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# taz.de -- NS-Vergangenheit: Vom Gründervater zur Persona non grata
> Der Hinrich-Wilhelm-Kopf-Platz in Hannover soll umbenannt werden, weil
> Kopf sich während der NS-Zeit an jüdischem und polnischem Vermögen
> bereichert haben soll
Bild: Der Platz vor dem niedersächsischen Landtag soll nicht mehr seinen Namen…
HANNOVER taz | Der Ältestenrat des niedersächsischen Landtags hat sich nach
den Erkenntnissen über die NS-Vergangenheit des ehemaligen
Ministerpräsidenten Hinrich Wilhelm Kopf einstimmig für die Umbenennung des
nach ihm benannten Platzes vor dem Landtagsgebäude in Hannover
ausgesprochen.
Eine in diesem Jahr veröffentlichte Biografie über den SPD-Politiker hatte
Kopfs Mitwirkung an der Beschlagnahme jüdischen und polnischen Vermögens
aufgedeckt. Bis dato wurde Hinrich Wilhelm Kopf, Ministerpräsident von 1946
bis 1955 und 1959 bis 1961, als Erbauer und Landesvater Niedersachsens
geehrt. Allerdings legte eine vom niedersächsischen Landtag eingesetzte
Historische Kommission zur NS-Vergangenheit ehemaliger niedersächsischer
Landtagsabgeordneter im letzten Jahr einen Bericht vor, der besagte, dass
sich Kopf zwischen 1939 und 1943 auf unlautere Weise an jüdischem und
polnischem Eigentum bereichert hatte.
Als die Göttinger Politologin Teresa Nentwig ihre Biografie über Kopf
veröffentlichte, wurde die Diskussion über die Ehrerbietung in Form des
Hinrich-Wilhelm-Kopf-Platzes zum Thema im niedersächsischen Landtag. Nun
hat der Ältestenrat einstimmig für eine Umbenennung des Platzes votiert.
Landtagspräsident Bernd Busemann soll baldmöglichst mit dem zuständigen
Bezirksrat Hannover-Mitte Gespräche zur Umbenennung aufnehmen. Der
Bezirksrat ist aus kommunalrechtlichen Gründen die entscheidende Instanz in
dieser Sache. Die Historische Kommission erklärte Kopf in ihrem
Abschlussbericht als „moralisch-politisch belastet“.
Kopf war als ausgebildeter Jurist und konservativer Sozialdemokrat bis 1933
im öffentlichen Dienst tätig. Den vorliegenden Berichten zufolge, soll
seine anschließende Tätigkeit die „Arisierung“ jüdischer Betriebe und die
Beschlagnahme jüdischen Eigentums in Polen beinhaltet haben. Außer Hinrich
Wilhelm Kopf, der damals im Handel tätig war, kamen viele Politiker und
Beamte direkt aus Beschäftigungsverhältnissen mit der deutschen
Reichsregierung und gehörten der NSPAD an.
So zum Beispiel Richard Langeheine, ehemaliger niedersächsischer Justiz-
und Kulturminister und zeitgleich mit Kopf im niedersächsischen Landtag. Er
gehörte Hitlers Partei schon seit 1933 an. Auch nach ihm ist eine Straße in
Peine benannt.
Die aktuelle Diskussion über den Hinrich-Wilhelm-Kopf-Platz wirft Fragen
auf: Wie ist ein Engagement im NS-Apparat gegenüber einer maßgeblichen
Beteiligung am Aufbau des Bundeslandes Hannover abzuwägen? Sollte man nicht
nur den Platz vor dem Landtag, sondern auch Schulen und Straßen umbenennen?
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen in Niedersachsen, Anja Piel, sagt
hierzu: „Wir müssen uns die historische Bedeutung und Wirkung des jetzigen
Namens bewusst machen. Vor dem Hintergrund sprechen wir uns für eine
Umbenennung und eine neue Namensgeberin aus, die für die Auseinandersetzung
mit der Geschichte steht.“ Auch Johanne Modder, Fraktionsvorsitzende der
niedersächsischen SPD äußerte sich nach einem Beratungsgespräch: „Wir tun
uns schwer damit, wenn der Platz vor dem Landtag den Namen des ersten
niedersächsischen Ministerpräsidenten beibehält.“
Auch aufgrund der Tatsache, dass Kopf seine Verwicklung in die
NS-Besatzungspolitik stets bestritten hat, sprach sich die Historische
Kommission für die kritische Auseinandersetzung mit dem Leben des
Landesvaters aus. Allerdings solle man nicht versuchen, den Namen aus dem
öffentlichen Bewusstsein zu tilgen. Am 14. Januar 2014 wird es in Hannover
eine öffentliche Podiumsdiskussion geben, die sich unter Vorsitz der
SPD-Vizepräsidentin Gabriele Andretta erst einmal mit der Frage
beschäftigt, wie das Erbe Hinrich Wilhelm Kopfs zu behandeln ist.
5 Dec 2013
## TAGS
Gedenken
Migration
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