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# taz.de -- Satiriker Horst Tomayer ist tot: Jeder Fleck Natur eine Bühne
> Horst Tomayer hätte es verdient, in einem Atemzug mit der Neuen
> Frankfurter Schule genannt zu werden. Doch berühmt werden konnte er
> nicht.
Bild: Horst Tomayer in seiner Weihnachtsansprache 2011 für die „konkret“.
Der Satz „Die Welt ist seine Bühne" ist schon vielen Menschen angeheftet
worden, manchen vielleicht sogar nicht völlig zu Unrecht. Es gibt aber
niemanden, der die Behauptung, die in dieser Formulierung enthalten ist,
mit derartiger Bravour und Grandezza gelebt hat, wie der Schriftsteller,
Satiriker und Schauspieler Horst Tomayer, der am Freitag im Alter von 75
Jahren in Hamburg an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben ist.
Zu seiner Bühne machte Tomayer, Autor von Büchern wie „German Poems“,
Darsteller in diversen Otto-Filmen und einem ganz anderen Publikum bekannt
als Dr. Binder in der ZDF-Serie „Tierarzt Dr. Engel“, jede Kneipe, jede
Supermarktkassenschlange, ja, letztlich jeden Flecken Natur, auf dem der
Fahrradmarathonmann, Pilzexperte und passionierte Apfelklauer einer anderen
Menschenseele begegnete.
Und wenn er dann einmal auf einer herkömmlichen Bühne stand, war es äußerst
schwer, ihn dazu bewegen, sie wieder zu verlassen. Wer jemals erlebt hat,
wie er einen seiner Evergreens, etwa das nach der Melodie der
„Moorsoldaten“ zu singende „Lied der deutschen Rüstungsarbeiter“ darbot
(„Tag für Tag stehn wir an der Drehbank / Drehn Granaten früh bis spät /
Wir sind vom Granatendrehen / Bald schon richtig durchgedreht / Ihr Bosse,
hört, Ihr Kunden / Fünfundreißig Stunden / Sind genug“) – der weiß, das…
ein für alle Beteiligten unguter Einfall war, ihn von der Bühne zu holen.
Tomayer schrieb mehr als 30 Jahre (bis kurz vor seinem Tod) sein „Ehrliches
Tagebuch“ für das Magazin „konkret“, und in dieser Zeitschrift erschien
einst auch einer der Klassiker der hiesigen Humorproduktion: die Rubrik
„Deutsche Gespräche", die in den 80er Jahren auch in Buchform erschien.
Unter falschen Namen telefonierte Tomayer seinerzeit mit Gestalten, die es
verdienten, hinter jedes Licht geführt zu werden.
Das berühmteste Gespräch führte er 1982 als Luis Trenker mit dem damals
noch unter den Lebenden weilenden Ernst Jünger. Dieser nahm darauf rund
zehn Jahre später Bezug in „Siebzig verweht III - Eine Auswahl aus den
Tagebüchern 1981 bis 1985". Jünger hatte bis dahin nicht gemerkt, dass er
nicht mit Trenker telefoniert hatte, sondern mit Tomayer. Diese Episode
brachte Tomayer eine Erwähnung im Spiegel ein.
Horst Tomayer hätte es verdient, in einem Atemzug mit der Neuen Frankfurter
Schule genannt zu werden, und wahrscheinlich würden das deren noch lebende
Vertreter nicht bestreiten. Berühmt werden konnte Horst Tomayer aber schon
deshalb nicht, weil er nicht korrumpierbar war. Er hat zwar Tausende von
Komposita erfunden – etwa „Fahrraddiebhalsgerichtsordnung“ –, und viele
davon sind nur in SMS-Nachrichten und auf Faxpapier erhalten geblieben,
aber das Wort Karriereplanung kannte er nicht.
Das lässt sich nicht für alle seiner einstigen Weggefährten sagen. In der
Frühzeit seiner Autorenlaufbahn schrieb Horst Tomayer unter dem Pseudonym
Fietje für die linksradikale Boulevardzeitung St. Pauli Nachrichten –
gemeinsam mit einem etwas jüngeren Kollegen füllte er täglich die Rubrik
„Hein und Fietjes Kommentar“.
Hein wird, wie wenige Tage vor Horst Tomayers Tod bekannt wurde, demnächst
Herausgeber der Springer-Zeitung Die Welt. Die meisten Menschen kennen ihn
unter dem Namen Stefan Aust.
13 Dec 2013
## AUTOREN
René Martens
## TAGS
Frankfurter Schule
Satire
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