das erkennt und wertschätzt. | |
Denn dieses Land ist unsere Heimat. Und Heimat kann einem niemand | |
absprechen. | |
22 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Dunja Ramadan | |
## TAGS | |
Islam | |
Moscheebau | |
München | |
Integration | |
Kopftuch | |
Diskriminierung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gleichbehandlungsgesetz missachtet: Richter verbietet Anwältin Kopftuch | |
In Berlin wurde einer Rechtsanwältin untersagt, vor Gericht ein Kopftuch zu | |
tragen. Das zeigt, welche Verwirrung bei diesem Thema inzwischen herrscht. | |
Diskriminierung bei der Jobsuche: Das Foto macht den Unterschied | |
Ein Studie zeigt: Wer in Deutschland ein Kopftuch trägt, hat es auf dem | |
Arbeitsmarkt schwer. Anonymisierte Bewerbungen könnten da helfen. |