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# taz.de -- Behördenwillkür in Brandenburg: Alt von Amts wegen
> Brandenburgs Innenministers hat versprochen, dass seine Behörden bei
> Altersfestsetzungen von jungen Flüchtlingen nichts erfinden – doch daran
> gibt es Zweifel
Bild: Trüber Ausblick: Blick aus der Erstaufnahmestelle Eisenhüttenstadt.
Im Potsdamer Landtag war sich Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) seiner
Sache sehr sicher. Er stritt die Vorwürfe gegen die Ausländerbehörde in
Eisenhüttenstadt ab: „Die Zentrale Ausländerbehörde hat in keinem Fall
Geburtsdaten von Flüchtlingen eigenständig und willkürlich festgelegt,“
sagte er am vergangenen Freitag vor dem Brandenburger Parlament.
Aber kann er sich wirklich so sicher sein? Der taz liegen Dokumente vor,
die seiner Darstellung widersprechen. In mindestens einem Fall hat die
Ausländerbehörde offenbar einem Flüchtling einen Heimausweis ausgestellt,
in dem dieser volljährig ist – obwohl die Hamburger Bundespolizei den
Flüchtling zuvor als minderjährig eingestuft hatte.
Die taz hatte in der vorigen Woche mehrmals über die Situation von
unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Brandenburg berichtet. Junge
somalische Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten in Eisenhüttenstadt
angekommen sind, hatten der Ausländerbehörde vorgeworfen, ihre
Minderjährigkeit nicht anzuerkennen. Auch das zuständige Jugendamt, das die
Jugendlichen in Obhut nehmen muss, bis das tatsächliche Alter geklärt ist,
wurde nicht oder erst viel später hinzugezogen. Auf Anfrage der Grünen
musste sich der zuständige Innenminister Holzschuher am Freitag im Landtag
äußern.
Holzschuher sagte den Abgeordneten, dass das Alter der jungen Flüchtlinge
bereits vor der Ankunft in Eisenhüttenstadt festgelegt worden sei: „Bei den
Heimausweisen werden die Altersangaben des Asylsuchenden oder aber amtliche
Altersfeststellungen übernommen, die andere Behörden bereits getroffen
haben.“ Er sprach von größter Sorgfalt, die beim Umgang mit minderjährigen
Flüchtlingen angewandt werden müsse, und ordnete eine Untersuchung an: „Wir
haben den Menschen, die in Not geraten sind, immer eine helfende Hand
gereicht.“ Die Verantwortung für die fragwürdige Altersfeststellung der
jungen Flüchtlinge stritt er jedoch ab.
Der Fall des somalischen Flüchtlings Mohamed A. widerspricht Holzschuhers
Darstellung. Am 5. November stellt die Bundespolizei in Hamburg ein
Formular aus, das ihm bescheinigt Asylsuchender zu sein (siehe Foto). Als
Geburtsdatum nennt das Formular nur das Geburtsjahr 1999, er wäre demnach
also 13 oder 14 Jahre alt. Zwei Tage später wird Mohamed A. nach
Eisenhüttenstadt gebracht und erhält von der dortigen Ausländerbehörde
einen Heimausweis. Darauf steht nun, dass er am 5. November 1995 geboren
wurde. Er soll also an genau dem Tag volljährig geworden sein, als ihm die
Bundespolizei in Hamburg seine Minderjährigkeit attestierte. Er selbst
behauptet, minderjährig zu sein.
Unklar ist, ob Mohamed A. in den beiden Tagen in Hamburg noch mit anderen
Behörden zu tun hatte und diese ihm weitere Unterlagen ausstellte. Es
bleibt dennoch verwunderlich, wie die Geburtsdaten des jungen Flüchtlings
zustande kommen.
Prinizipiell sei es egal, wo das Alter von Flüchtlinge festgelegt werden,
sagt Niels Espenhorst vom Bundesfachverband unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge. „Wenn er mit einem Papier in Eisenhüttenstadt ankommt, das
aussagt, dass er minderjährig ist, muss er in Obhut genommen werden und das
geprüft werden.“ Espenhorst kritisierte die Aussage des Innenministers im
Landtag: „Es ist naheliegend, mit dem Zeigefinger auf andere zu zeigen.
Aber wenn er wirkliches Interesse an Aufklärung hat, muss er prüfen, was in
Brandenburg falsch läuft.“ Espenhorst bescheinigte den Behörden in
Brandenburg ein „flächendeckend fehlendes Problembewusstsein“.
Nun könnte sich Innenminister Holzschuher darauf berufen, dass der
Heimausweis nicht der amtliche Ausweis, die so genannte
„Aufenthaltsgestattung“ ist. Trotzdem bleibt die Frage, warum die
Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt ein anderes Datum als die
Bundespolizei angibt.
In einem weiteren Punkt widersprechen sich die Aussagen des Innenministers
mit den Aussagen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
Holzschuher sagte im Landtag: „Die Aufenthaltsgestattung, die den
Aufenthaltsstatus während des Asylverfahrens absichert, wird vom BAMF
erteilt.“ Eine Sprecherin des BAMF sagte gegenüber der taz:
„Aufenthaltsgestattungen werden von der jeweils zuständigen örtlichen
Ausländerbehörde ausgestellt.“
27 Nov 2013
## AUTOREN
Kersten Augustin
## TAGS
Flüchtlinge
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