| # taz.de -- Trio-Schlagzeuger Peter Behrens: Der Clown mit der Trommel | |
| > Als Schlagzeuger der Band Trio war Peter Behrens ein Star der Neuen | |
| > Deutschen Welle. Dann stürzte er ab. Jetzt hat er seine Autobiographie | |
| > geschrieben. | |
| Bild: Von ganz oben bis ganz unten: Der frühere Trio-Schlagzeuger Peter Behren… | |
| Es gibt Dinge, die sind so untrennbar mit ihrer äußeren Erscheinungsform | |
| verbunden, dass selbst kleinste Änderungen irritieren. Als ein | |
| norddeutscher Automobilkonzern zum Beispiel mal seinen knubbeligen | |
| Dauerbrenner auf „Beetle“ trimmte, verstörte das viele Menschen so sehr wie | |
| Meg Ryans Schlauchbootlippen oder Crystal-Coke ohne Farbe. Kein Wunder, | |
| dass dieser alte Mann von 66 Jahren mit Opa-Hut auf dem aschgrauen Haar für | |
| stilles Entsetzen sorgt, als er am Rande des Hamburger Hauptbahnhofs im | |
| Kartoffelsalat stochert. | |
| Schließlich haben große Teile dieser Republik ein anderes Bild von Peter | |
| Behrens im Kopf als vorzeitige Verwitterung solchen Ausmaßes. Vor drei | |
| Jahrzehnten hat es sich fast wie einst der VW-Käfer ins kollektive | |
| Gedächtnis gebrannt: Als Schlagzeuger der Band Trio trug Behrens weißes | |
| T-Shirt unter roten Hosenträgern und eine lustige Stirnlocke überm | |
| schläfrigen Blick. | |
| Kürzlich ist seine Autobiographie erschienen und Behrens sitzt im hinteren | |
| Eck eines Lokals am ebenso verwitterten Hamburger Steindamm mit dem Namen | |
| „Wiener Café“, trägt drei Lagen Wollpullover und lächelt leicht zahnlos … | |
| Begrüßung. | |
| Aber wenigstens lächelt er. Denn als seine Dreimannkapelle 1986 nach kurzem | |
| Ausflug ins globale Entertainment sang und klanglos von der ganz großen | |
| Bühne abtrat, als sich Trio – neben Nena, Ideal oder Fehlfarben die wohl | |
| wichtigste Band der Neuen Deutschen Hitparadenwelle – auflöste, da tat das | |
| ihrem Schlagzeuger alles andere als gut. | |
| ## „Bis Klaus kam“ | |
| „Ich war unten und zwar eine Weile“, erzählt der gebürtige Niedersachse v… | |
| Loch, in das er ohne seinen musikalischen Anker gefallen war. „Kokain, | |
| Alkohol, Schulden, Arbeitslosigkeit“, fügt er grinsend hinzu: das volle | |
| Programm des Absturzes eines Aufsteigers. Und der war so heftig, so tief, | |
| so umfassend, dass es kein Zurück zu geben schien. | |
| „Bis Klaus kam“, wie Peter gleich mehrfach schwärmt. Von Klaus Marschall | |
| nämlich, einem gänzlich unbekannten Lehrer aus dem westfälischen Soest, den | |
| ein Bekannter mit ähnlicher Biografie auf den gestrauchelten Exstar | |
| aufmerksam gemacht hatte. Er nahm Kontakt auf zu Behrens, überzeugte ihn | |
| von der heilenden Kraft des Redens, kam zu Besuch, lud ihn ein. Für den | |
| sesshaften Pensionär Behrens, der in Wilhelmshaven lebt, war das eine | |
| kleine Weltreise. | |
| Deshalb hat dieser fremde Pädagoge seinem Freund in spe geraten, das | |
| Erlebte nicht nur auszusprechen, sondern festzuhalten, festhalten zu | |
| lassen, von ihm, Klaus Marschall. „Ich denke“, im Bahnhofscafé grinst | |
| Behrens wieder sein lustiges Lausbubenlachen im faltigen Gesicht, „er | |
| schreibt.“ | |
| ## „Da Da Da“ | |
| Schließlich war schon der Beginn alles andere als auf Rosen gebettet. | |
| Geboren kurz vorm knüppelharten Nachkriegswinter 1947 im friesischen | |
| Sanderbusch als unehelicher Sohn eines amerikanischen GI, schickte ihn die | |
