# taz.de -- Werkschutz bei Norgren: Rabiate Methoden gegen Streikende | |
> In Großbettlingen geht ein Arbeitskampf zu Ende. Doch die | |
> Norgren-Mitarbeiter klagen, sie seien massiv eingeschüchtert worden. | |
Bild: Streiken Beschäftigte? Ein Fall für private Sicherheitsdienste, dachte … | |
GROSSBETTLINGEN taz | Wenn die Betriebsratsvorsitzende Nevin Akar in ihrer | |
roten Streikjacke an der Schwelle zum Werkstor der Firma Norgren stand, | |
erschien bald ein dunkel gekleideter Mann hinter der Scheibe des | |
Eingangsbereichs und starrte sie an. 26 Jahre hat Nevin Akar in der Firma | |
gearbeitet. Doch zuletzt durfte sie das Gelände und ihr Büro wegen eines | |
Streiks nur noch auf Antrag bei der Firmenleitung betreten. Und auch das | |
musste sie sich erst juristisch erkämpfen. | |
Das Norgren-Werk in Großbettlingen, einem Ort zwischen Neckar und | |
Schwäbischer Alb, stellt pneumatische Lösungen her. Nun wird die Fertigung | |
nach Brünn in die Tschechische Republik verlegt. Seit Oktober hatte dagegen | |
der größte Teil der Belegschaft gestreikt. | |
Am Ende ging es nicht mehr unbedingt darum, das Aus abzuwenden, sondern | |
darum, wie die Firmenleitung mit den Mitarbeitern umging. „Was die mit uns | |
gemacht haben, darf nicht Schule machen“, sagt eine Frau, die 45 Jahre bei | |
Norgren gearbeitet hat. | |
Als der Geschäftsführer die Schließung des Standortes verkündete, lässt er | |
sich von privaten Wachleuten begleiten. Akar schüttelt den Kopf. „Ab dem | |
Moment waren sie Tag und Nacht da“, sagt sie. Etwa 25 Werkschützer hätten | |
sich in der Firma verteilt und jede Regung der Mitarbeiter kritisch beäugt, | |
gefragt, was sie da täten, wenn sie nur das Fenster öffneten. | |
## „Jage nicht, was du nicht töten kannst“ | |
Akar durfte die Firma irgendwann gar nicht mehr und schließlich nur noch | |
mit Begleitung betreten. Ein Sicherheitsmann sei stets mit ihr zum Büro | |
gegangen und habe vor ihrer Tür gewartet, um sie wieder hinauszuführen. | |
„Das war beklemmend. Man bekommt Angst an einem Ort, an dem man sich sicher | |
fühlte“, sagt sie. Ein Detail verstärkte dieses Gefühl: Auf einem der Autos | |
der Wachleute prangte auf der Heckscheibe der Spruch: „Jage nicht, was du | |
nicht töten kannst.“ | |
Auch der Bürgermeister des Ortes, Martin Fritz, hat den Konflikt | |
beobachtet. „Der Geschäftsführung fehlt die soziale Kompetenz, mit den | |
Mitarbeitern richtig umzugehen“, sagt er. So eine Kaltschnäuzigkeit habe er | |
in 30 Amtsjahren noch nicht erlebt. | |
Die Firma Norgren hat ihren Hauptsitz in Alpen (Nordrhein-Westfalen) und | |
gehört zum britischen Konzern IMI. Die Leitung in Großbettlingen sieht in | |
ihrem Vorgehen nichts Ungewöhnliches. Der Werkschutz sei aus Gründen der | |
„Sicherheit aller Mitarbeiter und zur Deeskalation“ beauftragt worden. Am | |
Ende seien nur noch drei bis vier Werkschützer pro Schicht da gewesen. | |
Weiter teilt die Firma mit: „Spätere Vorkommnisse – anonyme Drohbriefe, die | |
sich gegen leitende Mitarbeiter richteten, sowie das Abwerfen eines | |
Feuerwerkskörpers, der einen Mitarbeiter des Werkschutzes verletzt hat – | |
hatten uns darin bestätigt, einen Werkschutz einzurichten.“ | |
Vergangene Woche wurden Details eines Sozialplans für die über 100 | |
Mitarbeiter, darunter 70 Festangestellte, vereinbart. 20 Arbeitsplätze | |
bleiben erhalten. Die restlichen Mitarbeiter sind ab sofort freigestellt, | |
der Streik ist beendet. Akar war für die letzten Verhandlungen noch einmal | |
in der Firma. „Nach den Gesprächen wurden wir von den Sicherheitsleuten | |
regelrecht rausgeschmissen.“ | |
8 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Lena Müssigmann | |
## TAGS | |
Arbeitskampf | |
Betriebsrat | |
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