| Mutter frühzeitig ins Waisenhaus. Kein allzu hoffnungsvoller Start – wäre | |
| er nicht sehr bald ins benachbarte Varel adoptiert worden: Von zwei | |
| Bundesbahnangestellten mit Namen Behrens, die ihn fortan zielstrebig auf | |
| eine Beamtenlaufbahn bringen wollten. | |
| Vergebens: Schon der junge Peter entzog sich dieser Option durch ein | |
| Lehramtsstudium, mehr aber noch durch die Musik. Sie sei seine Rettung | |
| gewesen, sagt Behrens jetzt. Sie führte ihn über den Umweg diverser Schul | |
| und Krautrock, ja selbst Swing oder Schlagerbands im Jahr 1980 per | |
| Zeitungsannonce zu Stephan Remmler und Kralle Krawinkel ins oldenburgische | |
| Großenkneten. Es war der Keim eines märchenhaften Wachstums zu absoluten | |
| Topstars der NDW. | |
| Plötzlich war deutscher Pop auch ohne Kunstnamen von Roy bis Rex plus | |
| Liebeszwang im Refrain massentauglich. Umso erstaunlicher, dass Trio ihren | |
| Durchbruch mit dem minimalistischen Anti-Lovesong „Da Da Da“ schafften. | |
| Womit wir beim Problem wären. Denn unter all den Karnevalsfiguren der NDW | |
| wurde Trio zur Prinzengarde. | |
| Das passte zwar zu Behrens, der sein Alleinstellungsmerkmal des stoischen | |
| Clowns auf der Mailänder Artistenschule gelernt hatte. Doch so sehr das | |
| Zurückhaltende „auch meinem Naturell entspricht“, wie er zurückhaltend | |
| erzählt, ergriff dieses Markenzeichen derart Besitz von ihm, dass sein | |
| Verlust wie kalter Entzug wirkte. | |
| ## Ein Rentnerleben | |
| Denn als Dominik Grafs Klamauk „Drei gegen Drei“ 1984 an der Kinokasse | |
| absoff, hatte sich die Hauptdarsteller-WG auch künstlerisch längst | |
| entfremdet. „Remmler“, wie Behrens seinen Sänger auch im Buch distanziert | |
| nennt, „wollte Richtung Schlager, Kralle zurück zum Rock, ich stand | |
| zwischen den Stühlen.“ Als es nach dem letzten Hit „Turaluraluralu“ 1986 | |
| zum Bruch kam, stand Behrens also vor dem Nichts. Bis, ja, bis jener Klaus | |
| Marschall kam, den er nicht kannte, aber kennenlernte, je mehr er ihm von | |
| sich selbst preisgab. | |
| Und wie geht es dem Clown mit der Trommel, so der Titel des Buches, heute – | |
| 27 Jahre, viele Angebote zur Reunion und 270 Seiten Autobiografie später? | |
| Trio, „der Mount Everest meines Lebens“, liege hinter ihm und dürfe dort | |
| auch bleiben. Vor ihm liege schließlich ein Rentnerleben, das er sogar | |
| genießen kann seit der „Therapie des Schreibens“, wie er es nennt. | |
| Es war ein langer Prozess, der Anekdoten über durchzechte Nächte mit Falco | |
| ebenso zutage förderte wie die Geschichte über jenes halbe Jahr Knast, das | |
| ihm Alkohol am Steuer eingebracht hat. Zu lesen ist ferner von verjuxten | |
| Millionen oder jener Wahrsagerin, die ihm eine Schriftstellerkarriere | |
| prophezeit hatte. Sie hat Recht behalten, irgendwie. Auch wenn es das mit | |
| dem Schreiben jetzt gewesen sein soll, wie er bei der ersehnten Zigarette | |
| danach noch betont. | |
| In Hamburg würde Peter Behrens gern bald leben, unter Leute kommen, auch | |
| mal trommeln. Aber noch lieber: Wien. „Da haben wir einen Fanclub, der mich | |
| ein, zweimal im Jahr einlädt.“ So ganz kommt Peter Behrens offenbar doch | |
| nicht los von Trio, dem Berg seines Lebens. | |
| 26 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Freitag | |
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